IG Metall:Kampf gegen die Tarifflucht

Die Industriegewerkschaft fordert ein Gesetz, um Schlupflöcher zu schließen. Damit wolle man die "Gerechtigkeitslücke" zwischen einem tarifgebundenen und einem nicht tarifgebundenen Betrieb schließen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Die Industriegewerkschaft IG Metall will im Wahljahr 2017 dafür kämpfen, dass sich wieder mehr Unternehmen an Tarifverträge halten. "Es gibt eine Schere, die in diesem Land zu weit auseinander geht. Und diese verläuft längs der Frage: tarifgebunden oder nicht?", sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. 20 Prozent weniger Lohn, drei Stunden mehr arbeiten, vier Tage weniger Urlaub - das sei der durchschnittliche Unterschied zwischen einer Fachkraft in einem tarifgebundenen und einem nicht tarifgebundenen Betrieb. Diese "Gerechtigkeitslücke", so Hofmann, wolle die IG Metall weiter schließen.

Im vergangenen Jahr wurden nach seinen Angaben in der Metall- und Elektroindustrie bereits 145 Betriebe mit 36 000 Beschäftigten erstmals unter den Schutz eines Tarifvertrags gestellt. Die Gewerkschaft fordert aber auch Hilfe von der Bundesregierung: Wer einen Betriebsanteil abspaltet, verkauft oder ausgründet, müsse per Gesetz dazu verpflichtet werden, die Tarifbindung auf die neue Einheit zu übertragen. "Verkauf, Betriebsaufspaltung und die Auslagerung von Wertschöpfung dürfen kein Schlupfloch sein, der Tarifbindung zu entfliehen", sagte Hofmann.

"Lange genug haben die Arbeitgeber Flexibilität als ihr Privileg verstanden."

Zugleich kündigte der IG-Metall-Chef an, in der nächsten Tarifrunde 2018 über die Arbeitszeit sprechen zu wollen - aber nur, "wenn die konjunkturelle Lage es erlaubt". Arbeitnehmer sollten in begründeten Fällen, etwa wegen der Betreuung ihrer Kinder, der Pflege von Angehörigen oder einer Weiterbildung, weniger arbeiten können und dennoch ihren Lohn weiterbekommen. "Lange genug haben die Arbeitgeber Flexibilität als ihr Privileg verstanden. Jetzt sind die Beschäftigten dran", sagte er.

Der Vorschlag von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die Rückkehr auf einen Vollzeitjob von einer zuvor befristeten Teilzeitstelle zu erleichtern, geht der Gewerkschaft nicht weit genug. Einen Anspruch darauf soll es nur in Betrieben mit mindestens 15 Mitarbeitern geben. Diese Grenze müsste niedriger sein, sonst könnten 6,7 Millionen Beschäftigte von dem Gesetz nicht profitieren, rechnet die IG Metall vor. Trotz des Jobbooms in Deutschland hat sich die Zahl der Mitglieder in der weltweit größten Einzelgewerkschaft 2016 um nur 290 auf 2,274 Millionen erhöht. Die Beitragseinnahmen stiegen um 2,7 Prozent auf 548 Millionen Euro. 15 Prozent davon werden zurückgelegt, in diesem Jahr also 82 Millionen Euro. Über wie viel Geld die IG Metall in ihrer Streikkasse verfügt, hat sie noch nie verraten.

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