Hilti:Kritik erwünscht

Mit Mitte 50 ist auch für den Vorstandschef Schluss. So soll verhindert werden, dass Topmanager in Routine erstarren.

Von Uwe Ritzer und Charlotte Theile, Vaduz

RAL 3020. Die Firma Hilti hält die Markenrechte an diesem kräftigen Farbton, den Experten in die Kategorie Verkehrsrot einordnen. Fast überall auf der Welt ist er auf Baustellen weithin sichtbar. Werkzeugkoffer und Bohrwerkzeuge in strahlendem Rot. Und dementsprechend weiß jeder, der auch nur einmal auf einer Baustelle gearbeitet hat: Das knallige Rot der Norm RAL 3020 steht für Hilti.

Nicht wenige Amerikaner halten Hilti für ein amerikanisches Unternehmen, und nicht wenige Deutsche glauben, dass die Landeszentrale in Kaufering bei München auch der Konzernsitz ist. Tatsächlich liegt er gut 180 Autokilometer südwestlich in der Gemeinde Schaan in Liechtenstein. Wer vom österreichischen Feldkirch aus in das 12,4 Kilometer schmale und 25 Kilometer kurze Land am rechten Rheinufer einreist, kommt fast zwangsläufig an der Hilti-Zentrale vorbei, die in den vergangenen Jahren Gebäude um Gebäude gewachsen ist. Etwa 1800 der weltweit fast 22 000 Beschäftigten arbeiten in Liechtenstein. Insgesamt ist die Firma in mehr als 120 Ländern präsent.

1941 gründeten die Brüder Martin und Eugen Hilti in Schaan eine kleine Dreherei. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete die Firma als Zulieferer für die deutsche Rüstungsindustrie. 1960 betrug der Umsatz 35 Millionen Schweizer Franken, zehn Jahre später waren es bereits mehr als 300 Millionen. Im vergangenen Jahr setzte Hilti 4,5 Milliarden Franken um. Das Unternehmen entwickelt, baut und vertreibt Produkte, deren Palette von Bohrmaschinen über Befestigungstechnik bis zu Laser-Messsystemen reicht.

Der Konzern ist ausschließlich im Familienbesitz. Wieder, muss man sagen, denn zwischen 1986 und 2003 wurden die Aktien an der Schweizer Börse gehandelt. Heute ist die Aktiengesellschaft vollständig in den Händen eines Familien-Trusts, dessen Oberhaupt Michael Hilti ist, der 68-jährige Sohn eines der Firmengründer.

Der Trust ist so konstruiert, dass die acht Nachkommen der Gründer und ihre Partner gut von den Erträgen des Unternehmens leben können. Andererseits verhindert das Konstrukt, das Familienstreitigkeiten auf die Firma durchschlagen können. 2003 haben alle Familienmitglieder auf Erbansprüche verzichtet, sich gewissermaßen selbst enteignet. Dadurch sind Familie und Firma einerseits entkoppelt, andererseits garantieren die Eigentümer langfristige Stabilität. Das Eigenkapital der Hilti AG liegt bei mehr als 50 Prozent.

Aufgrund des starken Frankens ist der Umsatz in den vergangenen Monaten nur in Lokalwährungen gewachsen. In Schweizer Franken dagegen, womit auch in Liechtenstein bezahlt wird, gab der Umsatz leicht nach.

Die operativen Geschäfte führt seit Anfang 2014 erstmals ein Deutscher: Christoph Loos, 46. Der gebürtige Mannheimer hat bei Hilti Karriere gemacht. Wie alle Führungskräfte im Unternehmen wurde auch Loos als Kandidat für den Chefposten frühzeitig ausgesucht, entsprechend lange darauf vorbereitet und dafür aufgebaut.

Ein Job an der Konzernspitze ist keine Aufgabe bis ins klassische Rentenalter. Wie für alle Hilti-Topmanager wird auch für Loos spätestens mit Mitte fünfzig Schluss sein. Meist übernehmen Spitzenkräfte wie Loos im Anschluss an ihre Konzernkarriere Aufgaben in einer der Hilti-Stiftungen.

So hierarchisch es auf Baustellen in der Regel zugeht, so untypisch flach sind bei Hilti die Hierarchien. Überschaubare Teams arbeiten über Abteilungsgrenzen zusammen, Kritik an Vorgesetzten sei ausdrücklich erwünscht.

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