Ikea-Marketingchefin Willvonseder:Imagepflege für "Billy"

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Sie hat es als zweite Deutsche bei Ikea ganz nach oben geschafft: Claudia Willvonseder kümmert sich um die weltweite Markenpflege des Konzerns. Früher machte sie "Macho-Kampagnen für Macho-Bier". Jetzt bewirbt sie das "Billy"-Regal.

Von Daniela Strasser

Claudia Willvonseder übt jetzt erstmal Schwedisch. Ende vergangenen Jahres hat sie ihr Büro von Hessen, wo die deutsche Ikea-Verwaltung sitzt, nach Südschweden verlegt. Dort, genauer gesagt in Helsingborg, ist die Marketing-Zentrale des Einrichtungskonzerns angesiedelt. Ehemalige Zuckerfabrik, Blick aufs Meer.

Man könnte es malerisch nennen, wären da nicht die vielen Ikea-Möbel. So will es Ikea-Gründer Ingvar Kamprad: Das Mobiliar muss immer auf dem neuesten Stand des hauseigenen Katalogs sein. Viermal im Jahr richten Designer deshalb das Gebäude neu ein. Einen eigenen Schreibtisch besitzt Willvonseder allerdings auch nicht. Ikea glaubt an flexible Arbeitsplätze.

"Ikea", sagt Willvonseder, "ist eine Marke ohne Glamour". Das mag auch für sie selbst gelten. Die 48-Jährige hat es ohne viel Aufheben in die Führungsetage des Konzerns geschafft - und ist dort nun schon die zweite Deutsche neben Petra Hesser, der früheren Deutschlandchefin, die jetzt Personalvorstand des Konzerns ist. Für Willvonseder hat die Eigentümerfamilie einen Posten neu geschaffen: Als weltweite Markenverantwortliche soll sie sich um Marketingstrategien und Werbung kümmern.

Sie ist nun viel unterwegs, New York, Barcelona, Moskau. Im vergangenen Jahr, erzählt sie, sei sie 90 Tage beruflich auf Reisen gewesen. Das ist hart, wenn man Familie hat. Aber kaum zu ändern, wenn man die Verantwortung für alle 40 Ikea-Länder trägt - und demnächst noch ein paar mehr, denn der Konzern hat große Expansionspläne. 27,6 Milliarden Euro setzten die Schweden im vergangenen Jahr um, bis 2020 soll sich der Umsatz verdoppeln.

Wer Willvonseders Aufstieg verstehen will, muss ihre Geschichte kennen. Sie kommt vom Bodensee, hat in Berlin studiert, stieg in die Werbebranche ein. Fing als Texterin bei Springer & Jacoby an - damals ziemlich schick - und avancierte zur Kreationsverantwortlichen. Machte acht Jahre lang Werbekampagnen für TUI und Mercedes und, wie sie es nennt, "Macho-Kampagnen für Macho-Bier".

Andere sagen, sie sei ziemlich feierfest gewesen. Und sie hat Respekt genossen, weil sie als Chefin ganze Nächte - in Werbeagenturen ist das so eine Sache mit den Arbeitszeiten - Texte selbst geschrieben hat, wenn es ihre Mitarbeiter alleine nicht hinbekommen haben. "Ich bin ein integrativer Mensch, denke nicht von oben nach unten", sagt sie. Stärke heiße bei ihr Einfühlungsvermögen. Sie hätte lieber Psychologie studiert als Wirtschaftskommunikation.

Mit gerade mal 30 wechselte Willvonseder mit zwei Kollegen von Springer & Jacoby zur Werbeagentur Saatchi & Saatchi nach Frankfurt, wird dort Kreativchefin. Die bekannte britische Agentur baute damals erst ihr Deutschlandgeschäft auf. Willvonseder machte einen guten Job, gewann Audi und Beck's als neue Kunden. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder nahm sie sich zwei Jahre Auszeit - bei der Rückkehr erlebte sie eine Enttäuschung. Ihren Chef-Job machten andere, sie fühlte sich nicht willkommen. Nach wenigen Tagen warf sie hin. "Wenn Dinge nicht passen, sollte man sie lieber sein lassen", findet Willvonseder. Mit ihrem damaligen Geschäftspartner Hubertus von Lobenstein redet sie bis heute kein Wort.

Willvonseder machte als freiberufliche Beraterin weiter. Und hatte Glück. Benny Hermansson, damals Markenchef bei Ikea Deutschland, scharte mehrere Kreative als Berater um sich. Sie war eine davon. Zwei Jahre lang beriet sie Europas größte Einrichtungskette. Dann ging Hermansson, und die damalige Ikea-Deutschlandchefin bot ihr den Posten an. 2006 war das. Willvonseder kokettiert immer noch gern damit, dass es einem Zufall zu verdanken sei, dass sie bei Ikea gelandet ist.

Den Ikea-Werbespruch "Wohnst du noch oder lebst du schon" hat sie nicht erfunden. Aber sie wollte ihn neu interpretieren, und die schwedische Marke, die nicht nur gute Schlagzeilen macht, mit guter Werbung ein bisschen netter wirken lassen. Dazu musste sie näher an die Kunden rankommen, verstehen, wie die Deutschen wohnen. Für Besprechungen mietete sie deshalb manchmal Häuser von Privatleuten und bestellte ihre Mitarbeiter dorthin. Sie hat sich auch um das Kundenbindungsprogramm Ikea Family gekümmert und die Zahl der Mitglieder verdoppelt.

Willvonseders Lieblingswerbung ist die für das "Billy"-Regal. Die hat sie übrigens selbst erfunden. Fragt man sie, wo man in den deutschen Ikea-Filialen ihre Handschrift erkennen kann, schweift sie in den Marketingfachjargon ab und sagt Sätze wie: "Das Einrichtungshaus ist das wichtigste Medium im Ikea-Marketing. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass die Ausstellungsräume mehr Inspiration und Ausdruckskraft bekommen. Man soll die Liebe spüren." Übersetzt heißt das so viel wie, dass die Ausstellungsräume im Laufe der Jahre farbiger und heimeliger wurden. Über so etwas redet Willvonseder lieber als über private Dinge. Für Hobbys und private Projekte fehle ihr die Zeit, sagt sie. "Ich arbeite wohl zu viel."

Privat 70 Prozent Nicht-Ikea-Möbel

Willvonseder gilt als gute Strategin und als eine, die die Menschen begeistern kann. Bei Ikea hat sie ihre Sache offenbar gut gemacht. Sie heimste mehrfach Preise für die beste Werbung ein. Das kam gut an, die Konzernleitung übertrug ihr die Marken-Verantwortung für weitere Länder.

Und jetzt also Helsingborg. Es mag ungewöhnlich erscheinen, dass ein schwedisches Unternehmen eine Deutsche zur globalen Markenchefin macht. Auf den zweiten Blick ergibt es Sinn: Nirgendwo ist Ikea so erfolgreich wie in Deutschland. Statistisch gesehen besitzt jeder zehnte Deutsche mehr als zehn Ikea-Möbel. Wie sich Willvonseder in dem politischen Geflecht innerhalb des Familienkonzerns schlägt, wird auch davon abhängen, wann Gründer Ingvar Kamprad die Führung komplett an seine Söhne übergibt - und wie diese dann weitermachen.

In Willvonseders neuem Haus verhält sich das übrigens so: 70 Prozent Nicht-Ikea-Möbel, der Rest schon. Die Ex-Werberin ist mit ihrer Familie nicht nach Schweden, sondern ins nahegelegene dänische Kopenhagen gezogen, weil ihr Mann - ein Werbemusikkomponist - das Umfeld einer kreativen Stadt braucht. Die Kinder üben fleißig Dänisch. Willvonseder fährt jetzt jeden Tag mit der Fähre nach Schweden.

© SZ vom 26.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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