IAA:Rückkehr des Wackeldackels

Volkswagen AG Media Night Ahead Of The IAA Frankfurt Automobile Show

Noch schnell mit dem rosa Wuschel abstauben, dann geht’s ab in die Zukunft: VW zeigt auf der IAA ein Modell eines selbstfahrendes Taxis.

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Elektrische Öko-Kugeln, 1000-PS-Sport-Boliden und viele große Pläne: Die Autobauer wollen zwar in die Zukunft aufbrechen, doch ihre Vergangenheit möchten sie auch noch nicht so ganz abhaken.

Von Thomas Fromm und Max Hägler, Frankfurt

Was macht nur dieser irre grinsende Buddha mit Schlumpfmütze in diesem blassgelben VW-Bus? Und warum schaukelt er so stupide auf dem Armaturenbrett hin und her? "Das ist ein Wackeldackel", sagt Karlheinz Blessing, "aber neu interpretiert." Wenn der Personalvorstand des Volkswagen-Konzerns Zeit hat für solche Details, dann können die Zeiten wohl doch so schlecht nicht sein - Dieselaffäre hin oder her.

Dass der gelbe VW-Bus zwar mit einem Buddha-Wackel-Schlumpf ausgerüstet ist, aber ohne Türgriffe daherkommt, ist wahrscheinlich symptomatisch für diese Messe: In vier Jahren soll der Elektro-Bus in Serie gehen - und da alle jetzt schon zeigen wollen, was sie in einigen Jahren auf die Straßen bringen, kommen dabei auch schon mal Autos ohne Türgriffe heraus. So viel Zeit hat man auch wieder nicht.

Die ersten Stunden der Frankfurter IAA, sie waren erst einmal vor allem: ein großer Marathon der Ankündigungen. Allein Volkswagen erhöht die Investitionen in E-Autos auf 20 Milliarden Euro und plant bis zum Jahr 2025 mehr als 80 neue Autos mit Elektromotor. Bis 2030, so VW-Chef Matthias Müller, soll es für jedes der an die 300 Modelle des Hauses mindestens eine elektrifizierte Variante geben. BMW plant, den kalifornischen US-Elektroautobauer Tesla mit einem elektrischen Coupé mit 600 Kilometern Reichweite in Schach zu halten, und Daimler macht aus seinem Smart ein rein elektrisches Vehikel.

Aber jeder weiß auch, dass nach den Ankündigungen der Alltag kommen wird - und der kostet Geld.

"Wir müssen doppelt investieren", sagt Blessing, "in Elektroantriebe und herkömmliche Antriebe, und dazu soll auch die Marge stimmen." Das genau wird das Problem sein, für alle: Bei all den Milliardeninvestitionen wollen die Konzerne immer noch Gewinne machen - zu verschenken gibt es hier nichts. Daimler will deshalb an die vier Milliarden Euro einsparen. "Wir haben keine Pläne, deshalb Arbeitsplätze in Frage zu stellen", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Auch Daimler feiert den Vorabend der IAA, im Saal stehen die Arbeitnehmervertreter Roman Zitzelsberger und Michael Brecht. Sie sind entspannt, weil sie wissen, dass in einem Konzern wie Daimler die Dinge nicht ohne sie, sondern nur mit ihnen gemacht werden können. "Wir müssen über alles reden", sagen sie. "Fair im Umgang, hart in der Sache."

Statt Neuinterpretationen von Wackeldackeln hat der Daimler-Chef zwei sehr unterschiedliche Fahrzeuge auf die Bühne rollen lassen. Das eine ist ein kleiner Smart, der Vision EQ Fortwo heißt, rundlich ist und als autonomes Taxi durch blühende Landschaften fährt. Die Türen könnten künftig dazu genutzt werden, um sich Ergebnisse von Fußballspielen oder den Wetterbericht anzeigen zu lassen, sagt Zetsche. Das Auto präsentieren junge Menschen, die vom Dialog gleich übergehen in die Gesangseinlage. Ein bisschen wie bei Woody Allens "All say I love you": Großstadt romantisch, aber dennoch modern.

