Honig in Tablettenform:Der klebt ja gar nicht!

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Es ist ungemein beruhigend, wenn Probleme gelöst werden, von denen nicht klar war, dass sie überhaupt existierten. Jedenfalls ist der kanadischen Firma Honibe erstmals das Trocknen von reinem Honig gelungen. Alles fing mit einem klebrigen Malheur an.

Bernadette Calonego

Manche geniale Erfindungen sind einem Zufall zu verdanken - oder einem klebrigen Missgeschick. Der Kanadier John Rowe hatte die Erleuchtung seines Lebens auf einer Bergwanderung im bekannten Sportort Whistler. Als er seinen Rucksack öffnete, erwartete ihn eine pappige Sauerei, weil ein Glas mit flüssigem Honig zerbrochen war. Zelt und Kleider waren verschmiert. John Rowe kamen in rascher Folge zwei Gedanken. Erstens: "Hoffentlich riecht das kein Bär!" Und zweitens: "Es muss doch etwas Besseres geben." Zum Beispiel einen nichtklebenden Honig, der sich leicht transportieren lässt.

Die Hustendrops von Honibe bestehen zu 99 Prozent aus Honig. (Foto: oh)

Rowe recherchierte in den Geschäften. Alles, was er fand, waren Produkte aus Zucker mit ein bisschen Honiggeschmack. Niemandem war es bis dahin gelungen, reinen Honig in solide Würfel zu verwandeln. Andere Methoden wie Gefriertrocknen brauchen bis zu 90 Prozent fremde Zusätze. Rowe, ein 38-jähriger Software-Ingenieur, tüftelte die nächsten zehn Jahre im Privatlabor an einer Lösung herum. Im Jahr 2004 zog er von der Westküstenstadt Vancouver zurück in seine alte Heimat Prince Edward Island (PEI), Kanadas kleinste Provinz. Dort lebt und arbeitet seine Familie schon seit sechs Generationen als Landwirte.

Ein Teelöffel harter Honig

Die Rowes züchten auf ihrer Farm auch Bienen für die Bestäubung der Felder. In der 32 000-Seelen-Stadt Charlottetown auf PEI befindet sich zudem ein Nahrungstechnologiezentrum der Regierung. Waben kombiniert mit Expertenwissen - das genügte Rowe, um das Geheimnis des Honigs zu knacken. Und wie es das Schicksal so will: Sein Bruder Justin ist ein studierter Gesundheitswissenschaftler. Forschung und Entwicklung finanzierten die Brüder mit dem Einkommen aus Johns Ingenieurbüro.

Im Herbst 2007 war es endlich vollbracht: ein trockenes achteckiges Tablettchen aus reinem Honig, das sich wie ein hartes Bonbon anfühlt, aber schnell in heißen Getränken auflöst. Ein Honey Drop (Honigtropfen) entspricht etwa einem Teelöffel Honig. Die Gebrüder Rowe nennen es "den ersten Honig der Welt, den man wirklich in Händen halten kann". Als die Drops unter der Marke Honibe auf den Markt kamen, erhielten die Brüder Anrufe von Firmen aus der ganzen Welt, erinnert sich der 30-jährige Justin Rowe: "Sie sagten, sie hätten lange versucht, trockenen Honig herzustellen, aber es sei ihnen nie gelungen."

Honig besteht zu 20 Prozent aus Wasser, aber es ist sehr heikel, dieses Wasser zu entziehen. Honig ist empfindlich: Wenn man ihn erhitzt, brennt er leicht an. John Rowe musste seine eigenen Werkzeuge, Geräte und Maschinen entwerfen und bauen lassen, damit der komplexe Dehydrationsprozess glückte. Natürlich ließen die Rowes ihre Erfindung patentieren: In den USA und Kanada ist das Verfahren fast abgeschlossen, in Europa ist es am Laufen.

Vor vier Jahren gründeten die Brüder und Johns Frau Susan die Familienfirma Island Abbey Foods Ltd. John ist der Präsident und Justin der Verkaufs- und Marketingchef. Die Kunde von den wundersamen Honigtabletten ist mittlerweile rund um die Welt gegangen. In der Teetrinkernation Großbritannien pries die Tageszeitung The Guardian die "einzigartige und natürliche Alternative zum Zuckerwürfel".

Als der britische Kronprinz William und seine Frau Catherine im vergangenen Jahr während ihres kanadischen Staatsbesuchs auf Prince Edward Island weilten, wurden sie selbstverständlich mit den goldenen Würfeln beschenkt. Aber es sind natürlich nicht nur die Blaublütigen, die sich John und Justin Rowe als Kunden wünschen: In einem weltweit wachsenden Tee- und Kaffeemarkt haben die Rowes eine lukrative Lücke entdeckt, die auf gesundheitsbewusste und naturliebende Konsumenten abzielt. "Wir haben eigentlich keine Konkurrenz", sagt Justin Rowe. Zwischenzeitlich haben die Brüder auch Lutschpastillen gegen Husten und Halsbeschwerden lanciert, die aus 99 Prozent Honig bestehen. "Die herkömmlichen Tabletten enthalten nur vier bis fünf Prozent Honig", sagt Justin Rowe. Und die beiden Brüder haben als Erste auch getrocknete Honigkrümel erfunden, die sich aus der Dose auf Backwaren und in Getränke streuen lassen.

Der Honey Drop ist vor zwei Jahren bei der weltweit größten Lebensmittelmesse SIAL in der Nähe von Paris als innovativstes neues Produkt mit der Goldmedaille ausgezeichnet worden. Für die Herstellung der Honibe-Erzeugnisse verwendet das Unternehmen in manchen Fällen Honig aus dem Land, in dem die Produkte dann auch verkauft werden. Der Rohstoff wird zuerst auf Pestizide und Chemikalien geprüft. Biologischer Honig indes, so Justin Rowe, sei weltweit schwierig zu finden: "Die Bienen fliegen, wo immer sie wollen." Im Frühsommer will er die nötigen Genehmigungen haben, um die Honibe-Produkte in deutsche Läden zu bringen. "In Europa gehören die Deutschen zu den Nationen, die am meisten Honig konsumieren."

Das Geschäft von Island Abbey Foods wächst rasant. "Seit wir die Produkte verkaufen, verdreifachten wir unseren Umsatz jedes Jahr", sagt Justin Rowe, der bald zehn Millionen Euro erreichen will. In Kürze eröffnet Honibe eine 1500 Quadratmeter große Fabrik in Charlottetown. Derzeit wird der Honig, der nicht klebt, in mehr als 80 Länder verschickt. 60 Prozent wird exportiert. Die Firma hat in zehn Ländern Exportpartner, etwa in den USA, Japan und Neuseeland, und verkauft auch übers Internet.

Vor honigliebende Bären brauchen sich die Rowes nun nicht mehr zu fürchten. Als sie einige ihrer Produkte hinter der Fabrik lagerten, verschwanden diese allerdings. Füchse oder Waschbären haben die süßen Dinger genascht, so glaubt John Rowe. Was beweist: Honig ist jetzt auch für Tiere leichter zu transportieren.

© SZ vom 27.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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