Illegale Preisabsprachen von Thyssen-Krupp:Teure Schienen, teure Strafe

Korruptionsaffäre bei Thyssen-Krupp

Überteuerte Schienen und Weichen: Über Jahrzehnte haben Stahlkonzerne die Bahn regelrecht ausgenommen.

(Foto: Martin Gerten/dpa)

Schnappi und Silberrücken: Unter Decknamen haben Beschäftigte von Thyssen-Krupp sich mit der Konkurrenz abgesprochen. Die überteuerten Preise für Schienen und Weichen gingen auf Kosten von Bahn, Bund und Steuerzahler.

Von Klaus Ott

Bei Thyssen-Krupp hatten manche Beschäftigte früher noch einen Zweitnamen. Einen Decknamen. Einer nannte sich "Feuerwerkskörper", ein anderer "Silberrücken". Ein "Schnappi", oder auch "Schnappschnauze" genannt, war ebenfalls darunter. Alles nicht sehr einfallsreich, und auch nicht sehr wirksam. Die heimlichen Preisabsprachen, an denen "Schnappi" und seine Kollegen beteiligt waren, flogen später auf. Und werden jetzt für den Industriekonzern aus dem Ruhrpott immer teurer und teurer.

Das Bundeskartellamt in Bonnhat jetzt erneut ein Bußgeld gegen Thyssen-Krupp verhängt. 88 Millionen Euro sind es dieses Mal, nach 103 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Alles wegen des Schienenkartells, das der Ruhrpott-Konzern jahrelang, wenn nicht gar jahrzehntelang mit vermeintlichen Konkurrenten aus dem In- und Ausland gebildet hatte. Stahlunternehmen hatten die Deutsche Bahn und städtische Verkehrsbetriebe von München bis Rostock, von Düsseldorf bis Berlin mit überteuerten Weichen und Gleisen regelrecht ausgenommen.

Das kann Thyssen-Krupp zusätzlich zu den insgesamt 191 Millionen Euro Bußgeld, die das Kartellamt verhängte, noch Hunderte Millionen an Schadensersatz kosten. Ausgerechnet jetzt, da der Konzern wegen des Desasters beim Bau von Stahlwerken in Übersee finanziell schwer angeschlagen ist und jeden Euro braucht. Es sind harte Zeiten in Essen.

Ein großer Teil der Rückstellungen ist nach dem aktuellen Bußgeld weg

Das neue Bußgeld ist für die Kartelldelikte von 2001 bis 2011 zu Lasten städtischer Verkehrsbetriebe, Privat-, Regional- und Industriebahnen und Baufirmen fällig. Die alte Strafe war wegen Betrugs am Staatsunternehmen Deutsche Bahn (DB) ergangen. Die DB klagt inzwischen auf Schadensersatz und will von mehreren Stahlunternehmen nach und nach inklusive Zinsen 850 Millionen Euro eintreiben. Den größten Teil von Thyssen-Krupp.

Die ebenfalls hintergangenen städtischen Verkehrsbetriebe haben sich längst zusammen getan, um gleichfalls Klagen vorzubereiten. Da können Forderungen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro zusammen kommen, gerichtet vor allem an den Konzern aus Essen. Der hat vorsorglich insgesamt 237 Millionen Euro für die neue Strafe und die irgendwann fälligen Schadensersatzzahlungen zurückgestellt, aber das dürfte kaum reichen. 88 Millionen Euro sind schon durch das aktuelle Bußgeld weg. Damit bleiben knapp 150 Millionen Euro, um die Forderungen von Bahn und Kommunen zu decken.

Außerdem ermittelt das Kartellamt längst wegen eines weiteren Verdachts. Thyssen-Krupp soll zusammen mit anderen Unternehmen auch bei der deutschen Autoindustrie überhöhte Stahlpreise abgerechnet haben. Es könnten "signifikante Risiken für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns nicht ausgeschlossen werden", räumen die Essener ein. Das hört sich gar nicht gut an.

Die überhöhten Abrechnungen gingen auch auf Kosten der Steuerzahler

Beim Schienenkartell hat Thyssen-Krupp nicht nur die Bahn und die Stadtbetriebe, sondern auch die Bundesregierung gegen sich. Der Bund fördert die Sanierung und Modernisierung der deutschen Schienennetze mit Milliardenbeträgen. Insofern sind die überhöhten Abrechnungen für Gleise und Weichen auch zu Lasten der Steuerzahler gegangen. Dieses Geld will die Regierung zurück haben und drängt deshalb die Essener, sich mit der Bahn endlich auf Schadensersatzzahlungen zu einigen. Einen Teil davon würde die Bahn dann an den Bund weiterreichen. Das Verkehrsministerium hat auch die städtischen Verkehrsbetriebe aufgefordert, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Hier könnten ebenfalls Mittel an den Bund zurückfließen.

Das meiste Geld käme aus Essen, wo die treibenden Kräfte des Kartells saßen. Das zeigt schon die Höhe der Bußgelder. 232 Millionen sind für das Schienenkartell insgesamt fällig, davon 191 Millionen von Thyssen-Krupp; und nur 41 Millionen Euro von allen anderen Stahlunternehmen, die mitgemauschelt haben. Darunter auch Voestalpine aus Österreich. Der Konzern hatte vor mehr als zwei Jahren das Kartell auffliegen lassen und dafür von der Bonner Wettbewerbsbehörde des Status eines Kronzeugen bekommen. Den Österreichern wurde das mit einem erheblichen Strafnachlass honoriert.

Heinrich Hiesinger, seit drei Jahren Vorstandschef in Essen, räumt die Altlasten des früheren Vorstands auf. "Wer nicht mitzieht, hat bei uns nichts zu suchen", sagt Hiesinger. Er will von "Schnappi" und dessen Kumpanen Schadenersatz, auch wenn das dem Konzern finanziell nicht viel bringen wird. Auch die Justiz will durchgreifen und die Hauptverdächtigen vor Gericht stellen. Die Staatsanwaltschaft Bochum, die seit langem ermittelt, plant offenbar noch in diesem Jahr erste Anklagen.

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