Hennes & Mauritz:Die japanische Schlange

Anstehen für den Konsumrausch: In Tokio eröffnet der schwedische Klamotten-Discounter H&M seine erste Japan-Filiale - mit einem ausgeklügelten Spektakel.

Christoph Neidhart, Tokio

Mensch an Mensch an Mensch: Über einen Kilometer lang ist die Schlange der Wartenden an diesem Samstagvormittag. Von der Ginza westwärts, fünf Blocks nach Süden, nach Osten bis zum Kabuki-Theater zurück nach Norden. Auffällig: Fast ausschließlich junge Mädchen stehen an um dabei zu sein, wenn Hennes & Mauritz aus Schweden (H&M) die drittgrößte Kleiderkette der Welt, die erste Filiale in Japan eröffnet. Wachleute halten die Querstraßen frei, H&M-Mitarbeiter in entsprechenden H&M-T-Shirts verteilen schwarze Schirme, auf denen in roter Schrift "H&M, my new favourite store" steht. Die Wartenden nutzen die Geschenke gegen die knallende Septembersonne. Über den Köpfen kreist der Hubschrauber eines TV-Senders - alles ist perfekt inszeniert.

Hennes & Mauritz: Konsum pur: Etliche Kundinnen wollten den H&M-Start in Japan nicht verpassen.

Konsum pur: Etliche Kundinnen wollten den H&M-Start in Japan nicht verpassen.

(Foto: Foto: AP)

Luxus-Nachbarschaft

Die Ginza ist die edelste Einkaufsstraße Japans. Und eine der teuersten der Welt. H&Ms Nachbarn sind die Edel-Schreibgeräte-Marke Montblanc, die Modeketten Lanvin, Prada und das Nicolas-Hayek-Center. Gegenüber des schlanken neuen Baus, den Rippen überziehen wie die Struktur eines Blattes, befindet sich die Luxus-Uhrenmarke Audemars Piguet. Diese Nachbarschaft verleiht H&M einen Hauch von Luxus; der Laden ist zudem edler gestaltet als H&M-Geschäfte in Europa.

Dennoch, so die Start-Werbung, will H&M auch in Japan mit Billigpreisen überzeugen. Im November wird H&M im Modeviertel Harajuku die zweite Filiale eröffnen, und im kommenden Jahr ein drittes im Jugend-Unterhaltungsbezirk Shibuya.

Zur neuen Nachbarschaft von H&M gehört auch Zara, die Kette das spanischen Konzerns Inditex, der noch größer ist als H&M. Inditex - mit bereits 34 Filialen in Japan vertreten - hat bereits angekündigt, beim Ausbau der Kette in Nippon an Tempo zuzulegen.

H&M drängt in einen engen, derzeit schrumpfenden Markt für modische, aber billige Klamotten, den Uniqlo - die japanische Antwort auf Benetton - und die US-Kette Gap besetzen. Uniqlo und Gap produzieren wie H&M selber, um den Zwischenhandel auszuschalten.

Lesen Sie weiter: Warum der Erfolg in Japan nicht sicher ist.

Die japanische Schlange

Exotisches Flair soll helfen

Hennes & Mauritz: Da geht's lang: Sicherheitskräfte weisen den Kunden den Weg.

Da geht's lang: Sicherheitskräfte weisen den Kunden den Weg.

(Foto: Foto: AFP)

Die Schweden versuchen sich in Japan als modebewusster, origineller, aber ebenso billig wie die direkten Wettebewerber zu positionieren. Zu Beginn wird der Hauch des Europäischen helfen, also des Exotischen, zumal bei jungen Frauen, an die sich die Filiale auf der Ginza richtet. Aber angesichts nachlassender Umsätze stellen sich auch die Kaufhausketten immer mehr auf junge ledige Frauen ein. Gefragt sind vor allem Kundinnen, die noch bei ihren Eltern wohnen - das ist die Bevölkerungsgruppe in Japan, die am meisten Geld ausgibt. Und zwar trotz lahmender Wirtschaft stetig mehr.

Wer in Japan erfolgreich bekannt werden will, schafft einen sogenannten Event. Das ist H&M mit der spektakulären Eröffnung gelungen. Damit haben sich die Schweden auch reichlich Medienpräsenz gesichert. Auch Online war H&M in den vergangenen Tagen mit Werbung sehr präsent, etwa auf der Startseite des Internetportals Yahoo und mit einer Website auf Fashion-TV. Dazu gibt es eine Mobil-Telefon-Website für MIPs ("mobile important persons") - auf dem Handy kann nicht nur die aktuelle Herbstmode betrachtet werden, sondern auch Blogs von H&M-Mitarbeiter gelesen und Fashion-TV geschaut werden. Die Kette versucht mit allen Mitteln, cool zu sein. Und "oshare" - was übersetzt "modisch süß" heißt. Zudem soll die Modeschöpferin Rei Kawakubo, die Gründerin der japanischen Marke Comme des Garçons, eine spezielle Linie für die japanischen H&M-Läden schaffen.

Trotz des großen Aufwands ist es keineswegs garantiert, dass H&M in Japan Erfolg haben wird. Die Marke war in Japan bis vor kurzem unbekannt. In den vergangenen Jahren haben sich mehrere westliche Einzelhandelsketten enttäuscht aus Japan zurückgezogen, zum Beispiel das französische Kaufhaus Carrefour. Auch Ikea scheiterte beim ersten Anlauf in den neunziger Jahren; erst vor zwei Jahren hat sich das Möbelhaus etablieren können. Bei H&M gibt es schon Überlegungen, wie der Konzern auf jeden Fall in Japan Fuß fassen könnte: Er könne sich vorstellen, dass H&M sich in eine bestehende Kette in Japan einkauft, sagte H&M-Chef Rolf Eriksen.

Nur eine Stunde nach Ladenöffnung ist die Schlange der Wartenden noch länger, ihr Ende hat beinahe die Ginza wieder erreicht. Der Laden ist rappelvoll, die Wächter lassen nur kleine Gruppen ein. Bei diesem Tempo dürften viele Menschen in der Schlange bis Samstagabend den H&M-Laden noch nicht einmal von außen gesehen haben.

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