Hinweise auf Bestechung:Schwarze Serie für Bilfinger

Traffic lights are seen on Itapua beach ahead of the 2014 World Cup in Salvador

Rotlicht am Strand von Salvador da Bahia: Bilfinger rüstete für die Fußball-WM 2014 Verkehrsleitzentralen in einigen brasilianischen Großstädten aus.

(Foto: Marcos Brindicci/Reuters)

Der Konzern soll für einen Auftrag zur Fußball-WM 2014 in Brasilien Schmiergelder gezahlt haben. Dabei kämpft man in Mannheim schon mit Verlusten und der Besetzung des Chefpostens.

Von Helga Einecke und Boris Herrmann, Frankfurt/Rio de Janeiro

Der Industriekonzern Bilfinger kommt nicht zur Ruhe. Zu den Verlusten im vergangenen Jahr und einer Hängepartie im Management kommt nun noch ein Schmiergeld-Skandal bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien hinzu. Bilfinger hat Verkehrsleitzentralen in brasilianischen Großstädten mit Displays und Software ausgestattet, mit denen die Einsätze von Feuerwehr, Polizei und Feuerwehr koordiniert wurden. Der Verdacht: 25 Millionen Euro seien dafür verbucht worden, darunter 22 Millionen Euro als fiktive Beratungsleistungen, die in Wahrheit als Bestechung an Lokalpolitiker und Mitglieder des Welt-Fußballverbandes Fifa geflossen sein sollen. Die Fifa weist die Vorwürfe zurück.

Bilfinger hat nach eigenen Angaben schon im vergangenen Jahr interne Hinweise auf Unregelmäßigkeiten erhalten. Es gehe um die Lieferung von Monitorwänden für die Sicherheitsleitzentren in mehreren brasilianischen Großstädten, hieß es. Man habe die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young sowie Deloitte und eine Anwaltskanzlei in Brasilien eingeschaltet. Der Verdacht habe sich erhärtet, die Untersuchungen seien aber noch nicht abgeschlossen. Ungereimtheiten gebe es bei den Beträgen und den Adressaten der Schmiergelder. "Wir wissen nicht, an wen in welcher Höhe Geld geflossen ist", sagte ein Unternehmenssprecher.

Anders als behauptet handele es sich nicht um von IBM zukaufte Software, sondern um eine Eigenentwicklung. Die Größe des Auftrags in Höhe von sechs Millionen Euro stehe auch in keinem Verhältnis zu den vorgeblichen Bestechungsgeldern. Der Konzernvorstand habe sich nicht mit einem Auftrag in dieser Größenordnung beschäftigt.

Damit wird der CDU-Politiker und ehemalige Bilfinger-Chef Roland Koch etwas aus der Schusslinie genommen, zu dessen Amtszeit sich die brasilianische Affäre abspielte. Koch musste im August 2014 nach drei Jahren an der Spitze gehen, weil er beim Umbau des Konzerns keine glückliche Hand bewiesen hatte. Er hatte mehrere Gewinnwarnungen bekannt gegeben und wurde schließlich auf Betreiben des norwegischen Hauptaktionärs, dem Finanzinvestor Cevian, abserviert.

"Sollten die Vorwürfe zutreffen, wird Bilfinger juristische Schritte einleiten."

Seither führt Herbert Bodner, 66, der Vorgänger von Koch, die Geschäfte übergangsweise. Sein Vertrag läuft bis Ende Mai. Mit Per Utnegaard, einem norwegischen Manager, der den Flughafen-Dienstleister Swissport leitet, schien ein neuer Chef gefunden. Unterschrieben hat der Mann aber bisher nicht. Angeblich gibt es mit seinem gegenwärtigen Arbeitgeber noch immer kein Einvernehmen über den Zeitpunkt seines Ausscheidens. Deshalb blieb dem Aufsichtsrat unter Vorsitz des früheren Metro- und Haniel-Chefs Eckhard Cordes nichts anderes übrig als "eine klare Präferenz für einen Kandidaten" zu bekunden - ohne einen Namen zu nennen. Deutlicher wird Cordes nun in Bezug auf die jüngste Bestechungs-Affäre. "Sollten die Vorwürfe nachweislich zutreffen, wird Bilfinger personelle Konsequenzen ziehen und juristische Schritte einleiten", heißt es in Mannheim. Allerdings wird das wohl eher die Tochter in Brasilien treffen, die die WM-Aufträge abwickelte, als Vorstandsmitglieder in Mannheim.

In Brasilien selbst findet der Fall bislang erstaunlich wenig Beachtung. Vermutlich auch deshalb, weil man mit viel größeren Skandalen beschäftigt ist. Nahezu täglich werden neue Details zu den systematischen Schmiergeldzahlungen beim staatlichen Ölkonzern Petrobras bekannt. Die sogenannte Petrolão-Affäre gilt längt als der größte Klüngel-Skandal der brasilianischen Geschichte. Es geht um Bestechungsgelder in Milliarden-Höhe. Nahezu alle großen Baufirmen des Landes scheinen darin verstrickt zu sein. Auch die regierende Arbeiterpartei von Präsidentin Dilma Rousseff gerät immer weiter unter Druck. Gleichzeitig hält Swiss-Leaks das Land in Atem. Über 8000 Brasilianer haben geheime Konten bei der Schweizer Niederlassung der britischen Bank HSBC unterhalten, darunter offenbar zahlreiche Größen aus der Unterhaltungsbranche. Auch der Schriftsteller Paulo Coelho gehört dazu. In Rio de Janeiro wird überdies gegen den Bürgermeister Eduardo Paes ermittelt. Da geht es um Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen von 2016. Der Fall Bilfinger war den Medien in Brasilien da - wenn überhaupt - nur eine kleine Meldung wert.

Bilfinger, einst ein großer Baukonzern, bietet heute vor allem Dienstleistungen an. Infrastruktur, Immobilien, Energie und Industrie gehören dazu. Letztlich mache man alles, was Industrieunternehmen nicht selbst machen wollten und ausgliederten, umschrieb ein Manager das Geschäftsmodell. Das klinge nicht nach einem klaren Profil bemängeln Analysten.

Im Jahr 2014 ist Bilfinger erstmals seit 1998 wieder in die Verlustzone gerutscht. Das Minus beläuft sich auf 71 Millionen Euro, eine riesige Kehrtwende nach einem Gewinn von 173 Millionen Euro im Jahr zuvor. Bodner begründete den Einbruch mit der Energiewende. Wegen seines starken Kraftwerksgeschäfts sowie der Konzentration auf Öl und Gas sei Bilfinger ebenso wie seine Kunden, die Energiekonzerne, in Mitleidenschaft gezogen. In diesem Jahr will sich das Unternehmen vom Geschäft mit Offshore-Windkraftanlagen trennen, weil diese Projekte nicht mehr zum Profil gehörten. Beschäftigt werden noch 69 100 Mitarbeiter, der Umsatz betrug im vergangenen Jahr 7,7 Milliarden Euro. Analysten halten es für möglich, dass weitere Teile des Konzerns verkauft werden. Diese Entscheidungen aber wird voraussichtlich erst ein neuer Chef fällen.

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