Ikea:Warum die kippenden Ikea-Schränke in Deutschland nicht zurückgerufen werden

  • In Nordamerika ruft Ikea nach sechs Todesfällen etwa 36 Millionen Kommoden und Kleiderschränke zurück.
  • In Deutschland können Kunden die Möbelstücke nicht zurückgeben. Den "freiwilligen Sicherheitsstandard für freistehende Kleiderschränke" aus den USA gibt es in der EU nicht.

Von Vivien Timmler

Sie wanken, sie kippen und sie sind wohl für den Tod von sechs Kindern verantwortlich: Der Ikea-Konzern hat in den USA und Kanada etwa 36 Millionen Schränke und Kommoden zurückgerufen. Sie gehören unter anderem zur beliebten Produktreihe Malm.

Auch in deutschen Ikea-Märkten gibt es solche Kommoden zu kaufen. Anders als in Nordamerika gibt es hierzulande jedoch keinen Rückruf der Möbel. Sie werden ganz normal weiter verkauft. Der Grund: In Nordamerika gelten andere Bestimmungen für die Haftung von Unternehmen im Schadensfall. Es handelt sich dabei um einen sogenannten "freiwilligen Sicherheitsstandard" der Industrie, der explizit für freistehende Kleiderschränke gilt. In der EU - und somit auch in Deutschland - gibt es eine solche Bestimmung nicht. Die Kommoden erfüllten daher alle vorgeschriebenen Stabilitätsanforderungen, sagt eine Ikea-Sprecherin. Es gebe keinen Grund für einen Rückruf der Malm-Schränke.

"Ikea-Kommoden sind sicher, wenn sie nach Anleitung an der Wand befestigt werden", heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Das Problem für den Käufer ist hier das Wörtchen "wenn", denn explizit vorgeschrieben ist eine solche Befestigung nicht. "Möbel sollten an der Wand befestigt werden, um Unfälle durch umkippende Möbel zu verhindern", heißt es in der Mitteilung weiter. Das kann von Kunden als ledigliche Empfehlung verstanden werden.

Ikea Malm Rückruf

Mit ein paar Schrauben und Dübeln kann die Umkipp-Gefahr gebannt werden.

(Foto: Ikea)

Wandbefestigungen liegen Malm-Möbeln seit Jahren bei

Käme es in Deutschland zu einem Unglück mit umkippenden Ikea-Möbeln, hat der Kunde im Gegensatz zu Käufern in Nordamerika allerdings wenig Aussicht auf eine erfolgreiche Klage gegen das Unternehmen. Ein Geschädigter muss in Deutschland laut Produkthaftungsgesetz drei Dinge nachweisen: einen Produktfehler, einen Schaden und einen unmittelbaren Zusammenhang. Schon den erfolgreichen Nachweis eines Produktfehlers könnte für Kunden schwierig sein. Das wäre jedoch Voraussetzung für einen potenziellen Zusammenhang.

Allen Ikea-Möbeln, die an der Wand befestigt werden sollten, liegen nach Angaben des Herstellers seit Jahren Wandmontagesets bei, so auch den Malm-Kommoden mit drei, vier und sechs Schubladen. Auch eine schrittweise Erklärung ihres Gebrauchs findet sich in der Gebrauchsanleitung. Lediglich die Beschläge für die Wandbefestigung sind nicht beigelegt, da sie von der Beschaffenheit der Wand abhängig sind und individuell gekauft werden müssen.

Sechs Todesfälle seit 1989

Die US-Verbraucherschutzbehörde CPSC macht die nun in Nordamerika zurückgerufenen Möbelstücke für den Tod von sechs Kleinkindern verantwortlich. Sie verunglückten tödlich, als sie die Kommoden zu erklimmen versuchten. Der erste Todesfall ereignete sich bereits im Jahr 1989. Den letzten Todesfall gab es im Februar dieses Jahres. Zudem wurden der CPSC zufolge 36 weitere Kinder von umkippenden Schränken verletzt.

Aus anderen Ländern sind einer Ikea-Mitteilung zufolge keine tödlichen Unfälle gemeldet worden. Auch habe das Unternehmen keine Informationen über Zwischenfälle durch Umkippen bei ordnungsgemäß befestigten Kommoden. Dem Unternehmen zufolge wurden seit 1998 in den USA etwa 22,7 Millionen Kommoden und in Kanada etwa 6,6 Millionen Kommoden verkauft.

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