Immobilien:Völlig losgelöst

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SZ-Grafik; Quelle: F+B

Die Wohnungspreise in deutschen Großstädten steigen binnen Jahresfrist um 8,7 Prozent. München ist das teuerste Pflaster, in Stuttgart und Berlin ziehen die Preise für Eigentum am stärksten an. Wie gefährlich ist der Boom?

Von Benedikt Müller

Der Immobilienmarkt in Deutschland driftet immer weiter auseinander. Während Eigentümer auf dem Land kaum noch Käufer für ihre Häuser finden, steigen die Preise in den Städten schneller an: Im ersten Quartal dieses Jahres wurden Eigentumswohnungen im Schnitt zu 8,7 Prozent höheren Preisen angeboten als noch vor einem Jahr. Das berichtet das Beratungsunternehmen F+B am Montag. Besonders stark sind die Preise demnach in Berlin und Stuttgart gestiegen, um mehr als zwölf Prozent. Der Statistik liegen Angebotsdaten von knapp 30 Millionen Immobilien bundesweit zugrunde.

Die Zahlen liefern neuen Stoff für die Debatte, ob in Deutschland gerade eine Immobilienblase entsteht. Erst am Donnerstag warnte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret, die Ampel stehe eindeutig auf gelb. Als Bankenaufseher mache er sich ernste Sorgen, weil die Geldhäuser im Geschäft mit Baufinanzierungen höhere Risiken eingingen.

Eine Immobilienblase droht, wenn Käufer heute hohe Preise in Kauf nehmen, weil sie noch höhere Werte in der Zukunft erwarten - oder weil sie befürchten, später nicht mehr zum Zuge zu kommen. Wenn die Blase platzt, bleiben überschuldete Käufer sowie faule Kredite in den Bankbilanzen zurück. Derlei Exzesse haben in der Vergangenheit mehrere Finanzkrisen verursacht.

Die Marktforscher von F+B beobachten, dass sich die Kaufpreise für Eigentumswohnungen seit fünf Jahren "nahezu komplett" vom Rest des Immobilienmarktes entkoppeln. Hintergrund sei ein ungebrochener Drang in die Innenstädte. Demnach sind die Kaufpreise in allen großen Städten viel stärker gestiegen als die Mieten (siehe Grafik). Wohnungskäufer nehmen also immer niedrigere Renditen in Kauf. An einzelnen Standorten könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass Spekulation ein Motiv bei der Kaufentscheidung sei, sagt F+B-Geschäftsführer Bernd Leutner.

"Bei den Eigentumswohnungen spielt aber die Selbstnutzung die dominierende Rolle", schränkt Leutner ein. Das schmälert die Blasengefahr: Wer selbst in den eigenen vier Wänden wohnt, will mit der Immobilie für gewöhnlich keinen schnellen Gewinn erzielen, sondern hat sich langfristig eingerichtet und finanziert.

Auch Einfamilienhäuser haben sich in den vergangenen zwölf Monaten stark verteuert, laut F+B im Schnitt um 6,7 Prozent. Sie werden in der Regel ebenfalls nicht vermietet, sondern selbst genutzt. Bei Mehrfamilienhäusern hingegen, die eher von Profi-Investoren gekauft werden, registrieren die Marktforscher einen schwächeren Preisanstieg von 1,3 Prozent binnen Jahresfrist. Es scheint also, als konkurrierten vor allem private Käufer um Wohnungen in Deutschland, und keine Spekulanten.

Und dafür gibt es auch gute Gründe, betont die Deutsche Hypothekenbank in einer separaten Studie am Montag. Das Institut befürchtet derzeit keine Spekulationsblase in Deutschland. Vielmehr könne man den Preisanstieg "im Wesentlichen" durch fundamentale Faktoren erklären: So sind die Zinsen für Immobilienkredite in den vergangenen Jahren von mehr als fünf Prozent auf weniger als zwei Prozent pro Jahr gesunken; Käufer können sich also teurere Immobilien leisten. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Wohnraum gestiegen, weil mehr Menschen aus dem In- und Ausland in die Ballungsräume gezogen sind. Bis ins Jahr 2009 wurden aber immer weniger neue Wohnungen fertiggestellt; seitdem steigen die Neubau-Zahlen vor allem in Großstädten an, gingen in der Fläche aber weiter zurück. Deshalb hält die Deutsche Hypothekenbank weitere Preissteigerungen für möglich, zumal ausländische Investoren noch viel höhere Immobilienpreise aus anderen Staaten gewohnt seien.

"Wir gehen jedoch davon aus, dass die Fertigstellungen den Bedarf an Wohnungen mittel- bis langfristig decken werden", sagt Deutsche-Hypo-Chef Andreas Pohl. Dann dürfte die Zeit der besorgniserregenden Preisanstiege vorüber sein, auch in den Großstädten.

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