IG-Metall-Bezirkschef Hofmann:"Kein Grund zur Zurückhaltung"

IG-Metall-Verhandlungsführer Jörg Hofmann über acht Prozent mehr Lohn, Mahagoni für die Chefbüros und Warnstreiks.

Detlef Esslinger

In der Metall- und Elektroindustrie sieht es nach Streiks aus. Am Donnerstag treffen sich die baden-württembergischen Arbeitgeber und Gewerkschafter in Fellbach zur dritten Verhandlungsrunde. Zwar wird allgemein damit gerechnet, dass die Arbeitgeber dann ein Angebot vorlegen werden - nicht aber damit, dass es bis Freitag eine Einigung geben wird. Jörg Hofmann, 52, ist als Bezirksleiter der IG Metall der Verhandlungsführer der Gewerkschaft.

IG-Metall-Bezirkschef Hofmann: IG-Metall-Verhandlungsführer Jörg Hofmann verteidigt die Forderung von acht Prozent mehr Lohn.

IG-Metall-Verhandlungsführer Jörg Hofmann verteidigt die Forderung von acht Prozent mehr Lohn.

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SZ: Ihre Forderung nach acht Prozent mehr Geld klingt allmählich skurril. Warum kommen Sie nicht herunter davon?

Jörg Hofmann: Die ist in keiner Weise skurril. Das Jahr 2008 wird für die Unternehmen sehr gut laufen, der derzeitige Tarifvertrag gilt aber nur bis Ende Oktober. Wir brauchen also noch einen Ausgleich für November und Dezember, neben der Erhöhung, die uns für 2009 zusteht.

SZ: Die Beschäftigten müssen aus den Einnahmen von 2009 bezahlt werden.

Hofmann: Wir werden auch im nächsten Jahr in der Metall- und Elektroindustrie ein Wachstum haben, zwar ein abgeschwächtes, aber ein Wachstum. In jedem Fall wird sich die Produktivität weiter erhöhen.

SZ: Ein Wachstum in welcher Höhe?

Hofmann: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche hat sich in den vergangenen Wochen verbessert: durch die gesunkenen Öl- und Stahlpreise, durch den gestiegenen Dollarkurs. Nur wenn es sehr schlecht läuft, wird ihr Wachstum 2009 Richtung null gehen. Wenn es gut läuft, insbesondere im zweiten Halbjahr, können wir uns ein Wachstum von bis zu drei Prozent vorstellen.

SZ: Diese Annahme haben Sie exklusiv.

Hofmann: Nein. Die ergibt sich aus dem Gemeinschaftsgutachten der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Wir sind uns einig, dass es derzeit hohe Unwägbarkeiten gibt. Beim Export genauso wie bei der Binnennachfrage. Und in dieser Lage wird es auch darauf ankommen, wie sich die Einkommen der Arbeitnehmer real entwickeln.

SZ: Vorige Woche haben Sie eine Umfrage unter Betriebsräten gemacht. Die Hälfte der Befragten bewertet die Lage für 2009 mit "schlecht" und "mittel".

Hofmann: Ist so. Wir haben Auftragsrückgänge im Fahrzeug- und Maschinenbau. Das hängt im Maschinenbau vor allem damit zusammen, dass es den Kunden schwerer fällt, Kredite zu erhalten.

SZ: Und in solch einer Situation wollen Sie ernsthaft eine Rekordforderung durchsetzen?

Hofmann: Ach, wissen Sie, der Rekordforderung sind zunächst mal Rekordgewinne vorausgegangen. 4,2 Prozent - so hoch war die durchschnittliche Umsatzrendite noch nie. Die Branche kann dies schultern, deshalb sollte sie auch entsprechend gefordert werden. Noch einmal: Wie sich die Konjunktur entwickelt, wird stark davon abhängen, welches Einkommen die Arbeitnehmer zur Verfügung haben. Insofern sind Lohnerhöhungen das beste Konjunkturprogramm.

SZ: Ihre Branche lebt vor allem von Geschäftskunden, nicht von Endverbrauchern. Kein Arbeiter, dem Sie ein sattes Plus bescheren, kauft daraufhin eine Rotationsmaschine.

Hofmann: Das zwar nicht, aber es gilt immer noch der schöne Satz von Kurt Tucholsky: Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten.

SZ: Wie bewerten Sie, dass Daimler über Weihnachten fünf Wochen lang die Produktion schließt?

Hofmann: Zunächst sind es vier Wochen, und somit zwei Wochen mehr als die geplanten Betriebsferien. Und dies nur in einem Werk, in Sindelfingen. Dort werden die S- und E-Klasse montiert. Die Käufer fragen aber mehr und mehr kleinere Autos nach, was für Daimler eine Verlagerung der Nachfrage auf die A-, B- und C-Klasse bedeutet.

SZ: Wird es von Samstag an Warnstreiks geben?

Hofmann: Ich sehe unsere Verantwortung. Diesen Kontext mit der Finanzkrise hat sich ja keiner gewünscht. Wir wollen am Donnerstag ernsthaft verhandeln. Mir wäre es lieber gewesen, die Arbeitgeber hätten schon vergangene Woche ein Angebot gemacht. Dann hätte die Chance bestanden, am Donnerstag zu einem Ergebnis zu kommen.

SZ: Also Warnstreiks.

Hofmann: Die Wahrscheinlichkeit ist größer als die, dass es nicht dazu kommt.

SZ: Haben Sie nicht einfach Pech, dass Sie mit Ihrer Tarifrunde ausgerechnet jetzt an der Reihe sind?

Hofmann: Das ist doch nicht die Frage. Richtig ist, dass diese Krise durch weltweit vagabundierendes Kapital ausgelöst wurde. Also muss man vielleicht mal die Frage stellen: Würde es nicht zu mehr nachhaltigem Wirtschaften führen, wenn die Verteilung von Arbeitnehmer-Einkommen und Gewinn neu ausbalanciert würde?

SZ: In Ihrer Branche ist der Gewinn weniger in Mahagoni fürs Chefbüro geflossen als in den Aufbau von Eigenkapital.

Hofmann: Na ja. Teilweise. Aber viel zu wenig von dem, was erwirtschaftet wurde, ist in Investitionen oder in mehr Stammbeschäftigung geflossen.

SZ: Die Arbeitnehmer haben nichts zur Finanzkrise beigetragen. Aber haben Sie nicht trotzdem die Verantwortung, nicht zur Verschärfung beizutragen?

Hofmann: Wir wollen entschärfen, indem wir verhindern, dass zu geringe Löhne das Wachstum bremsen. Verschärfen würden wir, wenn die deutsche Metall- und Elektroindustrie durch Veränderung ihrer Kostenstrukturen die Wettbewerbsfähigkeit verlöre. Sie hat sich aber im globalen Maßstab so viele Vorteile erarbeitet, dass wir keinen Grund zur Zurückhaltung haben.

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