Hubschrauber:Abgehoben

A U.S. Army Black Hawk helicopter lands for medevac in Arghandab valley near Kandahar

Einsatz in Afghanistan: Sikorsky baut die Militärhubschauber Blackhawk (Bild) und Seahawk, aber auch die Marine 1, den Helikopter des US-Präsidenten.

(Foto: Yannis Behrakis/Reuters)

Der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin übernimmt den Hubschrauberhersteller Sikorsky - auch Boeing und Airbus waren interessiert.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Der amerikanische Rüstungskonzern Lockheed Martin übernimmt den Hubschrauberhersteller Sikorsky, bisher eine Tochter des Mischkonzerns United Technologies Corporation (UTC). Die Transaktion mit einem Volumen von rund neun Milliarden US-Dollar, soll Anfang 2016 abgeschlossen sein. Sie steht unter dem Vorbehalt wettbewerbsrechtlicher Genehmigungen, die aber als sicher gelten.

Sikorsky baut unter anderem die Militärhubschauber Seahawk und Blackhawk, aber auch die Marine 1, den Helikopter des amerikanischen Präsidenten. Entsprechend hatten sich neben Lockheed auch andere Konkurrenten wie Airbus, Boeing oder Bell für eine Übernahme interessiert - ohne Erfolg.

Lockheed bietet der Kauf von Sikorsky die wohl einmalige Chance, eine wesentliche Lücke im Produktportfolio zu schließen. Denn Lockheed ist zwar der dominierende US-Verteidigungskonzern, der unter anderem das Kampfflugzeug F-35 (Joint Strike Fighter) baut, aber Hubschrauber waren bislang nicht im Angebot. Für das US-Verteidigungsministerium ist der Kauf von Sikorsky deswegen nicht völlig unproblematisch, denn sein größter Lieferant wird nun noch größer. Das Pentagon hat ein Interesse daran, die Abhängigkeit von einem Anbieter nicht zu groß werden zu lassen.

Sikorsky hatte zuletzt einige Probleme, vor allem im Zivilgeschäft

"Sikorsky passt wie natürlich zu Lockheed Martin und ergänzt unser breites Portfolio", frohlockte Lockheed Martin-Chefin Marillyn Hewson. "Diese Übernahme wird uns helfen, unser Kerngeschäft in die wachsenden Märkte des Hubschrauberbaus und -unterhalts auszuweiten." Hewson deutete allerdings auch an, dass sich Lockheed im Gegenzug von Teilen des bisherigen Kerngeschäftes trennen könnte. Es würden Alternativen für die Bereiche staatliche Informationstechnologie und Services sowie Teile der Sparte Missiles and Fire Control geprüft. Diese tragen bislang rund sechs Milliarden Dollar zum Lockheed-Jahresumsatz von 45 Milliarden Dollar bei. Sikorsky kommt auf gut 7,5 Milliarden Dollar. Wegen positiver Steuereffekte zahlt Lockheed für die Übernahme nicht neun, sondern unter dem Strich nur gut sieben Milliarden Dollar. Der Konzern betonte, an seinen Plänen für eine Dividende und ein Aktienrückkaufprogramm festhalten zu wollen.

Sikorsky hat allerdings derzeit mit Problemen zu kämpfen. Sowohl Umsatz wie auch Gewinn waren zuletzt rückläufig. Das Unternehmen, das über 25 Standorte in elf Ländern verfügt, hat sich deshalb eine Rosskur verordnet, 1400 von 15 000 Stellen sollen gestrichen werden.

Wie auch den anderen Hubschrauberhersteller macht Sikorsky derzeit die Schwäche im Zivilgeschäft zu schaffen. Die Öl- und Gasindustrie war in Zeiten hoher Ölpreise ein verlässlich großer Kunde, denn die Unternehmen nutzten vermehrt Helikopter, um ihre Mitarbeiter auf die Ölplattformen im Meer zu transportieren. Das ist zwar viel teurer als mit dem Schiff, geht aber viel schneller. Nachdem der Ölpreis zuletzt aber so stark gesunken ist, können sich viele Firmen diesen Luxus nicht mehr leisten.

Für den Mutterkonzern UTC, zu dem auch die Unternehmen Pratt & Whitney (Flugzeugmotoren) und Otis (Aufzüge) gehören, stellte sich die Frage, welche Sparten Priorität genießen. Pratt & Whitney hat gerade Milliarden in die Entwicklung einer neuen Generation von Triebwerken gesteckt, die die neueste Version des Airbus A320, aber auch die Bombardier C Serie motorisiert, die im kommenden Jahr erstmals ausgeliefert werden soll. Die Motorenreihe ist für Pratt & Whitney auch eine Chance, in das an die Konkurrenz verloren geglaubte Geschäft mit Langstreckenflugzeugen zurückzukehren. Angesichts des bei den Flugmotoren erwarteten hohen Wachstums war der zurzeit margenschwache Hubschrauberbau nicht mehr wichtig genug.

Für Sikorsky haben sich dennoch die anderen Hubschrauberhersteller - Boeing, den Bell-Mutterkonzern Textron und Airbus Helicopters - interessiert. Die Übernahme durch einen der drei hätte zu einer aus ihrer Sicht erfreulichen Marktbereinigung geführt. Für Airbus hätte sich zudem die Chance eröffnet, mit einem Schlag eine größere Präsenz im US-Luftfahrtmarkt zu erreichen. Allerdings wäre der Verkauf eines Schlüssellieferanten der US-Streitkräfte an einen nichtamerikanischen Investor politisch kaum durchsetzbar gewesen.

Den Hubschraubermarkt insgesamt aber wird der Verkauf von Sikorsky an Lockheed strukturell nicht stark verändern. Auch nach der Übernahme werden mit Boeing, Bell, Sikorsky und Airbus Helicopters vier große Anbieter auf dem Weltmarkt konkurrieren, und zwar sowohl im zivilen als auch im militärischen Geschäft.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: