Hochtief:Tag des Zorns

Bei Hochtief gehen die Aktionäre mit dem spanischen Eroberer ACS hart ins Gericht. Und für einen ist jetzt in dem Unternehmen kein Platz mehr - obwohl er hoch geachtet war.

Karl-Heinz Büschemann

Das hat Herbert Lütkestratkötter noch nicht häufig erlebt. Auf der Hauptversammlung des Baukonzerns Hochtief in der Essener Grugahalle muss der Vorstandsvorsitzende einem Aktionär ein Autogramm geben. Am Abend schon wird Lütkestratkötter nicht mehr Hochtief-Chef sein. Der spanische Konzern ACS ist dabei, die Mehrheit an dem Essener Traditionskonzern zu übernehmen. Da bleibt kein Platz mehr für den handfesten Westfalen, der im Unternehmen hoch geachtet ist, der aber die spanischen Eroberer nicht abwehren konnte. "Ich mache jetzt die Beine erst einmal lang", sagt der 60-jährige Konzernchef.

Hauptversammlung Hochtief

 "Ich mache jetzt die Beine erst einmal lang", sagt der 60-jährige Konzernchef Herbert Lütkestratkötter. Er wird das Unternehmen verlassen.

(Foto: dpa)

Ein Hauch von Abschied geht durch die Halle - und ein tiefer Riss. In der Grugahalle gibt es zwei Fraktionen. Aufsichtsrat wie Vorstand sind beide gespalten. Die einen stehen auf der Seite der Spanier, die anderen sind gegen sie. Neben Lütkestratkötter werden auch die beiden Vorstandsmitglieder Peter Noe und Burkhard Lohr das Unternehmen verlassen. Vier der auf dem Podium sitzenden acht Aufsichtsräte der Kapitalseite scheiden aus dem Gremium aus. Hochtief steht vor einer ungewissen Zukunft.

Klar war, dass die diesjährige Hauptversammlung ein besonderes Ereignis sein würde. Weil es viel Kritik geben würde an der Übernahme hatte der Konzern vorsorglich die Grugahalle für die Veranstaltung gewählt, in der schon mal große Popkonzerte über die Bühne gehen.

Die Versammlung der 1100 Aktionärsvertreter beginnt schon mit einem Paukenschlag. Detlev Bremkamp, der noch amtierende Aufsichtsratsvorsitzende, attackiert die spanischen Eroberer mit einer Härte, die bei diesem unauffälligen Mann, der lange im Allianz-Vorstand saß, nicht der Normalfall ist. Offenbar musste der Versicherungsmann eine gehörige Portion Frust los werden. Die Spanier, die schon seit Jahren mehr als 20 Prozent der Aktien von Hochtief hielten, hätten "niemandem bei Hochtief ihren Plan angekündigt". Sie hätten noch kurz vor dem Übernahmeangebot behauptet, die Anteile nicht aufstocken zu wollen. Bremkamp wirft ihnen mangelndes Gespür für gute Unternehmensführung vor.

ACS habe sich geweigert - wie üblich - gemeinsam mit dem amtierenden Aufsichtsrat eine Liste für die Kandidaten des Kontrollgremiums aufzustellen, die auch die Interessen der freien Aktionäre berücksichtige. So sei der Aufsichtsrat gezwungen gewesen, eine eigene Liste zu präsentieren. "Wir wollten ein Zeichen für gute Corporate Governance setzen", sagt Bremkamp. Er wirft den Spaniern vor, den Chef aus dem Unternehmen vergrault zu haben: "Der Großaktionär legte Wert auf das Ausscheiden von Dr. Lütkestratkötter." Buhrufe gehen durch den Saal. Der Aufsichtsratsvorsitzende dankt dem Vorstandschef so überschwänglich für seine Arbeit, dass dies nur als Kritik an den neuen Eigentümern verstanden werden kann. Die Aktionäre sind sauer.

Einer spricht von der Verlogenheit des spanischen Konzerns. Ein anderer fühlt sich wie auf einer Beerdigung, als sei die Übernahme von Hochtief durch ACS das Ende des Unternehmens. Ein Rentner ruft mit fast tränenerstickter Stimme den Spaniern zu: "Machen Sie die Hochtief-Familie nicht kaputt." Besonders Klaus Wiesehügel, der oben auf dem Podium sitzt, zieht Pfeile auf sich. Der Vorsitzende der IG Bau hat sich im Kampf um Hochtief auf die Seite der Spanier geschlagen. Das sorgt für Wut im Saal, in dem es nur ACS-Hasser zu geben scheint. Wiesehügel hat für die Anwesenden die Interessen von Hochtief an ACS verkauft. "Bei Anwälten wäre das, was Herr Wiesehügel gemacht hat, Parteiverrat", sagt eine Aktionärsvertreterin.

Ein Aktionärsschützer fasst zusammen, worum es seiner Meinung nach bei Hochtief geht. "Wir schließen hier ein Kapitel", sagt Mark Tüngler von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Die Unabhängigkeit des Unternehmens werde zu Grabe getragen. Er fürchte, dass Hochtief "ausgeplündert" wird. "Bitte kommen Sie aus der Deckung", fordert Tüngler die neuen Großaktionäre heraus, ihre Strategie vorzustellen. Doch der Wunsch wird nicht erfüllt. Ein von den neuen Mehrheitseignern ins Rennen geschickter Anwalt teilt der Versammlung mürrisch mit, sein Auftraggeber habe sich nichts vorzuwerfen. Das wird mit Pfiffen und Buhrufen beantwortet.

Herbert Lütkestratkötter, der einen langen und knochentrockenen Bericht über die positive Geschäftsentwicklung gibt, und der stets den Eindruck von westfälischer Nüchternheit pflegt, zeigt an seinem letzten Tag als Firmenchef doch noch eine menschliche Regung. Er habe sein bestes gegeben für Hochtief, sagt der Mann, der seit 2007 an der Unternehmensspitze steht. Dann macht er eine lange Pause. "Mehr ging nicht." Als er am Schluss seiner Rede ankommt und den Vorstandskollegen und dem "großartigen Hochtief-Team" dankt, versagt dem knorrigen Firmenchef sogar die Stimme. Dann erhebt sich die gesamte Halle zur stehenden Ovation - sogar Frank Stieler. Dabei gilt der Nachfolger als Mann der Spanier.

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