Ihre Frage:Warum sind Vermögen in Deutschland ungleich verteilt?

Bayreuther Festspiele - Die Garderobe der Gäste

Sichtbarer Reichtum: Bei den Festspielen in Bayreuth versammeln sich alljährlich nicht nur Wagner-Fans, sondern auch die Gutbetuchten des Landes.

(Foto: dpa)

Im reichen Deutschland sind viele arm. Andere dagegen können immer mehr Geld anhäufen. Wie kann das sein? Antwort der SZ-Redaktion auf eine Leserfrage.

Ihre Frage

Emmanuel H. will wissen:

Wie kann es sein, dass Deutschland die zweithöchste Position bei der Vermögensungleichheit innerhalb des Europaraums einnimmt?

Unsere Antwort

Von Bastian Brinkmann, Wirtschaftsredakteur SZ.de

Nach den jüngsten Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung liegt Deutschland in der Euro-Zone auf Platz eins, was die Vermögensungleichheit betrifft. Der technische Wert dafür ist der sogenannte Gini-Koeffizient, er liegt in Deutschland bei 0,78. Bei 0 besitzen alle Menschen gleich viel, bei 1 besitzt ein Einzelner alles und der Rest nichts. In den USA und wohl auch in Großbritannien ist der Unterschied zwischen Arm und Reich größer, auch wenn sich die zugrunde liegenden Zahlen nicht immer einfach vergleichen lassen. Die deutschen Forscher stützen sich auf eine Umfrage, in der Menschen angeben, wie viel Geld sie haben. Im Schnitt sind das pro Erwachsenem 83 000 Euro. Die tatsächliche Verteilung sieht natürlich anders aus: 27,6 Prozent der Deutschen haben gar kein Vermögen oder sogar Schulden.

In der Studie kommt es zu einer Reihe von statistischen Effekten. Zum einen werden Renten nicht berücksichtigt. Denn sie liegen nicht als sichere Ersparnisse auf der Bank, die Befragten können also ihr Rentenvermögen nicht einschätzen. Allerdings trägt die Rente für viele ältere Menschen doch erheblich zum Einkommen im Alter bei, sodass die Ungleichheitsstatistik hier etwas verzerrt wird. Zum anderen fallen in die ärmste Kategorie - die Verschuldeten ohne Vermögen - auch Fälle, die nicht der klassischen Definition von "arm" folgen. Denn dort findet sich auch eine Familie mit solidem Einkommen und eigenem Häuschen wieder, die aber noch ihren Immobilienkredit abzahlen muss. Andererseits werden Superreiche statistisch kaum erfasst. Es gibt nur wenige von ihnen, und die sind nicht auskunftsfreudig, wenn es um solche Vermögensumfragen geht. Unterm Strich gilt, was die Forscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung geschrieben haben: Die Vermögensungleichheit in Deutschland ist anhaltend hoch.

Ökonomen unterscheiden zwischen Einkommens- und Vermögensungleichheit. Die Einkommen liegen näher bei­ei­n­an­der. Menschen mit hohem Einkommen schaffen es jedoch häufiger, auch mehr Vermögen anzuhäufen. Sie sparen mehr, weil Grundkosten wie Nahrung und Unterkunft auch bei luxuriöser Ausstattung für sie relativ gesehen weniger vom Einkommen ausmachen. Die Rendite ihrer Investments steigen zudem schneller als die Löhne der Mittelschicht, hat der Ökonom Thomas Piketty vorgerechnet.

Dazu kommt: Die reichsten Deutschen sind hauptsächlich erfolgreiche Unternehmer. Das Statistische Bundesamt hat alle Einkommensteuererklärungen Deutschlands ausgewertet, zuletzt für das Jahr 2007. Damals gab es 16 846 Menschen, die Einkommen von mehr als einer Million Euro angegeben haben. Nur ein paar hundert von ihnen waren Manager, noch weniger Selbstständige. Nur vereinzelt verzeichnen die offiziellen Statistiker Vermögende, die mehr als eine Millionen Euro aus Kapitalerträgen nach Hause bringen. Dazu wäre bei einer netten Verzinsung von fünf Prozent ein Vermögen von mindestens 20 Millionen Euro nötig. Die mit Abstand größte Gruppe der Reichen sind Gewerbetreibende: Rund 13 000 Firmenbesitzer verdienten 2007 insgesamt mehr als 35 Milliarden Euro. Das sind je Unternehmer 2,7 Millionen Euro. Und sie können ihr Vermögen - ihre Firma - aktuell ohne große Abschläge oder gleich ganz steuerfrei vererben. Andere Länder haben weniger erfolgreiche Unternehmer oder ein anderes Steuersystem. In Deutschland können Firmenchefs ihre Kinder mit einem Millionenvermögen ausstatten. Das soll Arbeitsplätze sichern, fördert aber die Ungleichheit.

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