Hartz-IV-Zuverdienst: Neuregelung:Frechheit in Häppchen

Eine Koalitionsrunde heckt eine Reform der Zuverdienst-Möglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger aus - doch kaum jemand profitiert davon. Es entsteht ein fataler Eindruck.

Johannes Aumüller

Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als wende es sich für die Hartz-IV-Empfänger doch noch - wenn schon nicht zum Guten, dann doch wenigstens zum etwas Besseren. Denn nachdem Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) jenes nach Verhöhnung klingende Fünf-Euro-Plus verkündet hatte, gab es für die Hartz-IV-Bezieher zwei scheinbar gute Nachrichten. Erst kam heraus, dass sie sich wegen der Koppelung des Satzes an die Lohn- und Inflationsentwicklung im kommenden Jahr auf eine weitere Steigerung um fünf Euro freuen dürfen; und jetzt heckt eine Koalitionsrunde in einer nächtlichen Sitzung eine "Verbesserung der Zuverdienst-Möglichkeiten" aus.

Doch auf den zweiten Blick relativiert sich dieser Anschein schon wieder deutlich. Den "Nachschlag" erhalten nur die erwachsenen Hartz-IV-Empfänger, nicht die Kinder. Und die von der Koalition lange angekündigte Reform der Zuverdienst-Möglichkeiten ist ein mickriges Reförmchen geworden. Mehr nicht. Sie betrifft nur wenige und das auch nur minimal. Denn für alle, die bis zu 800 Euro im Monat zusätzlich verdienen (und das ist die große Mehrheit), ändert sich nichts: Die ersten 100 Euro bleiben in voller Höhe beim Hartz-IV-Empfänger, von den Zuverdiensten zwischen 100 und 800 Euro gehen 80 Prozent ab. Neu ist, dass für Zusatzeinkommen zwischen 800 und 1000 Euro nicht wie bisher 90 Prozent, sondern nur noch 80 Prozent verrechnet werden - und die Zuverdienste ab 1000 Euro komplett abgehen.

Im günstigsten Fall behalten erwerbstätige Hartz-IV-Empfänger folglich 20 Euro mehr, die meisten aber deutlich weniger - beziehungsweise gar nichts. Bei gerade mal 280 Euro liegt die Obergrenze für den Zuverdienst. Und das sollen also die "deutlichen Verbesserungen" sein, von denen im Koalitionsvertrag die Rede gewesen war? Es klingt schon wieder mehr nach Verhöhnung als nach Reform.

Ursprünglich war die Koalition, vor allem die FDP, mit ganz anderen Zielen angetreten. Sie wollte mehr und bessere Anreize schaffen, um mehr zu arbeiten - und fand dafür auch die Zustimmung von der Wirtschaft.

Doch dieser Ansatz hatte zwei Fehler. Zum einen vernachlässigte er einen systembedingten Nebeneffekt. Denn die Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes und der Zuverdienst-Möglichkeiten haben auch Folgen für Arbeitnehmer, die wenig verdienen. Die Gesamtsumme ergibt die Einkommensgrenze, bis zu der die sogenannten Aufstocker Anspruch auf Hartz IV haben, wenn ihr reguläres Einkommen zum Leben nicht reicht. Ökonomen hatten deswegen davor gewarnt, dass die Zahl der Menschen, die als hilfsbedürftig gelten, durch die geplanten Änderungen massiv anwachsen könnte.

Das zweite Problem war, damit einhergehend, die Einhaltung des sogenannten "Lohnabstandsgebots". Das sieht vor, dass Geringverdiener mit Vollzeitjob am Ende mehr Geld haben müssen als Hartz-IV-Empfänger, die sich etwas dazuverdienen. Doch das Lohnabstandgebot hätte bei zu großzügigen Zuverdienst-Möglichkeiten gebrochen werden können.

Aber das kann nicht das Argument sein, um Hartz-IV-Empfängern eine anständige Zuverdienst-Möglichkeit zu verweigern - sondern dieses Problem muss anders gelöst werden, Stichwort Mindestlohn. Nach dieser nächtlichen Runde jedenfalls bleibt der fatale Eindruck hängen, dass Hartz-IV-Empfänger und Geringverdiener gegeneinander ausgespielt werden.

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