HRE-Prozess:Die deutsche Finanzkrise ist abgehakt - für 43 000 Euro

Hypo Real Estate Prozess in Muenchen Der ehemalige Hypo Real Estate Vorstandsvorsitzende Georg Funke

Prozessauftakt: Ein kämpferischer Georg Funke am 20. März 2017 im Landgericht in München.

(Foto: imago)
  • Der Prozess gegen Georg Funke und Markus Fell, die einstigen Chefs der Bank Hypo Real Estate, wurde eingestellt.
  • Die Angeklagten müssen zum Verfahrensende 18 000 und 25 000 Euro zahlen - eine winzige Summe im Vergleich zu den Milliarden, die Deutschland einst in die Rettung der Krisenbank investierte.
  • Dem Prozess drohte allerdings die endgültige Verjährung im kommenden Jahr.

Von Thomas Fromm und Stephan Radomsky

Als er acht Jahre nachdem alles passiert war, wieder in der Öffentlichkeit auftauchte und in einem Münchner Gerichtssaal saß, im März dieses Jahres, war Georg Funke äußerlich zwar etwas älter geworden. Aber sonst war er der Alte. Kämpferisch wie früher, als er noch Chef des einst drittgrößten deutschen Finanzinstituts war, das einmal Hypo Real Estate (HRE) hieß und mit dem im heißen Herbst 2008 die globale Finanzkrise nach Deutschland kam. Als er der Welt erklärte, dass seine Bank gestärkt aus der Finanzkrise hervorgehen würde und dass er, der Immobilienkaufmann aus dem Ruhrgebiet, alles fest im Griff habe.

An diesem Freitag nun hat das Landgericht München den Prozess gegen Funke und seinen früheren Finanzvorstand Markus Fell wegen Bilanzfälschung und Marktmanipulation gegen Auflagen eingestellt. Funke, der große Banker von einst, muss 18 000 Euro zahlen, sein früherer Kompagnon Fell 25 000 Euro. Das Geld geht an gemeinnützige Vereine. Man muss diese Summen in Relation setzen zu ihrer Vorgeschichte. Dann sind sie relativ klein.

Funke fordert bis heute Gehalts- und Pensionszahlungen in Millionenhöhe

Rückblick: Kurz vor dem großen Crash hatte der Manager die irische Pfandbriefbank Depfa gekauft, die wiederum kippte, als in den USA die US-Bank Lehman Brothers pleiteging. Es war der September 2008, und die Schockwellen des gestürzten US-Instituts jagten quer über den Globus. Und so ging es nicht mehr um die Frage, ob die HRE gestärkt, sondern überhaupt noch irgendwie aus dieser Krise rauskommen würde. Am Ende musste sie von der Regierung mit zehn Milliarden Euro Finanzhilfen und weiteren 124 Milliarden Euro Bürgschaften gerettet werden. Funke, der bis dahin alles im Griff hatte, musste gehen, die Staatsanwaltschaft begann, sich für den Fall zu interessieren.

Es gehört zu dieser seltsamen Finanzkrisengeschichte, dass es sich über acht Jahre hinzog, bis es überhaupt zu einem Prozess kam. Jahre, in denen Funke dies und das machte. Bis heute fordert er Gehalts- und Pensionszahlungen in Millionenhöhe von seinem Ex-Arbeitgeber, später verkaufte er seine Villa in München und handelte mit Immobilien auf Mallorca.

Erst die Zehn-Milliarden-Rettung aus Steuergeldern, jetzt 18 000 für wohltätige Zwecke - so ist es, wenn eines der finstersten Kapitel deutscher Finanzgeschichte zu Ende geht. Das Münchner Gericht begründet das abrupte Ende eines Prozesses, der eigentlich dazu gedacht war, neben dem Zusammenbruch der HRE auch die Sünden der Finanzkrise insgesamt aufzuklären, so: "Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe gegen beide Angeklagte konnten im Rahmen der bereits erfolgten Beweisaufnahme bisher nicht ausreichend aufgeklärt werden. Ob die erforderlichen Beweiserhebungen noch vor Ablauf der absoluten Verjährung (März bzw. August 2018) abgeschlossen werden können, ist nicht abzuschätzen." Mit anderen Worten: Da man erstens weiß, dass es in diesem Prozess noch viel zu tun gibt, und zweitens weiß, dass die ganze Sache wegen der Verjährungsfristen eng wird, kommt man drittens am besten gleich zum Ende dieser Angelegenheit.

Es ging auch darum, ob alles zusammenfallen würde: Banken. Börsen. Das System

Die Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage sei im Vergleich zum Freispruch zwar "nur der Spatz in der Hand", sagt Funkes Verteidiger Wolfgang Kreuzer. Allerdings gebe es dagegen keine weiteren Rechtsmittel, das Strafverfahren gegen die ehemaligen HRE-Manager sei damit ein für allemal beendet. Funke habe dem deshalb zugestimmt und weil er sich damit die Anstrengung eines sich weiter hinschleppenden Prozesses erspare.

Nun ging es bei dieser Finanzkrise, neben der Gier und dem ganz alltäglichen Wahnsinn in der Finanzwelt, immer auch um viel Geld. Summen, die so horrend hoch waren, dass sie sich die Menschen damals kaum vorstellen konnten. Und es ging am Ende um die alles entscheidende Frage, ob und wann alles in sich zusammenfallen würde. Banken, Börsen, das Finanzsystem insgesamt.

