Herrenklub in Frankfurt:Frauen müssen draußen bleiben

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Wer es in die "Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft" geschafft hat, gehört zum "Who is Who". Doch Frauen ist der Zugang zum noblen Herrenklub verschlossen. In einer Abstimmung haben die Mitglieder bestimmt, dass das auch so bleibt.

Harald Freiberger und Andrea Rexer, Frankfurt

Vergleichbare Vereine in Hamburg, Bremen oder Düsseldorf haben den Schritt zur Öffnung längst vollzogen. Die Frankfurter und Münchner Herrenklubs sind noch richtig männlich. (Foto: dpa)

Villa Bonn in der Frankfurter Siesmayerstraße: ein Gebäude wie aus einer anderen Zeit. Das großbürgerliche Palais wird dominiert von Kronleuchtern, dicken Teppichen, alten Gemälden und Hirschgeweihen. "Wie der Mann vom Manne im Gespräch erlernt . . ." - diese Worte sollen auf einer der Wände ein wichtiges Prinzip des Klubs festhalten: Männer sind hier unter sich.

So war das immer bei der "Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft", der die Villa Bonn gehört. Der noble Herrenklub wurde 1919 gegründet, sein Ziel ist es, die Führungspersönlichkeiten der Stadt zum regelmäßigen Meinungsaustausch zusammenzubringen. Und Führungspersönlichkeiten, das waren halt immer Männer. Deshalb dürfen nur sie Mitglied werden.

Am 31. Oktober, dem Reformationstag, sollte sich das ändern. Auf Initiative des Präsidiums kam es in der Villa Bonn zur Abstimmung: 187 der rund 600 Klubmitglieder erschienen, 128 sprachen sich für eine Öffnung aus. Das sind zwar 62 Prozent - aber für eine Satzungsänderung ist eine Dreiviertelmehrheit nötig. So bleibt es dabei: Frauen müssen bei der Frankfurter Gesellschaft draußen bleiben.

Vielen Beteiligten ist das Ergebnis peinlich

Die Abstimmung ist jetzt zwei Wochen her, die Unruhe darüber hat sich in der Stadt aber noch immer nicht gelegt. Dass die EU-Kommission ausgerechnet an diesem Mittwoch eine europaweite Frauenquote für Aufsichtsräte durchsetzte, lässt die Entscheidung der elitären Frankfurter Herren noch bizarrer erscheinen. Vielen der Beteiligten ist das Ergebnis peinlich, deshalb mag sich auch niemand mit Namen zitieren lassen.

"Frankfurt ist eine der rührigsten Wirtschaftsmetropolen Deutschlands, die internationalste sowieso, und dann solch ein rückwärtsgewandtes Signal", sagt einer der Befürworter einer Öffnung. "Wir werden an diesem Ergebnis lange zu knabbern haben." Allen sei klar, "dass die Reputation des Klubs angekratzt ist". Schließlich hätten vergleichbare Vereine in Hamburg, Bremen oder Düsseldorf den Schritt längst vollzogen. Nur der Münchner Herrenklub ist ebenfalls noch richtig männlich.

Schon gibt es Gerüchte, dass renommierte Frankfurter Persönlichkeiten wegen des Wahlergebnisses ausgetreten sind oder austreten wollen. Der neue amerikanische Generalkonsul in Frankfurt, Kevin C. Milas, dem der Klub die Mitgliedschaft angetragen hat, soll signalisiert haben, er könne einem Verein nicht beitreten, der keine Frauen aufnimmt; er bekomme da ein Problem mit den scharfen Anti-Diskriminierungs-Gesetzen in seinem Heimatland.

Die Mitgliedsliste der Frankfurter Gesellschaft liest sich wie ein "Who is who" der Stadt: Lufthansa-Chef Christoph Franz, Ex-Deutsche-Bank Chef Rolf Breuer, Commerzbank-Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller, Commerzbank-Chef Martin Blessing, Privatbankier Friedrich von Metzler, Städel-Chef Max Hollein, Ex-FAZ-Herausgeber Jürgen Jeske (der aktuelle Präsident), Universitätsprofessoren, Museumsdirektoren, Behördenchefs - wer eine Spitzenposition erklimmt, wird eingeladen, Mitglied zu werden.

Der Jahresbeitrag richtet sich nach dem Einkommen, er fängt im niedrigen dreistelligen Bereich an und hört im niedrigen vierstelligen Bereich auf. Einmal im Monat hält ein prominenter Gast einen Vortrag. Da dürfen dann auch ab und zu Frauen auftreten. So war Kanzlerin Angela Merkel schon einmal da. Nach dem Vortrag gibt es ein Drei-Gänge-Menu, anschließend Diskussion. Spätestens um 22 Uhr ist Schluss. Man ist ja keine 70 mehr.

Als Petra Roth 1995 Oberbürgermeisterin der Stadt wurde, entbrannte eine Diskussion, ob man den höchsten Vertreter der Stadt aus dem Klub aussperren könne. Die Antwort war: nein. Der damalige Präsident behalf sich damit, dass er für bestimmte Positionen Ausnahmen zuließ. Was Petra Roth zu dem berühmt gewordenen Spruch veranlasste: "Ich bin hier das einzige Mitglied ohne Glied."

"Eine Riege von schon sehr engstirnigen, hinterwäldlerischen Männern"

Vor sechs Jahren kam das Thema erneut auf die Tagesordnung, aber zwei Drittel der Mitglieder stimmten gegen eine Öffnung. Nun wollten es Präsidium und Beirat erneut versuchen. Nur eines der 30 Gremienmitglieder sprach sich dagegen aus. Anfang Oktober gab es auf einem Klubabend eine lange Diskussion, bei der sich vor allem die Befürworter meldeten. Ihr Argument: Man könne sich der gesellschaftlichen Entwicklung nicht verschließen.

In Frankfurt werden schon eine Reihe von Institutionen von Frauen geführt: die Volksbank (Eva Wunsch-Weber), das Filmmuseum (Claudia Dillmann), das Museum für Moderne Kunst (Susanne Gaensheimer), die Anwaltskanzleien Baker & McKenzie (Constanze Ulmer-Eilfort) und Clifford Chance (Daniela Weber-Rey). Und auch Bundesbank-Vizechefin Sabine Lautenschläger wäre wohl eine Kandidatin.

"Es gibt eine Riege von schon sehr engstirnigen, hinterwäldlerischen Männern, die die Zeit verschlafen haben", sagt ein Mitglied. Die Gegner halten sich bedeckt, kaum einer will seine Meinung offen kundtun. Man raunte sich zu, dass Vertraulichkeit gewahrt werden müsse, wenn sich alte Freunde treffen, man könne nicht jedem Zeitgeistthema hinterherlaufen.

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Erstaunlich aber ist, dass auch eine beachtliche Anzahl Jüngerer, das heißt 40- bis 50-Jähriger, gegen eine Öffnung für Frauen stimmten. "Die wollen unter sich bleiben, weil sie den Wettbewerb von tüchtigen Frauen spüren", vermutet einer der Befürworter. Schließlich sei es bei vielen Firmen schon so, dass bei gleicher Qualifikation die Frau für eine Führungsposition genommen werde. Headhunter müssten teils schon ein Drittel der Bewerber mit Frauen besetzen.

Dabei ist es keineswegs so, dass die Frankfurter Gesellschaft nichts auf Frauen hält. Im Gegenteil. Viele Männer kommen zu den monatlichen Treffen in weiblicher Begleitung. Mit der Gattin, versteht sich. Und insgeheim sind es diese, die den Laden am Laufen halten: "Oft sind es die Gattinnen, die den Anstoß geben, mal wieder bei einer Versammlung vorbeizuschauen", gibt ein Mitglied offen zu.

In der Villa Bonn treffen sich zudem sogar regelmäßig berufstätige Frauen, allerdings zu anderen Uhrzeiten als die Männer. "Wir sind eine Art Parallelveranstaltung", sagt Karin Tanz, Sprecherin des Frauennetzwerks Zonta. Der Damenklub habe gar nicht erst versucht, Eintritt zur Männergesellschaft zu bekommen, erklärt sie. Stattdessen gründeten berufstätige Frauen vor knapp 50 Jahren ihren eigenen Klub im Rahmen von Zonta International - in dem Männern die Mitgliedschaft verwehrt bleibt.

Kontakt zur Frankfurter Gesellschaft gebe es nicht. "Wir sind nur Gäste in der Villa Bonn", sagt die Zonta-Sprecherin. Es gibt einige Parallelen: Beide Klubs sprechen bei ihren Treffen über politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen, und beide Klubs legen Wert darauf, dass ihre Mitglieder Karriere gemacht haben. "Wir legen Wert darauf, dass die Frauen einen interessanten Lebenslauf haben, wenn sie Mitglied werden wollen. Bei der Aufnahme in den Klub spielt die aktuelle Position eine wichtige Rolle", sagt Tanz.

"Diskriminierung per Visitenkarte"

Auch bei den Männern ist das ein entscheidendes Kriterium. "Das ist Diskriminierung per Visitenkarte", sagt ein Mitglied. Wer eine gewisse Position erreicht, wird fast automatisch Mitglied. "Zwangsmitgliedschaft" nennt das der Kritiker. Einfache Angestellte hingegen hätten keine Chance, in dem Herrenklub aufgenommen zu werden. Der Altersdurchschnitt ist hoch.

"Bei den Treffen tauchen überwiegend Pensionäre auf, als aktiver Manager hat man schlicht zu wenig Zeit, sich schon um 18 Uhr bei einem solchen Treffen einzufinden", schildert ein Mitglied. Es schätzt den Anteil der Pensionäre bei den Treffen auf über 70 Prozent.

Wie geht es bei der Frankfurter Gesellschaft weiter? "Man muss das Ergebnis akzeptieren, schließlich ist es auf demokratische Weise zustande gekommen", sagt einer der Frauenfreunde. Andererseits aber sei klar, dass das Thema wieder auf die Tagesordnung komme. Noch nicht nächstes Jahr, da steht erst ein Wechsel im Präsidium an, aber danach. "Wir haben den Gegnern gesagt, dass sie die Entwicklung nur verzögern, aber nicht aufhalten können", sagt das Mitglied. "Entweder wir lösen das, oder wir gehen auf lange Sicht unter."

© SZ vom 16.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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