Hypo Real Estate und die Finanzkrise:Gelesen und gelocht

Die Prüfberichte einfach zu den Akten gelegt: Das Finanzministerium wusste seit März Bescheid über die möglichen Probleme der Hypo Real Estate - informierte aber Finanzminister Steinbrück nicht.

C. Hulverscheidt

Das Bundesfinanzministerium hat deutlich früher von möglichen Problemen beim angeschlagenen Münchner Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) und dessen irischer Tochter Depfa gewusst als bisher bekannt. Das geht aus einem Bericht des Ministeriums hervor, den der Finanzausschuss des Bundestags angefordert hatte und der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Opposition sprach von "Chaos" in der Bundesregierung, das Finanzministerium wies alle Vorwürfe zurück.

Hypo Real Estate und die Finanzkrise: Über die Tochter Depfa in Schieflage geraten: die  Hypo Real Estate.

Über die Tochter Depfa in Schieflage geraten: die Hypo Real Estate.

(Foto: Foto: AP)

Laut Bericht wurde das Haus von Minister Peer Steinbrück (SPD) am 6. März dieses Jahres darüber informiert, dass die Bundesbank die HRE just zu diesem Zeitpunkt einer Sonderprüfung unterzog und auch ein Expertenteam nach Irland entsandt hatte. Weitere Unterrichtungen folgten Mitte März, Anfang April und Mitte Juni, einzelne Ergebnisse der Prüfung gingen am 18. August im Ministerium ein. Steinbrück selbst hatte noch Anfang Oktober behauptet, die deutsche Finanzaufsicht dürfe die Geschäfte einer in Irland ansässigen Bank gar nicht überprüfen. Kurz zuvor hatten der Bund und eine Gruppe von Banken die mittlerweile schwer angeschlagene HRE mit einem Hilfspaket im Umfang von 50 Milliarden Euro vor der Pleite retten müssen.

Die Bücher der Depfa wurden dem Bericht zufolge von "sechs erfahrenen Prüfern" der Bundesbank durchgesehen, die sich vom 27. Februar bis zum 12. März, also ganze zwei Wochen, in Dublin aufhielten. Grundlage dafür war eine Übereinkunft zwischen der deutschen Finanzaufsicht und der irischen Zentralbank aus dem Jahr 1993. Demnach durfte das Bundesbank-Team begutachten, ob das Risikomanagement der Depfa mit Blick auf sogenannte strukturierte Produkte in Ordnung war. Der Handel mit solchen Produkten hatte andere Banken in große Schwierigkeiten gebracht und maßgeblich zur globalen Finanzkrise beigetragen. Nicht geprüft werden durfte dagegen die Liquiditätsausstattung der Depfa, die den gesamten HRE-Konzern später in Schieflage brachte.

Dem Bericht zufolge war jedoch schon vor der Sonderprüfung bekannt, dass die auf eine stetige Liquiditätsversorgung angewiesene Depfa "eine höhere Anfälligkeit für exogene Veränderungen" aufwies. Eine solche exogene Veränderung war die Pleite des US-Investmenthauses Lehman Brothers am 15. September, die die Kreditvergabe der international tätigen Banken untereinander zum Erliegen brachte und damit das Geschäftsmodell der Depfa zerstörte.

Dem Ministeriumsbericht zufolge gingen die Mitteilungen über die Prüfungen bei HRE und Depfa im Hause Steinbrück ein, wurden vom zuständigen Referat aber nicht an den damaligen Abteilungsleiter und heutigen Staatssekretär Jörg Asmussen weitergeleitet. Auch der Minister wurde nicht informiert. Den eigentlichen Prüfbericht der Bundesbank forderte das Ministerium erst nach der Sondersitzung des Haushalts- und des Finanzausschusses des Bundestags am 15. Oktober an, bei der Vertreter der Opposition Mängel und Widersprüche im HREKrisenmanagement beklagt hatten.

"Chronologie des Aufsichtsversagens"

Der FDP-Finanzexperte Volker Wissing bezeichnete den jetzigen Bericht des Ministeriums als "Chronologie des Aufsichtsversagens". Obwohl Milliardenrisiken für die Steuerzahler bestanden hätten, seien wichtige Informationen nicht an Steinbrück und Asmussen weitergeleitet worden, weil es in der zuständigen Abteilung des Hauses offenbar "drunter und drüber" gehe. "Es ist unglaublich, dass ein Referatsleiter solche Berichte einfach abheftet", sagte Wissing der Süddeutschen Zeitung. Steinbrück, Asmussen und der Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Jochen Sanio, seien mit der Situation ganz offensichtlich überfordert gewesen.

Das Finanzministerium wies die Kritik vehement zurück. Die Opposition unterstelle, dass Steinbrück und sein Stab sich bei einem anderen Verhalten auf die Lage nach der Lehman-Pleite hätten vorbereiten und eine Zuspitzung hätten verhindern können. "Diese Einschätzung zeigt ein massives Missverständnis der konkreten Situation", sagte ein Sprecher des Ministers auf Anfrage. Im Fall HRE habe es "gerade keine Hinweise" gegeben, "die präventives Handeln notwendig hätten erscheinen lassen können". Deshalb sei es aus damaliger Sicht auch richtig gewesen, dass die zuständigen Beamten die Prüfergebnisse von Bundesbank und Bafin nicht an die Leitung des Hauses weitergegeben hätten. Es gebe somit keine Veranlassung, die Aufsichtsstrukturen im Lande oder den Berichtsfluss im Ministerium zu verändern. Auch habe sich niemand, weder Steinbrück noch Asmussen, Sanio oder ein Fachbeamter, etwas zuschulden kommen lassen. Lediglich Steinbrücks Aussage zu den Prüfmöglichkeiten der deutschen Aufsicht im Ausland sei falsch gewesen, weil der Minister "von seinen Mitarbeitern nicht korrekt informiert wurde".

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