Harald Christ contra Norbert Essing:Unter der Gürtellinie

Angebliche Sex-Orgien und Pädophilie - diese Schlammschlacht hat es in sich: Der PR-Berater Norbert Essing und der ehemalige SPD-Schattenminister Harald Christ zeigen sich gegenseitig an.

Uwe Ritzer

Ihr vorletztes Treffen, darüber, und nur darüber sind sich beide einig, war am 6. November 2007 im Berliner Hotel Adlon. Norbert Essing, schillernder PR-Berater einer ganzen Riege deutscher Topmanager, behauptet, er habe bei dem Treffen dem Banker Harald Christ "nur gesagt, er solle endlich seine Angriffe auf Thomas Fischer einstellen".

Der langjährige Essing-Klient Thomas Fischer hatte kurz zuvor seinen Posten als Chef der WestLB räumen müssen. Christ arbeitete damals als Manager für die WestLB.

Christ hat eine ganz andere Erinnerung an das Treffen im Adlon. Er behauptet, der PR-Berater habe ihn massiv bedroht, ihm sexuelle Verhältnisse mit Praktikanten und Mitarbeitern seines früheren Arbeitgebers unterstellt, sowie ihm angeblich gefälschte Spesen- und Reisekostenabrechnungen vorgeworfen. Nur er könne seine schützende Hand über ihn halten und deshalb müsse Christ einen neuen Beratervertrag mit ihm abschließen, soll Essing gesagt haben*.

"Totaler Quatsch"

Der PR-Berater, in dessen Kundenkartei Wirtschaftsgrößen wie Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, Medienmogul Leo Kirch, der baden-württembergische Landesbank-Chef Hans-Jörg Vetter und Ex-Metro-Chef Hans-Joachim Körber stehen, weist Christs Version als "totalen Quatsch" zurück.

Sie findet sich jedoch in einer Strafanzeige gegen Essing, die der Rechtsanwalt und frühere Innenminister Otto Schily im Auftrag von Christ bei der Staatsanwaltschaft Münster eingereicht hat.

Die Vorwürfe lauten üble Nachrede, Verleumdung, versuchte Nötigung, versuchte Erpressung und Untreue. Als der Banker sich weigerte, soll der PR-Berater wenige Monate nach dem Adlon-Treffen ein anonymes Fax an Christs damaligen Arbeitgeber, die WestLB-Tochter Weberbank in Berlin, geschickt haben. Darin wurde der homosexuelle Christ, der zum Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier gehörte, der Pädophilie bezichtigt.

Das anonyme Pamphlet wurde ausweislich der Absenderkennung am 26.Februar 2008 um 12.15 Uhr vom Autobahnrasthof Nievenheim West bei Düsseldorf abgeschickt. Videoaufnahmen der dortigen Überwachungskameras zeigen unzweifelhaft Norbert Essing, wie er dort just in diesem Moment ein Fax versendet.

Der bestreitet das nicht. Er wisse nicht mehr, an wen das Fax ging, sagt Essing. Aber bestimmt nicht an die Weberbank. Er habe Christ auch nie der Pädophilie bezichtigt oder anonyme Anschuldigungen gegen ihn erhoben. Alles also nur ein seltsamer Zufall? Christs Anwalt Schily wirft Essing vor, er habe "gegenüber meinem Mandanten eine Druckkulisse aufbauen wollen, um ihm auf diese Weise den Abschluss eines Beratervertrages aufzunötigen."

Ständig neue anonyme Vorwürfe

Das anonyme Fax war der Höhepunkt einer monatelangen, schmuddeligen Kampagne gegen Harald Christ. Vor allem als er in Steinmeiers Kompetenzteam berufen worden war, gelangten ständig neue anonyme Vorwürfe in die Medien. Schon als Christ von der HCI Capital AG zur Weberbank wechselte, war dort ein erstes anonymes Schreiben eingetroffen, in dem er der Pädophilie und angeblicher Sex-Orgien bezichtigt wurde.

Noch bevor er von dem Schreiben überhaupt erfahren habe, habe Essing ihn angerufen und erklärt, er müsse sich "nun ganz in seine Hände legen" weil er "sonst für nichts mehr garantieren" könne, heißt es in der Strafanzeige. "Absoluter Blödsinn", widerspricht Essing.

Strafanzeige als Retourkutsche

Er sieht die Strafanzeige als Retourkutsche dafür, dass er seinerseits vor wenigen Tagen Christ wegen Verleumdung, falscher Verdächtigung und Beleidigung angezeigt hat.

Auch die Rolle eines Rechtsanwaltes aus der Kanzlei White&Case wird die Justiz möglicherweise beschäftigen. Dabei geht es um ein Dossier, in dem Christ Spesenbetrug bei seinem Ex-Arbeitgeber HCI vorgeworfen wird, und das Essing nach Aussage von Medienvertretern mehreren Journalisten zuleitete. Viele der Vorwürfe wurden später stark abgeschwächt; nun verlangt Harald Christ eine öffentliche Ehrenerklärung und Schadenersatz von dem White&Case-Anwalt. Eine Kanzleisprecherin wies auf SZ-Anfrage "die Unterstellungen zurück".

*Anmerkung der Redaktion: Im März 2011 hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen Essing gem. 153a STPO nach Erfüllung von Auflagen endgültig eingestellt.

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