Hotellerie:Der Promi-Stall

Seit 250 Jahren kein Ruhetag: Der Stanglwirt bei Kitzbühel ist eines der erfolgreichsten Hotels in Österreich - und kommt ohne mächtige Online-Anbieter aus.

Von Caspar Busse

Vor mehr als 50 Jahren kam mal ein Reisebürovertreter bei Balthasar Hauser vorbei. Er hatte eine lange Liste mit Extras dabei, die Hotels bieten müssten. Doch Hauser konnte "keine Kreuzerl machen", wie er heute erzählt. Kein See, kein Skilift in der Nähe, kein Komfort, kein Schwimmbad, noch nicht mal ein Dorf war in Fußweite. Die Lage seiner Herberge, direkt an der viel befahrenen Bundesstraße 178 und im Schatten der mächtigen Berge, ist bis heute alles andere als ideal.

Und doch hat es Balthasar Hauer, 71, geschafft: Das Luxus- und Wellnesshotel Stanglwirt in Tirol, in der Nähe des Tiroler Örtchens Going und zwölf Kilometer von Kitzbühel entfernt, ist heute eines der bekanntesten Hotels in den Bergen, ein beliebter Treff von Prominenten - und eine der drei erfolgreichsten Herbergen in ganz Österreich. Nur das ehrwürdige Sacher und das Hotel Hilton am Stadtpark in Wien machen mehr Umsatz.

Aus der Not gingen die Zimmer Richtung Norden, dafür haben sie Kaiserblick

"Man darf einfach nie stehen bleiben, ganz egal, wie gut es läuft", sagt Maria Hauser-Lederer, 35. Sie übernimmt zusammen mit ihrer Schwester Elisabeth, 31, die für die Finanzen zuständig ist, gerade den Hotelbetrieb von Vater Balthasar.

Der Stanglwirt wird erstmals 1609 erwähnt, seitdem ist er in Familienbesitz, inzwischen in der 17. Generation. Besonders stolz ist man darauf, dass es seit 250 Jahren keinen einzigen Ruhetag gab. "Das können wir unseren Gästen einfach nicht antun", sagen die Hausers. Heute liegt der Umsatz bei 30 Millionen Euro im Jahr mit 300 Mitarbeitern, der Durchschnittspreis in den 171 Zimmern mit zusammen 350 Betten liegt bei 200 Euro pro Person inklusive Frühstück, er variiert je nach Saison. "Unsere Jahresauslastung liegt bei etwa 90 Prozent", sagt Elisabeth Hauser - ein Wert, von dem viele Hoteliers träumen, die durchschnittliche Auslastung deutscher Hotels ist etwa 60 Prozent.

Kitzbühel 2017 27 Weisswurstparty beim Stanglwirt Arnold Schwarzenegger Maria Hauser Andreas Gab

Große Weißwurstparty beim Stanglwirt: Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger, Maria Hauser-Lederer und Sänger Andreas Gabalier (von links).

(Foto: imago)

Der Stanglwirt kann sich sogar einen besonderen Luxus erlauben. "Man findet uns auf keiner Hotelbuchungsplattform und wir arbeiten auch nicht mit Reiseveranstaltern zusammen", sagt Maria Hauser-Lederer und lächelt dabei. Online-Buchungen sind nur auf der hoteleigenen Website möglich, der Großteil der Reservierungen erfolge aber noch immer telefonisch. Nur ganz wenige Hotels boykottieren weltweite Buchungs-Plattformen wie Booking.com. Die Firma aus Amsterdam ist Marktführer und hat allein eine Million Unterkünfte in 220 Ländern unter Vertrag. "Wir bringen Kunden, die die Vermieter ohne uns gar nicht erreichen könnten", sagt Booking.com-Chefin Gilian Tans immer wieder. Und das hat seinen Preis: Geschätzt um die 20 Prozent Provision bleibt bei Booking.com hängen, ein einträgliches Geschäft.

Der Stanglwirt verzichtet darauf und muss so seine Einnahmen nicht teilen. Das Hotel ist dafür bekannt genug. Schon seit 1949 findet ein Volksmusik-Sängertreffen statt. Schon bald kamen der amerikanische Sänger Bing Crosby, Soraya aus Persien, Daniel Swarovski vom gleichnamigen Kristallhersteller. "Da war immer alles da, was man sich vorstellen kann", sagt Hauser. Inzwischen tummeln sich hier viele mit großen und kleinen Namen, US-Präsidenten, Schlagersänger, Schauspieler, Sportler - ihre Bilder hängen in den Fluren des Hotels. Anlässlich des Hahnenkammrennens findet alljährlich eine große Weißwurstparty mit bis zu 2500 Gästen statt. Die Beratungsfirma Prodinger hat den Markenwert des Stanglwirts mit zwölf Millionen Euro beziffert, das Hotel tauche laufend auf, auch in den sozialen Medien und erziele eine Reichweite von 400 Millionen Kontakten pro Jahr, heißt es.