Das zweite Auto hat 1000 PS, grölt und röhrt und soll an die drei Millionen Euro kosten. Nicht singende Hipster, sondern der Formel-1-Pilot Lewis Hamilton präsentierte das Geschoss auf der Bühne.

Sollte man den Stuttgarter Autokonzern heute verorten, müsste man ihn also irgendwo zwischen emissionsfreier Öko-Knutschkugel und röhrendem V6-Hypercar ansiedeln. Zwei Pole, zwischen die so ziemlich alles passt.

Ein Arbeitsauftrag: VW will von 2025 an Weltmarktführer bei E-Antrieben sein

Ein bisschen mehr Glamour bei Daimler, ein bisschen weniger bei VW - insgesamt sind diese Frankfurter Parties ruhiger geworden seit Ausbruch der Dieselaffäre vor zwei Jahren. Vielleicht aber hat man einfach auch zu viel um die Ohren, um nächtelang durchzufeiern. "Die Zeiten, in denen sich unsere Branche hier in Frankfurt selbst gefeiert, sich im eigenen Glanz gesonnt hat, sind vorbei", sagt VW-Konzernchef Müller. "Business as usual" reiche nicht mehr. Verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, das werde nur gelingen, "wenn wir berechtigte Kritik annehmen. Wenn wir - ganz konkret - bei Emissionen und Verbrauchswerten mehr Transparenz und Ehrlichkeit praktizieren." Das könnte eine Botschaft an die Party-Könige von einst gewesen sein. Als unter einem VW-Chef Martin Winterkorn noch die ganz großen Feten mit viel Rotwein und dicken Zigarren nach Frankfurt geholt wurden.

Alle, auch und gerade VW, haben heute andere Probleme. Damit die E-Autos, die sie ankündigen, auch fahren, werde man mit Partnern (was übersetzt heißt: auf keinen Fall allein) in den kommenden Jahren vier Batteriefabriken bauen. Es ist ein teures Unterfangen, auch was später die Produktion anbelangt: 50 Milliarden Euro werden all die benötigten Batterien bis zum Ende des kommenden Jahrzehnts wohl kosten. Ein Zwischenziel hat sich VW gesetzt: Von 2025 an will man Weltmarktführer bei E-Antrieben sein. Mehr Arbeitsauftrag als ein Grund, sich selbst zu feiern. Denn geplant wird jetzt, geliefert später. Aber klar ist heute schon: Wenn alle deutschen Hersteller ihre Pläne einhalten und in einigen Jahren ihre Elektroautos auf den Markt bringen, dann wird es sehr schnell sehr viele davon geben - vielleicht sogar zu viele.

Irgendwo steht bei der VW-Party in Halle 3 auch Rupert Stadler, der Chef der ertragreichen Konzerntochter Audi, und bekommt Redezeit. Stadler ist deshalb eine so interessante Figur, weil er hier für die Vergangenheit steht, aber auch schon die Zukunft entwirft. Stadler also, der Mann, der über Monate hinweg angeschlagen war, weil Audi, wie sich herausstellte, eine Art Mutter des Diesel-Betrugs war, gilt vielen als der Mann mit den vielen Leben. Andere hätten eingepackt oder wären zum Rücktritt gedrängt worden. Stadler indes hat bisher alles durchgestanden.

Dass er heute vor dem Publikum sprechen darf, zeigt: Er wird fürs Erste bei Audi bleiben. Diesel? Kein Thema. Beifall für ihn und das Konzeptauto, das er vorstellt. Aicon heißt es, und es soll zeigen, wie ein Audi-Roboterwagen aussehen könnte, der - passend zum heutigen Abend - elektrisch fahren wird. Als danach Journalisten aus Japan am Auto stehen und fragen, wann das Auto denn auf der Straße zu sehen sein wird, sagt Stadler grinsend: "We will see." Es ist wie bei vielen Autos, die man in diesen Tagen zu sehen bekommt: Sie sollen kommen, aber wann genau, wird man noch sehen.

Für Stadler ist der Auftritt noch aus einem anderen Grund wichtig. Er steht vorne, sichtbar auch für die Belegschaft. "Du brauchst was, damit die Leute sehen, dass es weitergeht", sagt er. Er könnte damit neue Autos meinen. Oder auch sich selbst.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: