Hartz IV:Arbeitsagentur will gleiche Strafen für Erwachsene und Jugendliche

Hartz-IV-Empfänger auf dem Weg zum Jobcenter.

Eine Filiale der Agentur für Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern

(Foto: dpa)
  • Die Bundesagentur für Arbeit hat 2017 etwas mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger ausgesprochen als im Jahr zuvor.
  • Kritik gibt es für die schärferen Vorschriften für Hartz-IV-Bezieher unter 25 Jahren - sie sollen den Sanktionen für Erwachsene angeglichen werden.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Sich als Hartz-IV-Empfänger vor Arbeit zu drücken, geht nicht. Wer gegen die Auflagen des Jobcenters verstößt und etwa Arbeits- und Ausbildungsangebote ablehnt oder bei Terminen mit dem Vermittler unentschuldigt fehlt, muss mit Sanktionen rechnen. Doch gerade die Sanktionen für jüngere Hartz-IV-Empfänger sind seit Jahren umstritten. Schon die frühere Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wollte schärfere Strafen für die unter 25-Jährigen abschaffen. Jetzt bekommt sie Unterstützung vom Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele.

Bislang kann das Jobcenter Hartz-IV-Empfängern unter 25 Jahren bereits bei der ersten Ablehnung eines zumutbaren Jobs die Auszahlung der staatlichen Grundsicherung für bis zu drei Monate streichen. Nur die Kosten der Unterkunft werden dann erstattet. Nach der zweiten Pflichtverletzung kann auch das wegfallen. Die möglichen Sanktionen sind damit deutlich härter als bei Hartz-IV-Empfängern über 25 Jahren.

Scheele, der früher in Hamburg für die SPD Sozialsenator war, hält von solchen drakonischen Strafen gar nichts: "Die Sanktionierung auf null finde ich nicht vernünftig", sagt er. Manche Jugendliche würden nach derart harten Sanktionen den Kontakt zum Jobcenter ganz abbrechen. Damit stünden sie aber auch nicht mehr für eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt oder für qualifizierende Maßnahmen zur Verfügung. Das könne niemand wollen.

Der BA-Chef spricht sich dafür aus, bei den Kosten der Unterkunft auf eine Sanktionierung gänzlich zu verzichten. Scheele gibt zu bedenken, dass es aufgrund der angespannten Wohnungsmärkte in vielen Städten "ausgesprochen schwer" sei, wieder eine Wohnung zu finden. "Drohende Wohnungslosigkeit hilft uns bei der Vermittlung und auch sonst nicht weiter", sagt er. Der BA-Chef empfiehlt stattdessen, die Sanktionspraxis zwischen Jugendlichen und Erwachsenen anzugleichen.

Die frühere Bundesarbeitsministerin Nahles, die jetzt SPD-Fraktionschefin im Bundestag ist, hatte bereits im Herbst 2014 geplant, die strengeren Regeln für jugendliche Bezieher der Grundsicherung abzuschaffen und das Sanktionsrecht zu vereinfachen. In einem Positionspapier des Ministeriums wurde ebenfalls davor gewarnt, dass Hartz-IV-Empfänger aufgrund von Sanktionen auf der Straße landen können. Nahles konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. Der Koalitionspartner CSU lehnte die Pläne kategorisch ab. CSU-Chef Horst Seehofer hatte erklärt: "Das Verwässern der Sanktionen bei Drückebergern wird die CSU verhindern."

"Die allermeisten Leistungsberechtigten halten sich an die gesetzlichen Spielregeln"

Auch einige Verfassungsrechtler kritisieren die schärferen Vorschriften für junge Hartz-IV-Bezieher. Sie sehen darin einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) empfiehlt ebenfalls, die verschärften Strafen für unter 25 Jahre alte Hartz-IV-Bezieher abzuschaffen. Das Leben der jungen Menschen könne dadurch sehr eingeschränkt werden, etwa durch "eine teils eingeschränkte Ernährung" oder "Zahlungsrückstände verbunden mit der Sperrung der Energieversorgung".

Die Zahl der Sanktionen gegen alle Hartz-IV-Empfänger ist 2017 leicht um 13 700 auf knapp 953 000 gestiegen. Die Sanktionsquote, also das Verhältnis von verhängten Sanktionen zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, lag stabil bei 3,1 Prozent. "Die allermeisten Leistungsberechtigten halten sich an die gesetzlichen Spielregeln. Nur ein ganz geringer Teil wird überhaupt sanktioniert", sagt der BA-Chef. Ein Großteil der Sanktionen, rund 77 Prozent, entfällt aber auf Meldeversäumnisse, wenn also etwa jemand einen Termin beim Jobcenter ohne Angaben eines wichtigen Grundes nicht wahrnimmt.

2017 mussten die Jobcenter bei 733 800 Menschen deswegen die Regelleistung um zehn Prozent senken. "Drei von vier Sanktionen entstehen schlicht deshalb, weil vereinbarte Termine im Jobcenter gar nicht erst wahrgenommen werden", sagt Scheele. Deshalb bieten die Jobcenter einen Termin-Erinnerungsservice per SMS an. Monatlich werden rund 400 000 dieser Nachrichten übermittelt - aber dafür muss man diesen Service auch erst einmal wollen.

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