Balthasar Hauser sitzt in einer gemütliche holzgetäfelten Stube direkt über dem Restaurant des Stanglwirts, an der Tür steht "Privat". Sie heißt "Opas Wohnzimmer", hier haben einst die Eltern gelebt. Hauser wohnt noch immer gleich nebenan im Hotel, seine beiden Töchter leben mit ihren Familien ganz in der Nähe. Stolz zeigt er eine Statue aus Plexiglas, die Beratungsfirma EY hat ihn gerade zu Österreichs Unternehmer des Jahres in der Kategorie Dienstleistungen gewählt.

Hotellerie: Eine erfolgreiche Familie: Vater Balthasar Hauser mit den beiden Töchtern Maria (re.) und Elisabeth.

Eine erfolgreiche Familie: Vater Balthasar Hauser mit den beiden Töchtern Maria (re.) und Elisabeth.

(Foto: oh)

Die Geschichte des Hotels ist fast ein kleines Märchen: Als Balthasar Hauser den Betrieb 1966 nach dem frühen Tod seiner Mutter übernahm, war der Stanglwirt ein Gasthof, die wenigen Fremdenzimmer verfügten über fließend Wasser. Die Gäste waren unter der Woche Fernfahrer, Vertreter, Schulklassen, Ausflügler am Wochenende. Der Stanglwirt - ganz früher wechselten die Kutschen hier ihre Pferde - hatte immer geöffnet, die Kellnerin wusste immer die neuesten Witze, erzählt Hauser. Das sprach sich herum. Außerdem lag das Hotel an einer wichtigen Route. "Das war narrisch gut, da hat jeder vorbeimüssen. Der kürzeste Weg von Wien nach Paris führte einst am Stanglwirt vorbei", so Hauser. Er wollte mehr. Da es zur Straße zu laut war, baute er neue Zimmer nach hinten, Richtung Norden, da konnte man wenigstens ruhig schlafen. Das war ein Novum, im gesamten Tal gab es bis dahin nur südseitig Zimmer. Die Hauser-Unterkünfte hatten nun aber Blick auf den imposanten Wilden Kaiser, das wurde schließlich zum Markenzeichen des Stanglwirts: Heute bieten 95 Prozent der Zimmer Kaiserblick.

Mit dem Namen könnte man viel Geld machen, aber das will die Familie nicht

"Aus der Not haben wir schon immer eine Tugend gemacht", sagt Hauser. Um die Auslastung zu erhöhen, baute er Tennisplätze, die noch heute zu den zehn schönsten der Welt gehören. Zusammen mit dem Ski- und Tennishersteller Franz Kneissl aus Kufstein veranstaltete er Tennis-Camps, engagierte als Attraktion Tennislehrer aus Hawaii. Er ließ Schwimmbäder und üppige Wellness-Anlagen errichten. Die Gewinne wurden immer wieder investiert, Schulden gibt es kaum. Heute firmiert der Betrieb als Biohotel, aus dem Restaurant hat man Blick in den Kuhstall, es gibt einen Golfplatz und ein Lipizzaner-Gestüt. An Verkauf denken die Hausers nicht, obwohl es immer wieder Angebote großer Ketten gibt. "Erfolg ist für mich nicht nur Geld", sagt Hauser. Und: "Wir sind eben Wirtsleute. Wir sehen uns nicht als Groß-Hoteliers." Die Hälfte der Gäste kommt aus Deutschland, 80 Prozent sind Stammgäste.

"Der neue Trend heißt Heimat und Natur", sagt Hauser, und davon profitiere man, denn die Familie ist präsent, wolle durch ihre Anwesenheit "Nestwärme" vermitteln. Eine weitere Ausdehnung des Stanglwirts ist aber nicht geplant. "Wir könnten sehr viel Geld machen mit unserer Marke", meint Maria Hauser-Lederer, "aber das wollen wir nicht." Ein Franchise-Konzept, etwa weitere Hotels oder Gaststätten unter dem Namen "Stanglwirt" an anderen Standorten, werde es vorerst nicht geben. Bei den Hausers gilt nach wie vor die Lebensweisheit von Senior Balthasar Hauser: "Das Optimum ist früher erreicht als das Maximum."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: