Hertie in Not:"Da bleibt nicht mehr viel übrig"

Hertie hat viele Probleme: Führungswechsel, unzufriedene Mitarbeiter, Jobabbau - und nun steckt auch noch der Eigentümer Dawnay Day in der Krise: Droht der Kaufhauskette Hertie das Aus?

Tobias Dorfer

Von den negativen Schlagzeilen der vergangenen Tage ist in den meisten Hertie-Filialen nicht viel zu merken. Einmal lockt die Warenhauskette konsumfreudige Kunden mit radikalen Preisnachlässen. Bis zu 70 Prozent Rabatt, so verspricht Hertie, gibt es in diesen Tagen auf Teile des Sortiments. In den Filialen dominiert ein fröhlicher roter Farbton und auch der Firmenslogan versprüht grenzenlosen Optimismus: "Zum Glück gibt es Hertie", heißt es in den Warenhäusern. Die Frage ist nur: Wie lange gibt es Hertie noch?

Hertie in Not: Hertie-Verkäuferin in Berlin: Personal wurde "massiv ausgedünnt".

Hertie-Verkäuferin in Berlin: Personal wurde "massiv ausgedünnt".

(Foto: Foto: dpa)

Mit großen Ambitionen war die Handelskette gestartet. Im Gepäck die ehemaligen Karstadt-Warenhäuser, die Arcandor-Chef Thomas Middelhoff nicht mehr ertragreich genug waren. Mit einem neuen Konzept, regionalen Produkten und dem traditionsreichen Namen Hertie sollten die bislang unter Karstadt-Kompakt firmierenden Kaufhäuser wieder Ertrag abwerfen. So dachte es sich zumindest der britische Investor Dawnay Day.

Protest von Mitarbeitern

Die Realität sieht heute freilich anders aus. Die angekündigten Investitionen lassen weiter auf sich warten. Stattdessen wird gespart. Am Personal vor allem. Die Gruppe "Aktive Hertie-Beschäftigte NRW" klagt, die Belegschaft sei an jedem Standort mittlerweile um 20 bis 30 Prozent geschrumpft.

Im Februar versammelten sich die Mitarbeiter der Filiale in Essen-Borbeck vor dem Kaufhaus. Auf ihren Flyern war zu lesen: "Jetzt bei Hertie keine 30 Prozent Rabatt auf Bekleidung - sondern 30 Prozent Personalabbau."

Zudem machen die häufigen Führungswechsel dem Unternehmen zu schaffen. Im Februar musste Geschäftsführer Kay Hafner gehen. Auch der für Verkauf und Marketing zuständige Geschäftsführer Claus Cord Ernst hat das Unternehmen inzwischen verlassen. "Einvernehmlich", sagte ein Hertie-Sprecher.

Im Juni dann ging nach zwei Monaten der Marketingleiter Udo Titze. Zuvor war die Stelle monatelang unbesetzt, meldet das Branchenblatt Werben und Verkaufen.

Stütze könnte wegbrechen

Nun droht dem Traditionshaus der Supergau: Der Investor Dawnay Day, der Hauptgesellschafter von Hertie, hat erhebliche finanzielle Probleme. "Wenn es zu einem Kollaps von Dawnay Day kommt, wird es für Hertie eng", sagte ein früherer Hertie-Manager dem Handelsblatt.

Die Briten seien dann nicht mehr in der Lage, die verlustreiche deutsche Beteiligung weiter zu stützen. So wies Hertie im Jahr 2006 einen Fehlbetrag von 33 Millionen Euro aus - bei einem Eigenkapital von nicht einmal mehr zehn Millionen Euro, wie es weiter heißt.

Im darauffolgenden Geschäftsjahr habe Hertie erneut ein Minus von 30 Millionen Euro eingefahren, heißt es in Branchenkreisen. Und das bei sinkenden Umsätzen, die nach Informationen des Branchendienstes Creditreform um 5,2 Prozent auf 540 Millionen Euro zurückgegangen seien. Hertie wollte sich zu diesen Zahlen nicht äußern und erklärte, noch auf die Veröffentlichung des Jahresabschlusses zu warten.

Seitdem wird wild über die Situation der angeschlagenen Warenhausgruppe diskutiert: Laut Handelsblatt liefert der Bielefelder Modegroßhändler Katag nur noch gegen Bankgarantie Ware an Hertie aus. Europas größter Lebensmittelgroßhändler Lekkerland berichte, der Kreditversicherer Euler Hermes gewähre ab August keine Ausfallgarantien mehr für Hertie-Lieferungen.

Wilde Spekulationen sind zu hören. So gab ein westdeutscher Unternehmer sogar an, ihm sei Hertie zum Kauf angeboten worden. Auch von einem internationalen Makler ist offenbar zu hören, Hertie gehöre zu den deutschen Kaufhausketten, die gerade im Markt angeboten würden.

"Massiver Personalabbau"

Auf den Internetseiten der Handelskette ist von derlei Ärger allerdings nichts zu spüren. Dort ist weiterhin von "sensationellen Schnäppchen" die Rede, die letzte Pressemitteilung stammt aus dem Februar 2008. Dort feiert Hertie die Fertigstellung der neuen Unternehmenszentrale in Essen-Kettwig. Vom Modernisierungsprogramm ist die Rede und von neuen Rabattaktionen.

Georg Wäsler, Handelsexperte der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, glaubt an solche Versprechen nicht mehr. Auch Wäsler klagt, Personal und Warensortiment seien bei Hertie stark ausgedünnt. Von "massivem Personalabbau" spricht der Gewerkschaftsmann und befürchtet: "Da bleibt nicht mehr viel von übrig."

Die Angestellten von Hertie möchten nichts sagen, dort wartet man erst einmal ab. Die 4100 Mitarbeiter der Warenhauskette seien am Donnerstag offiziell über die Schieflage des Londoner Finanzinvestors informiert worden, berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf den Gesamtbetriebsrat.

Verdi-Mann Wäsler sieht für die Zukunft von Hertie schwarz. "Ich glaube, dass das nicht mehr lange weitergehen wird."

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