Heiner Geißler im Interview:"Bahn muss verhandlungswürdiges Angebot machen"

Der CDU-Politiker Heiner Geißler vermittelt im Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL. Bisher, so Geißler im Interview, fehlt ein wesentliches Element - der eigenständige Tarifvertrag.

Detlef Esslinger

Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, 77, hat im August zusammen mit seinem Parteikollegen, Sachsens früherem Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, Verhandlungen zwischen der Bahn und der GDL moderiert. Tarifrunden kennt er auch als Schlichter in der Baubranche und bei der Telekom.

Heiner Geißler im Interview: CDU-Politiker Heiner Geißler vermittelt im Tarifkonflikt der Bahn

CDU-Politiker Heiner Geißler vermittelt im Tarifkonflikt der Bahn

(Foto: Foto: AP)

SZ: Wer ist in dem Konflikt am Zug?

Geißler: Die Bahn sollte ein Angebot machen, über das die GDL auch wirklich verhandeln kann. Es geht ja nicht darum, dass miteinander geredet, sondern dass über etwas Verhandlungswürdiges verhandelt wird. Denn damit begänne ja auch die Friedenspflicht.

SZ: Teilen Sie die Bewertung der GDL, dass das bisherige Angebot der Bahn, Überstunden auszuzahlen, bezahlte Mehrarbeit von zwei Stunden pro Woche, nicht verhandlungsfähig ist?

Geißler: Es ist für die GDL nicht akzeptabel, weil aus ihrer Sicht ein wesentliches Element fehlt: der eigenständige Tarifvertrag.

SZ: War das Moderationsergebnis so kompliziert, dass jede Seite es interpretieren konnte, wie sie es brauchte?

Geißler: Es war nicht so kompliziert, aber auch nicht so einfach, auf jeden Fall etwas Neues. An jede Innovation muss man sich erst mal gewöhnen. Aber alle haben unterschrieben.

SZ: Die GDL will definitiv mehr als jene 4,5 Prozent, die die Bahn mit den beiden anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA vereinbart hat. Damit aber wäre ein Abschluss mit ihr eben nicht mehr "konflikt- und widerspruchsfrei" zu diesem anderen Tarifvertrag. Genau das verlangt aber Ihr Moderationsvorschlag.

Geißler: Ein Tarifvertrag ist das eine, sein Inhalt das andere. Deshalb wurde ja vereinbart, dass die drei Gewerkschaften miteinander kooperieren. Es geht dabei aber nicht nur um Prozente, sondern auch um Entgelt-Strukturen.

SZ: Das heißt: Transnet und GDBA müssen einem Tarifvertrag zwischen GDL und Bahn zustimmen?

Geißler: Nein. Die Kooperation der Gewerkschaften hat das Ziel, zu einem konflikt- und widerspruchsfreien Ergebnis zu kommen. Dies ist aber kein Muss. Es darf kein gegenseitiges Hochschaukeln von Forderungen geben.

SZ: Derzeit scheint es nicht mehr um eine rationale Lösung zu gehen, sondern um Rechthaberei.

Geißler: Das finde ich nicht. Es handelt sich hier um ein neues und schwergewichtiges Problem. Deswegen ist verständlich, dass Streit entsteht.

SZ: Jeder Streiktag kostet mehr Geld, als jede Lösung auch nach zehn Jahren kosten würde.

Geißler: Das ist bei vielen Streiks so.

SZ: Was halten Sie davon, die Lokführer in eine separate Gesellschaft auszugliedern?

Geißler: Man darf solche Lösungen nicht von vornherein ausschließen. Der Vorschlag von Kurt Biedenkopf und mir ist aber ein Prototyp, der auch für künftige Fälle dienen kann, ohne dass ein Unternehmen zerschlagen werden muss.

SZ: Die Justiz hat der GDL die Streiks unter anderem mit der Begründung erlaubt, man könne ihr nicht per se Unverhältnismäßigkeit vorwerfen. Wenn es jetzt zu unbefristeten Streiks käme, wären diese dann unverhältnismäßig?

Geißler: Was wäre, wenn, das hilft jetzt nicht weiter. Wäre die Katze ein Pferd, könnte man die Bäume hochreiten.

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