Hypo-Vereinsbank und Atomprojekte:Halbwertszeit von Versprechen

Damit wolle man nichts mehr zu tun haben: Nach der Katastrophe von Fukushima-1 im März 2011 hat sich die Hypo-Vereinsbank von der Atomkraft distanziert. Nun aber treiben die Geld-Manager neue Atomprojekte voran. Die Öffentlichkeit soll nichts davon erfahren - Mitarbeiter warnen vor einem Image-GAU.

Markus Balser

Für die Hypo-Vereinsbank (HVB), so schien es, hatte sich mit der Atomkatastrophe von Fukushima Grundsätzliches verändert. Die Kunden forderten mehr Engagement der Banken. "Wir vergeben keine Kredite mehr an Unternehmen, die sich dem Umweltthema nicht stellen", sagte HVB-Vorstand Lutz Diederichs vor einem Jahr bei einer SZ-Veranstaltung in Frankfurt. Und Atomkraftwerke werde die Bank aus dem gleichen Grund nicht mehr finanzieren. Der nachhaltige Image-Schaden wäre größer als der Gewinn in Euro, sagte Diederichs. Er gab damit unumwunden zu, warum die Bank - im Gleichtakt mit der Bundesregierung - aussteigt.

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Begegnung der unheimlichen Art: Journalisten am Unglücks-AKW Fukushima-1 im Februar 2012.

(Foto: dpa)

Die Botschaft war klar: Wer dieser Bank sein Geld gibt, der steckt es in nachhaltige Geschäfte. Das Versprechen saß, die Botschaft kam an. Die Hypo-Vereinsbank landete Ende 2011 beim Öko-Ranking internationaler Geschäftsbanken von Oekom Research unter 73 Instituten auf Platz eins - auch wegen strenger Kriterien bei der Kreditvergabe. Ein Preis fürs grüne Image. Die HVB-Mutter Unicredit in Mailand hatte sich schon 2007 strikte Richtlinien für Atomgeschäfte verordnet, nachdem sie wegen der zeitweise geplanten Finanzierung des bulgarischen Kernkraftwerks Belene mitten in einem Erdbebengebiet harte Kritik einstecken musste. Auf neun Seiten macht ein kleines Regelwerk detailliert klar, dass Investments in kritische Projekte, etwa die Finanzierung von Entwicklung und Bau problematischer neuer Atomkraftwerke, ausgeschlossen sind.

Nur ein Jahr nach der Katastrophe von Fukushima zeigt sich jetzt, wie kurz die Halbwertszeit von Versprechen sein können, wenn es ums Geschäft einer angeschlagenen Branche geht. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gibt es derzeit intern gleich mehrere Projekte zur Beteiligung der Bank an neuen Atomvorhaben. Es geht um Pläne und Anfragen für viele hundert Millionen Euro etwa in Form von Garantien oder Krediten.

Selbst für hochumstrittene Projekte gibt es plötzlich grundsätzlich grünes Licht aus der Chefetage. Beispiel: Der Ausbau des Pannenmeilers Temelin in Tschechien. Für acht Milliarden Euro soll die Anlage bis 2025 um zwei Reaktoren erweitert werden. Umweltschützer beiderseits der Grenze laufen wegen Sicherheitsbedenken Sturm. Auch die bayerische Landesregierung meldete Bedenken an. Die HVB dagegen will gerne bei der Realisierung helfen. Für den französischen Atomkonzern Areva, der sich um die Durchführung der Neubauten bewirbt, ist sie internen Dokumenten zufolge im Bieterverfahren zu Garantien von bis zu 500 Millionen Euro bereit.

Das ist nicht das einzige Projekt. Im Gespräch soll auch ein Exportkredit für den Neubau des umstrittenen Atomkraftwerks in Kaliningrad sein. Konkret geht es den Angaben zufolge um Turbinen des Herstellers Alstom. Ein ebenfalls brisantes Projekt - denn die Bauherren in Russland an der Grenze zu Litauen hoffen, Atomstrom nach Deutschland liefern zu können. Interesse soll es auch an einem Kredit für den Ausbau der französischen Urananreicherungsanlage Georges Besse II geben, die ebenfalls von Areva betrieben wird. Möglich sei zudem eine Kreditlinie für eine grundsätzliche Kooperation zwischen Alstom und Rosatom bei AKW-Projekten, heißt es weiter.

Vertrauliche Dokumente zeigen, dass manches Atomgeschäft selbst Managern aus der HVB-Chefetage nicht ganz geheuer ist - in der Öffentlichkeit will man damit lieber nicht erscheinen. Das Plazet für das Projekt Temelin hat offenbar HVB-Vorstand Diederichs gegeben. Er genehmige die Angelegenheit, heißt es in einer internen Mail vom März 2012 - fast genau ein Jahr nach der Katastrophe von Fukushima. Allerdings unter zwei Bedingungen: Man wolle nicht als führende Bank auftauchen; gegen eine geräuschlose Beteiligung aber habe man nichts. Unter den Bedingungen stimme auch er zu, pflichtet der zuständige Risikovorstand Andrea Varese wenige Tage später bei.

