Hartmut Mehdorn soll Air Berlin retten:Der Bahnchef kommt

Bahnchef und Mehdorn - diese beiden Worte schienen auf ewig miteinander verbunden zu sein. Doch nun hat Hartmut Mehdorn eine neue schwere Aufgabe: Er soll als Nachfolger von Joachim Hunold die kriselnde Fluggesellschaft Air Berlin sanieren. Dieser Job passt eigentlich viel besser zu ihm als die Tätigkeit bei der Bahn.

Johannes Aumüller

Bisweilen prägt eine Person ein Amt so sehr, dass die Amtsbezeichnung im allgemeinen Sprachgebrauch gleichsam als Vorname der Person wirkt. Bei Fifa-Präsident Blatter ist das so, bei Deutsche-Bank-Boss Ackermann - und auch bei Bahnchef Mehdorn. Der schien mit seiner Funktion so eng verschmolzen, dass ihn manche Menschen immer noch für den Bahnchef halten, obwohl er dieses Amt schon vor zwei Jahren an Rüdiger Grube übergeben hat.

Mehdorn wird Interimsnachfolger von Air-Berlin-Vorstandschef Hunold

Der frühere Bahn-Boss Hartmut Mehdorn (im Bild) wird Interimsnachfolger von Air-Berlin-Vorstandschef Joachim Hunold.

(Foto: dapd)

Doch spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Konstellation "Bahnchef Mehdorn", der übrigens mit richtigem Vornamen Hartmut heißt, aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwinden sollte. Der 69-Jährige soll künftig als Nachfolger des am Donnerstag überraschend zurückgetretenen Joachim Hunold die Fluggesellschaft Air Berlin führen - zumindest vorübergehend.

Die Gründe für diesen Schritt, auf den der Aktienkurs zunächst mit einem Plus von 4,4 Prozent reagierte, ehe er deutlich ins Minus drehte, sind eindeutig. Das Unternehmen, das Hunold Anfang der neunziger Jahre gegründet hatte, um einen Konkurrenten zur Lufthansa aufzubauen, steckt in einer tiefen Krise. Nach diversen Expansionen und dem Gang an die Börse ist Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft gerade mit etwa 600 Millionen Euro verschuldet - Schuld sind nach Unternehmensdarstellung unter anderem der hohe Ölpreis, die neue Luftverkehrssteuer und die Unruhen in Nordafrika.

Ein harter Sanierungskurs ist jedenfalls unabdingbar, wie Hunold selbst bei seinem Abschiedsauftritt schon deutlich machte. Unrentable Verbindungen wie von Frankfurt nach Hamburg oder von Stuttgart nach Sankt Petersburg sollen wegfallen. In erster Linie betreffen die Pläne für das Sparprogramm aber kleinere Flughäfen wie Münster/Osnabrück, Köln/Bonn oder Paderborn, von denen künftig weniger Maschinen starten. Erfurt fällt komplett aus dem Streckennetz. Stattdessen möchte sich Air Berlin auf stark frequentierte Strecken und seine vier europäischen Drehkreuze Berlin, Düsseldorf, Wien und Palma de Mallorca konzentrieren.

Gleichzeitig wird die Flotte um acht Flugzeuge verkleinert. Damit will die Airline ihre geplanten Kapazitäten um fünf Prozent reduzieren: 2012 sollen gut 16.000 Flüge und 2,2 Millionen Sitzplätze wegfallen.

Doch ausführen will beziehungsweise soll Hunold diese Sanierungsschritte nicht mehr. Das ist nun Sache von Hunolds altem Freund Mehdorn, der bereits jetzt dem Board of Directors von Air Berlin angehört.

Mehdorn und das Fliegen - das passt

Mehdorn und das Fliegen - für diejenigen Beobachter, die nur an die vergangenen Jahre denken, klingt das nach einer eigenartigen Konstellation. War er als Bahnchef nicht so etwas wie ein natürlicher Gegenspieler von Air Berlin? Buhlten die beiden Unternehmen nicht letztlich um dieselben Kunden?

Das stimmt, doch tatsächlich ist es für Mehdorn eine Rückkehr zu seinen Anfängen, manche werten es gar als die Erfüllung eines Traumes. "Ich wollte Pilot werden, ich war früh vom Fliegen fasziniert", sagte Mehdorn einmal. Als Kind sei er in seiner Heimatstadt Berlin oft zum Flughafen Tegel geradelt, um Starts und Landungen zu beobachten.

Und nach dem Abschluss seines Studiums begann Mehdorn nicht direkt als Bahnchef, sondern als Planungsingenieur bei den Vereinigten Flugtechnischen Werken in Bremen. Dort arbeitete er sich hoch, war später unter anderem Produktionsvorstand bei Airbus in Toulouse, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Airbus GmbH und Vorstandsmitglied der Deutschen Aerospace AG (Dasa) - einer Vorläufergesellschaft des heutigen EADS-Luftfahrtkonzerns.

Erst 1995 endete die Zeit des bekennenden Frankophilen in der Luft- und Raumfahrtindustrie fürs Erste. Über Stationen bei der Heidelberger Druckmaschinen AG und RWE kam er 1999 zur Bahn, wo er zehn Jahre blieb.

In dieser Zeit wurde er einer der bekanntesten deutschen Manager - aber auch einer der umstrittensten. Die Zahlen des Konzerns trieb er zwar nach oben, wegen seines Sparkurses und seines Stils geriet er häufig in die Kritik - was ihm ganz gut in den Kram passte. Nicht umsonst trägt seine in Interviewform abgedruckte Biographie den Titel Diplomat wollte ich nie werden. Die breite Öffentlichkeit hat ihn vor allem noch von den Tarifstreitigkeiten mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) in Erinnerung: Damals lieferten sich Mehdorn und sein GDL-Gegenspieler Manfred Schnell einen monatelangen Machtkampf. Im März 2009 trat Mehdorn wegen der Vorwürfe im Zuge der Datenaffäre zurück.

Aber des Öfteren in diesen zehn Jahren hatte er die Fluggesellschaften als Vorbild für die Bahn angesehen. Zum Beispiel entwickelte er einen Plan, dort ein Preissystem analog zur Luftfahrt zu schaffen - doch damit scheiterte er.

Schon kurze Zeit nach seinem Ausstieg hatte Mehdorn übrigens ein neues Amt inne: einen Verwaltungsratsposten bei Air Berlin. Der Weg zu seinem neuen Übergangsjob war also nicht mehr weit.

Mit Agenturmaterial von dapd und Reuters.

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