Illegale Absprachen:Bahn bekommt erstmals Schadenersatz von Schienenkartell

Bundestag stellt Weichen für Teilprivatisierung der Bahn

Die Deutsche Bahn erhält von einem österreichischem Stahlkonzern Schadenersatz in Höhe von 50 Millionen Euro

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Ein Schienenkartell prellte Bahn und Steuerzahler jahrelang um viel Geld. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" zahlt der österreichische Stahlkonzern Voestalpine nun 50 Millionen Euro Schadenersatz. Doch der nach Erkenntnissen des Bundeskartellamtes hauptverantwortliche Konzern Thyssen-Krupp weigert sich zu zahlen.

Von Klaus Ott

Es geht um rund 50 Millionen Euro. Nicht viel für einen Konzern mit fast 40 Milliarden Euro Jahresumsatz. Aber es ist immerhin die erste Rate in einem Schadensfall, der irgendwo zwischen einer halben und einer ganzen Milliarde Euro liegen könnte.

Um so viel Geld sollen die Deutsche Bahn (DB) und die Steuerzahler im vergangenen Jahrzehnt von einigen Stahl-Unternehmen betrogen worden sein, die ein Kartell gebildet haben. Ein Schienenkartell, das weit überhöhte Preise für Gleise und Weichen abrechnete, die an die Bahn geliefert und von der DB teilweise mit staatlichen Fördermitteln bezahlt wurden. Also mit dem Geld von Bund und Ländern.

Einigung ist "großer Erfolg"

Einer der Kartellsünder war der österreichische Stahlkonzern Voestalpine, und von dem bekommt die Bahn jetzt rund 50 Millionen Euro Schadenersatz. Das besagen Angaben aus Regierungskreisen in Berlin. Voestalpine bestätigte die Einigung mit der Bahn und fügte hinzu, über den Inhalt und die Details sei Vertraulichkeit vereinbart worden.

Die DB äußerte sich am Wochenende nicht dazu. In Regierungskreisen wird die Einigung zwischen der Bahn und Voestalpine als "großer Erfolg" bezeichnet. Dadurch steige der Druck auf die anderen Kartellsünder, nun ebenfalls die Schäden zu begleichen. Die Bahn hat Ende 2012 beim Landgericht Frankfurt Klage eingereicht und verlangt 550 Millionen Euro plus 300 Millionen Euro Zinsen. Davon fällt nun der Voestalpine-Anteil weg: 50 Millionen Euro plus anteilige Zinsen.

Österreicher kamen glimpflich davon

Hauptsünder war nach Erkenntnissen des Bundeskartellamtes der Industriekonzern Thyssen-Krupp, von dem die DB 400 Millionen Euro und mehr kassieren möchte. Bislang weigert sich der finanziell angeschlagene und von Affären belastete Konzern, zu zahlen. Gespräche über einen Vergleich haben bislang zu keinem Ergebnis geführt, und ein solches ist auch nicht in Sicht.

Thyssen-Krupp hat im vergangenen Jahr vom Kartellamt 103 Millionen Euro Bußgeld aufgebrummt bekommen. Voestalpine kam mit 8,5 Millionen Euro ziemlich glimpflich davon - aus zwei Gründen: Die Österreicher hatten deutlich weniger Schienen geliefert als Thyssen-Krupp. Außerdem hatten sie das Kartell selbst den Behörden gemeldet und anschließend als Kronzeuge reinen Tisch gemacht.

Klage gegen Thyssen-Krupp in Vorbereitung

Dafür soll Voestalpine nun auch von der Deutschen Bahn eine Art Bonus bekommen haben, mit Zustimmung der Bundesregierung in Berlin und der betroffenen Bundesländer. An die fließt nun ein Teil der rund 50 Millionen Euro, als Ausgleich für Fördermittel für das Schienennetz, von denen die Kartellsünder profitierten.

Bund und Länder sollen auch einen erheblichen Anteil an den noch ausstehenden Schadenersatz-Zahlungen erhalten. Das kann allerdings noch lange dauern, da Thyssen-Krupp erfahrungsgemäß auf Zeit spielt. Seit Jahren läuft in Berlin ein Prozess, weil der Industriekonzern aus Essen von den Wettbewerbsbehörden bereits früher bei einem Aufzugs- und Rolltreppen-Kartell erwischt worden war. Zahlreiche Städte und städtische Gesellschaften klagen auf Schadenersatz. Das Verfahren in Berlin kommt aber nicht recht voran, weil Thyssen-Krupp offenbar blockiert.

Es geht um mehrere Hundert Millionen

Inzwischen bereiten zahlreiche städtische Verkehrsbetriebe die nächste Klage gegen den Essener Konzern vor. Nach Erkenntnissen des Bundeskartellamts haben Thyssen-Krupp und andere Stahlunternehmen nicht nur die Bahn, sondern auch Verkehrsbetriebe von München bis Rostock beim Verkauf von Gleisen und Weichen ausgenommen. Mindestens drei Jahrzehnte soll das so gegangen sein, ein Teil der überteuerten Lieferungen ist noch nicht verjährt.

Dem Vernehmen nach fragt das Kartellamt derzeit bei den städtischen Verkehrsbetrieben ab, wie hoch deren Schaden sein könnte. Diverse Verträge zwischen den Verkehrsbetrieben und den Kartellsündern sollen eine Klausel enthalten, wonach 15 Prozent der Schienenpreise rückerstattet werden müssen, sollte es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein.

Die Kartellvergehen zu Lasten der Kommunen könnten die Thyssen-Krupp AG und deren Komplizen noch einmal mehrere hundert Millionen Euro kosten; zusätzlich zu den bei der Bahn irgendwann fälligen großen Schadenersatz-Zahlungen.

Ungewöhnliche Einigung

Die erste Einigung zwischen Bahn und Voestalpine ist ungewöhnlich. Denn Kartellsünder prozessieren in der Regel solche Forderungen aus und es dauert Jahre, bis die Geschädigten das zu viel gezahlte Geld zurückbekommen. Unter Juristen, die sich mit dieser Materie auskennen, gilt die jetzt erzielte Verständigung der Bahn mit Voestalpine als "Meilenstein". Das werde hoffentlich "die Schleusen öffnen" - sprich, ähnliche Verfahren beschleunigen.

Generell gilt es als schwierig, aus einer solchen Runde jemanden herauszubrechen, der auspackt und zahlt. Beim Schienenkartell hatte sich Voestalpine über den Erwerb eines deutschen Stahlbetriebs in das Kartell eingekauft. Als die Österreicher mitbekamen, was da lief, begannen sie mit internen Ermittlungen und informierten die Behörden.

Thyssen-Krupp, eine deutsche Voestalpine-Tochter und andere Firmen hatten ausgemauschelt, wer wen zu welchem Preis belieferte. Bei Thyssen-Krupp wurde darüber genau Buch geführt, damit keiner den anderen benachteiligte. Kartellbrüder können gerecht sein, wenn sie wollen. Untereinander.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: