Hillerich & Bradsby:Für Profis geschnitzt

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Die kleine amerikanische Firma fertigt seit Jahrzehnten Baseballschläger, maßgeschneidert für die oft recht eigenwilligen Spieler. Das Geschäft läuft gut, aber die Margen werden immer kleiner.

Von Kathrin Werner, Louisville

Hier wird noch fast genauso geschreinert wie vor 100 Jahren. Sägespäne fliegen, es riecht nach frischem Holz. Stapelweise Ahorn, Esche und Birke lagert im Eingang der Fabrik in Louisville im US-Bundesstaat Kentucky und wartet auf den Zuschnitt. Noch sehen sie aus wie unscheinbare Stangen, bald wird aus ihnen ein uramerikanisches Produkt: Baseballschläger. Eine Drehmaschine schnitzt alle 30 Sekunden aus einer Stange einen Baseballschläger. Auf einer Schubkarre geht es weiter zum Lackieren. Die Farbe darf sich jeder Spieler selbst aussuchen, solange sie von der Baseball-Liga genehmigt ist. Ein frisch gestrichener Schläger hängt neben dem anderen und tropft vor sich hin.

Die Familienfirma Hillerich & Bradsby war einst nur eine kleine Schreinerei mitten in Louisville, gegründet von deutschen Einwanderern, die das alte Handwerk in die neue Welt brachten. Ende des 19. Jahrhunderts fertigten sie Treppengeländer und Butterfässer, bis Gründersohn und Lehrling Bud Hillerich bei einem Baseball-Spiel sah, wie der Starspieler der Mannschaft Louisville Eclipse seinen Schläger zerbrach. Er schnitzte ihm einen neuen - und mit dem brach der Spieler alle Rekorde. Plötzlich wollte das gesamte Team Schläger von Hillerich. Das Ganze sprach sich herum. 1894 patentierte die Familie den "Louisville Slugger", Slugger heißt Schläger. Das Unternehmen, stets geführt von der Eigentümerfamilie, ist seither eine amerikanische Ikone, Marktführer in der amerikanischsten aller Sportarten, genannt: The Old Ballgame. Rund zwei Drittel aller Profis spielen mit Schlägern aus Louisville. Die Firma hat mehr als 100 Millionen Stück verkauft. Wer Baseball kennt, kennt Louisville Slugger.

1894 patentierte das Unternehmen den "Louisville Slugger"

Doch nach Jahrzehnten des Aufstiegs merkten auch andere, größere Firmen, dass sich mit Baseballschlägern Geld verdienen lässt. Die Marktwirtschaft eroberte die Branche und damit auch die alte Schreinerei in Louisville. Die Konkurrenten wuchsen, Hillerich & Bradsby schrumpfte - so ging es irgendwann nicht mehr weiter. Statt aufzugeben und Insolvenz anzumelden oder die Firma komplett zu verkaufen, hat die inzwischen fünfte Generation einen Kompromiss gefunden. Das Familienunternehmen hat im vergangenen Jahr die Markenrechte verkauft, sie gehören jetzt der Sportfirma Wilson, die für Tennis-Schläger und Bälle verschiedener Sportarten bekannt ist. Wilson, Hauptsitz in Chicago, gehört zu Amer Sports, einem finnischen Sportkonzern. 70 Millionen Dollar hat Amer für die Marke Louisville Slugger bezahlt.

Die Fabrik allerdings durfte Hillerich & Bradsby behalten, sie stellt weiter die Schläger her, nur eben nicht mehr für sich selbst, sondern für den internationalen Großkonzern. Die Familie hat noch immer weitgehend das Sagen zwischen den Sägespänen und Drehmaschinen. Mehr als 100 Mitarbeiter haben ihre Jobs verloren, allerdings alle in der Verwaltung und niemand aus der Fabrik. Jetzt arbeiten noch etwa 150 Menschen für Louisville Slugger. Es war ein schmerzhafter Prozess für das alte Unternehmen, aber er habe sich gelohnt, es habe keine andere Möglichkeit mehr gegeben, sagt John Hillerich der Vierte, der Chef der Firma. "Wir mussten eine sehr schwere Entscheidung treffen. Und es war uns lieber, wenn es mit der Marke weiter geht und sie einem anderen gehört, als sie in der Familie zu behalten und sie dabei möglicherweise in Gefahr zu bringen." Und so drehen und schleifen die Mitarbeiter weiter an den Holzstangen. Gerade schnitzt die Maschine neue Schläger für Daniel Murphy von den Washington Nationals. Über Jahrzehnte zielte jeder Baseball-Spieler, der etwas auf sich hielt, mit Holzschlägern aus Louisville auf die fliegenden Bälle: Babe Ruth, Jackie Robinson, Lou Gehrig, all die Legenden, die in den Vereinigten Staaten jedes Kind kennt. Die Baseballschläger sind alle spezialgefertigt, jeder Profispieler kann seine Wünsche an die Schreiner melden und bekommt seinen Privatschläger. Mit ihnen ist oft eine Menge Aberglaube verbunden. Die Baseball-Legende Babe Ruth zum Beispiel schnitzte in seinen Sieger-Schläger aus der Saison 1927 nach jedem Home Run eine Kerbe, der Louisville Slugger hat 60 Kerben. Das war ein Home-Run-Rekord.

Hillerich & Bradsby hat eigene Wälder in Pennsylvania und New York, weil es sich nicht darauf verlassen will, gutes Holz von anderen Wäldern einkaufen zu können. Die Spieler haben genau Vorlieben, wie dick der Knauf ist und welches Holz sie bevorzugen. Ahorn ist am teuersten: 90 Dollar pro Schläger. Die Profis bestellen meist gleich ein Dutzend. Pro Saison brauchen sie mehr als 100 Schläger. Doch selbst mit einer hochspeziellen Holzstange lässt sich keine hohe Marge verdienen.

Die Jüngeren entscheiden sich immer öfter für Aluminium oder Karbon

In den vergangenen Jahren wurde es immer schwerer für das Familienunternehmen, mit den Rivalen mitzuhalten, die zu großen Konglomeraten gehören und sich Geld am Aktienmarkt oder bei Finanzinvestoren besorgten. Das war besonders schwierig, weil jüngere Spieler, die noch keine Profis sind, sich statt für Holzschläger immer öfter für Schläger aus Aluminium oder Karbon entschieden. Louisville Slugger hat ebenfalls angefangen, Alu-Schläger herzustellen. Um in dem neuen Markt mitzuhalten, hätte die Firma aber noch mehr investieren müssen. Seit das Großunternehmen Wilson die Firma übernommen hat, gehe es wieder bergauf, sagt ein Unternehmenssprecher - Finanzzahlen nennt er nicht.

Wilson hat mehr Geld als die Hillerich-Familie, um es in die Technik und das Marketing zu stecken. Das Unternehmen verkauft bereits Baseball-Handschuhe, gerade hat sie eine andere Baseball-Firma gekauft, die Handgelenkschützer herstellt. Zusammen lassen sich solche Produkte besser vermarkten. Und in Louisville hat Wilson in Forschung investiert, nun gibt es zum Beispiel eine neue Beschichtung, die Schläger doppelt so hart macht wie die alte. Am hinteren Ende der Fabrik spritzt ein Arbeiter die durchsichtige Schicht gerade auf einen der Schläger auf. Er nimmt ihn vom Haken, hält ihn in der Hand und wartet geduldig, bis er nicht mehr tropft. "Wir machen noch viel mit der Hand", sagt er. "Fast wie damals vor 132 Jahren."

© SZ vom 28.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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