Umweltschützer üben harte Kritik

Die HVB teilte auf Anfrage zu den Projekten mit, die Bank gebe grundsätzlich wegen des Bankgeheimnisses zu einzelnen Kunden und/oder Projekten keine Auskunft. Eine direkte Finanzierung von Atomkraftwerken finde nicht statt, erklärt eine Sprecherin. "Im Zuge des Transformationsprozesses finanzieren wir beispielsweise - bis zum vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie - erforderliche Maßnahmen, wie Ersatzteile, Sicherheitssysteme und Entsorgungseinrichtungen, die notwendig sind, um den Transformationsprozess sicherzustellen."

Wie sich das mit Hilfen beim Neubau von Atomreaktoren wie im Fall Temelin verträgt, bleibt offen. Risiken für den Ruf? "Die HVB geht nicht davon aus, einen nachhaltigen Image-Schaden in Zusammenhang mit Projektfinanzierungen im Energiebereich zu erleiden, da wir uns bei entsprechenden Finanzierungen konsistent verhalten." So die offizielle Erklärung.

Interne Papiere sprechen da eine andere Sprache - eine sehr deutliche: Man habe die Details der Transaktion geprüft und sehe ein klares Risiko für den Ruf von HVB und Unicredit, heißt es in einem Dokument von Ende August, das der SZ vorliegt. Denn mit Deutschland, Österreich und Italien seien gleich drei Länder - allesamt Kernmärkte der Bank - gegen die Atomkraft. Mögliche Anti-Atom-Kampagnen könnten da leicht große Unterstützung bekommen.

Für die Öffentlichkeit scheine die Bank zu einer der führenden Atombanken in Europa zu werden, heißt es in einem weiteren Papier. Das berge natürlich Reputationsrisiken. Auch die geplanten Projekte kommen nicht gut weg: "In Temelin habe es mehrere gefährliche Störungen" gegeben, heißt es in einem Risiko-Vermerk. "Temelin gilt als sehr umstritten."

Mitarbeiter sind auch deshalb erstaunt über einen internen "Kulturwandel", den einzelne Manager vorantrieben. Es gebe im Investmentbanking offenbar kein kritisches Bewusstsein mehr, heißt es aus der Bank. Der zuständige Vorstand der HVB-Mutter Unicredit, Jean Pierre Mustier, wolle offenbar seine französischen Kontakte nutzen, um neue Geschäfte im Atomsektor für das Institut zu erschließen.

Die Pariser Tochter der Unicredit macht im Juli im Atomgeschäft einen pikanten Vorstoß. Unter der Aufschrift "Nur für den internen Gebrauch", schlagen französische Manager der Gruppe "Verbesserungen" der Banken-Nuklear-Politik vor. Grund: Strenge Vorgaben limitierten das Geschäft. Auf SZ-Anfrage wollte sich die Bankzentrale in Mailand nicht zu den Angaben äußern. Man folge strengen Sozial- und Umweltprinzipien auf Basis der Weltbank-Regeln, sagte ein Sprecher.

Die HVB schlägt mit ihrem Interesse am Ausbau der Atomgeschäfte nicht nur wegen möglicher Image-Schäden einen gefährlichen Kurs ein. Atomgeschäfte bergen für die Bank noch ganz andere Risiken. Kaum ein neues internationales Atomprojekt hielt zuletzt die geplanten Zeit- und Kostenrahmen ein. Viele Firmen und auch Banken leiden unter ausufernden Kosten.

Umweltschützer üben bereits harte Kritik am Kurs der HVB. "Es wird die Hypo-Vereinsbank teuer zu stehen kommen, wenn sie an ihrem neuen Atomkurs festhält", warnt Heffa Schücking, Geschäftsführerin der Umweltorganisation Urgewald. Nicht nur die Umweltverbände, sondern auch die Mehrheit der Bevölkerung in ihrem Heimatmarkt lehne die Atomkraft ab. Sie wolle nicht, dass mit ihrem Geld neue Risikoreaktoren finanziert werden. "Die Zeiten, in der sich die HVB rühmen konnte, Nachhaltigkeitsführer ihrer Branche zu sein, sind endgültig vorbei", empört sich Schücking. Seit ihrem Eintritt in die Unicredit-Gruppe gelte offenbar die Devise: Geschäft um jeden Preis, und wenn dieser die nukleare Sicherheit sei.

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