Immobilien:Wohnungsbau in Deutschland - erklärt in Grafiken

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  • Sechs Grafiken erklären, wo in Deutschland Wohnungen gebraucht werden und wo sie eher leer stehen.
  • Bei Neubauten geht der Trend zu kleineren Wohnungen.
  • Großprojekte bieten zügig viel Wohnraum - nicht nur in Großstädten.

Von Katharina Brunner

Boom und Leerstand

In Deutschland muss mehr gebaut werden: Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. In den nächsten fünf Jahren ergibt sich ein geschätzter Bedarf von 266 000 neuen Wohnungen pro Jahr. Tatsächlich gebaut wurden 2014 aber nur 245 000 Wohnungen - das sind 20 000 zu wenig. Erweitert man jedoch die Prognose bis 2030, geht der jährliche Bedarf auf 237 000 Wohnungen zurück, auch weil die Bevölkerung Deutschlands langsam zu schrumpfen beginnt.

Schwerwiegender sei jedoch, wie die Bautätigkeit regional verteilt ist, heißt es in der Studie. Dort, wo die Bevölkerung zurückgeht, weil mehr Menschen weg- als hinziehen oder sterben, ist von einem Immobilienboom nichts zu spüren. Stattdessen stehen Gebäude und Wohnungen leer. Ralph Henger vom IW Köln sagt: "Wir haben eine gespaltene Republik."

Die Forscher empfehlen Städten mit Wohnraum-Mangel, Regeln aufzuweichen: "Beliebte Städte müssen die Auflagen etwa für die Gebäudehöhe lockern." Umgekehrt sollten gerade ländliche Landkreise, in denen der Bedarf bereits gedeckt ist, nicht noch weiter Baugebiete ausweisen.

Ja, es wird schon mehr gebaut

In Deutschland muss also - je nach Region - mehr gebaut werden und das wird es bereits: "In Deutschland zieht die Bautätigkeit bereits eindeutig an", sagt Henger. Wer in Deutschland ein Haus errichten oder umbauen will, muss sich das erst genehmigen lassen. Und diese Genehmigungen nehmen zu - im Vergleich zu 2007 haben die Ämter im vergangenen Jahr 100 000 Mal öfter einem Bauvorhaben zugestimmt.

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Deutschland war in den 90er Jahren mal ein Bauboom-Land. Nach der Wiedervereinigung "wurde viel zu viel gebaut", sagt Henger. Mehr als 630 000 Mal genehmigten Behörden allein 1995 Wohnungen. Das ist in etwa so viel wie 2010, 2011 und 2012 zusammen.

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Bis Mitte der Nuller-Jahre sind die Baugenehmigungen für Wohnungen dann immer weiter zurückgegangen. "Der Markt war völlig übersättigt. Es gab zum Teil großen Leerstand", sagt Henger. Auch der soziale Wohnungsbau der Länder und Kommunen ist in der Zeit zurückgegangen.

Der Trend: kleinere Wohnungen

Neue und gerade entstehende Wohnungen unterscheiden sich deutlich von denen, die vor 20 Jahren gebaut wurden: Die Wohnungen haben weniger Räume, statt Einfamilienhäuser entstehen Wohnblöcke. "Der Trend geht zum Single-Haushalt und zu Wohnheimen. Das sieht man auch in den Baugenehmigungen", sagt Immobilienökonom Henger. Während der Jahrtausendwende machte eine kleine Wohnung mit bis zu zwei Räumen gerade mal jede 20. Genehmigung aus. 2013 war es schon jede Fünfte.

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Wohnungen oder Einfamilienhäuser mit fünf Räumen oder mehr sind um 20 Prozent weniger genehmigt werden, wohl auch, weil 2007 die Eigenheimzulage wegfiel.

Dieses Muster - mehr kleine Wohnungen, weniger große - findet sich in den fünf größten Städten Deutschlands: Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt. Besonders stark ist der Anstieg im deutschen Musterbeispiel für einen schwierigen Wohnungsmarkt, in München. 2012 wurden dort doppelt so oft Neu- und Umbauten für kleine Wohnungen genehmigt als im bundesweiten Durchschnitt.

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Groß, größer, Stadtquartiere

Großprojekte ermöglichen, schnell viel Wohnraum zu schaffen. Ein Beispiel ist München Riem. Das Viertel ist von der Fläche etwa so groß wie die Münchner Altstadt. Auf einem Areal von 550 Hektar leben mehr als 10 000 Bewohner. Genannt wird so ein Projekt "Neues Stadtquartier". Unter diesem Begriff sammelt das Bundesinstitut für Bau-, Raum- und Stadtforschung städtebauliche Großprojekte.

Seit 1990 haben Kommunen mehr als 300 dieser Projekte umgesetzt. In einem durchschnittlichen Stadtquartier wohnen mehr als 1500 Menschen auf 40 Hektar.

Einerseits bieten Projekte wie München Riem viel Wohnraum, andererseits sind sie umstritten. Das Münchner Sozialreferat hat 2013 vor einer "Stigmatisierung" und "Ghettoisierung" des Stadtteils gewarnt.

Großprojekte gibt es nicht nur in Städten

Städtebauliche Großprojekte gibt es nicht nur in Regionen, in denen viele Menschen wohnen, sondern zum Beispiel auch in der Stadt Parchim in Mecklenburg-Vorpommern. Die nächste größere Stadt Schwerin ist 45 Autominuten entfernt, die Bevölkerung schrumpft. Als strukturschwach werden solche Städte oft bezeichnet. Ein Großprojekt im Stadtbau heißt für Parchim nicht, schnell Wohnraum zu schaffen, sondern das Gegenteil, sagt der stellvertretender Bürgermeister Frank Schmidt: "Wir haben wie viele Städte in Ostdeutschland das Problem, dass wir schrumpfen. Darauf müssen wir uns einstellen."

Das bedeutet: Leerstand in alten DDR-Plattenbau-Siedlungen verringern, also abreißen. Oder bestehende Gebäude umwandeln, wie etwa eine ehemalige Kaserne der sowjetischen Streitkräfte. Dort leben heute 1700 Menschen.

Alte Zechen, neue Häuser

Auch in anderen Regionen nutzen Städte alte Militäranlagen, um sie zu Wohnungen umzubauen. Besonders in Bayern und Baden-Württemberg gibt es viele aufgegebene Standorte der Bundeswehr, in Nordrhein-Westfalen mit dem Niedergang des Bergbaus ungenutzte Industrieanlagen. Dazu kommen alte Flächen der Bahn wie in Saarbrücken oder ein ehemaliger Hafen in Duisburg.

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Allerdings würden viele Städte noch immer Stadtquartiere auf bisherigen Freiflächen verbauen, heißt es beim zuständigen Bundesamt. In Freiburg im Breisgau etwa wurde ein Teil des Naturschutzgebietes Rieselfeld bebaut, im brandenburgischen Falkensee ehemaliges Gartenland und Landwirtschaftsflächen. Dadurch entsteht ein neuer Konflikt: Was ist wichtiger? Wohnraum oder unversiegelter Boden?

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