Das unrühmliche Ende ist auch eine Ohrfeige für die Ankläger

Funke, der sich immer missverstanden fühlte, zog Hass und Häme auf sich und wurde das Gesicht der Finanzkrise. Der gebürtige Gelsenkirchener, der 1982 bei der Westdeutsche Wohnhäuser AG in Essen begann und es im Laufe der Jahre erst bis nach London und dann nach München und mit seiner Bank dann sogar noch in den Dax schaffte, verkörperte nach dem HRE-Zusammenbruch für viele einen ganz besonderen Manager-Typus: den Bankster. Etwas Banker, ganz viel Gangster, und vor allem: endlos gierig.

Was nun wirklich in jenen Monaten passierte - ob Georg Funke ein gieriger Mensch ist, ob er damals falsch informierte oder ein zu großes Rad drehte - man wird es nun nicht mehr vom Gericht erfahren. Zuletzt tauchten in den Kellern der Münchner Staatsanwaltschaft noch 99 Umzugskisten mit Aktenordnern auf, die noch nicht alle ausgewertet waren. Es gibt Prozesse, die enden, weil man zu wenig in der Hand hat - hier hat man wohl zu viel Material.

Insofern ist dieses unrühmliche Ende des Prozesses auch eine Ohrfeige für die Ankläger: Fast achteinhalb Jahre lagen zwischen der Rettung der HRE und dem Prozessauftakt in München. Dabei waren die Themen klar: Die Staatsanwälte hatten Funke und Fell vorgeworfen, die Lage der HRE in den Geschäftsberichten für 2007 und das erste Halbjahr 2008 geschönt dargestellt und damit Investoren und Öffentlichkeit getäuscht zu haben. Unter dem Strich stecken bis heute noch mehr als 16 Milliarden Euro Steuergeld in der HRE und ihren Überbleibseln.

Er hat alles richtig gemacht, und die anderen alles falsch. So sieht er das

18 000 Euro

muss Georg Funke, der frühere Chef der Pleitebank Hypo Real Estate (HRE), an gemeinnützige Vereine zahlen. Sein früherer Finanzchef Markus Fell zahlt 25 000 Euro - damit ist das Münchner Verfahren gegen die beiden beendet. Der Immobilienfinanzierer HRE musste im Herbst 2008 mit Milliardengeldern vor dem Zusammenbruch gerettet und zwangsverstaatlicht werden. Funke wurde daraufhin vorgeworfen, die tatsächliche Lage der Bank lange geschönt zu haben. Für das Landgericht München war am Ende fraglich, ob die verbliebenen Vorwürfe bis zur absoluten Verjährung des Falles im Jahre 2018 überhaupt noch aufzuklären sind.

Wer daran Schuld hatte? Vor allem Funke und Fell, so sah es die Anklage. Ursprünglich war der gesamte sechsköpfige Vorstand der damaligen HRE angeklagt, gegen vier der Manager waren die Verfahren aber schon vor Prozessbeginn gegen Geldauflagen eingestellt worden. Wirklich auf der Anklagebank saßen deshalb nur der ehemalige Bankchef und sein Finanzvorstand. Sie sollten die Hauptverantwortlichen für das HRE-Desaster sein - die Gesichter der Finanzkrise Made in Germany.

Als der frühere Bankchef vor einigen Monaten im Münchner Landgericht saß, da zeigte er noch mal den ganzen Funke. Und der geht so: Ich habe alles richtig gemacht, die anderen alles falsch. "Die HRE ist von außen zerstört worden", behauptete er da. Außen, da waren der damalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, bei dem er im September 2008 anklopfte und Hilfe erbat, und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück, der, so Funkes Theorie, mit seinem Spruch von der "geordneten Abwicklung" der HRE die ganze Sache erst richtig eskaliert habe. Ackermann habe wissen wollen, ob der Staat notfalls eine Bank retten würde, und Steinbrück habe ein Exempel statuieren wollen, um Märkte und Investoren zu beruhigen. Nur deshalb habe er Ende September 2008 plötzlich von "Abwicklung" gesprochen - obwohl die HRE bis dahin stets genug Geld in der Kasse gehabt hatte.

All diese Fragen zu klären wäre zentral gewesen für den Strafprozess - bis spätestens September 2018 hätte das alles vom Tisch sein müssen. Zuletzt hatte die 5. Strafkammer des Münchner Landgerichts noch bis Ende des Jahres weitere Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil wäre aber wohl auch bis dahin nicht gefallen - vor allem weil das zentrale Gutachten vermutlich noch nicht fertig gewesen wäre. Der Ulmer Wirtschaftsprofessor Kai-Uwe Marten sollte im Auftrag des Gerichts klären, wie es in den Monaten vor dem Beinahe-Kollaps wirklich bestellt war um die Liquidität der HRE. Dazu waren aber in den vergangenen Monaten immer neue Daten aufgetaucht, aus alten Beständen der Bank, aber auch von der Bundesbank und dann eben noch jene seltsame Umzugskisten mit beschlagnahmten HRE-Akten aus den Beständen der Staatsanwaltschaft.

Die deutsche Finanzkrise endet also mit Geldauflagen in Höhe von 18 000 Euro für Georg Funke und 25 000 Euro für Markus Fell. Die Summen orientierten sich "an den derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Angeklagten", heißt es vom Gericht. "Die beiden Angeklagten haben damit am wenigsten bezahlt von allen ehemaligen HRE-Vorständen", sagt Funke-Anwalt Kreuzer. Aber dafür hätten sich die anderen vier ursprünglich ebenfalls angeklagten Banker eben auch die Monate im Gerichtssaal erspart.

Epilog: Die Abwicklung der einst maroden HRE und ihrer Schrottpapiere, heute übrigens unter dem Namen FMS Wertmanagement am Markt, dürfte noch viele Jahre dauern, und frühere HRE-Aktionäre streiten noch immer um ihr Geld. Und Funke fordert nach wie vor sein Vorstandsgehalt ein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: