Hansgrohe:Duschen ohne Spritzer

An engineer demonstrates a shower head prototype at the spray laboratory of bathroom and sanitation company Hansgrohe, in Schiltach, Southwestern Germany

Es geht ums Wohlbefinden, aber auch ums Energiesparen: Die Strahlforschung ist eine Wissenschaft für sich.

(Foto: Vincent Kessler/Reuters)

Die Marke fördern, mit Werbung auf vielen Kanälen: Welche Strategie der Hersteller von Bad- und Küchenarmaturen Hansgrohe fährt und wie er dabei mit seinem amerikanischen Investor klarkommt.

Von Dagmar Deckstein

Wenn Thorsten Klapproth nach dem Gespräch nicht noch einen weiteren Termin mit einem Vertreter des Mehrheitseigners Masco gehabt hätte, wäre man am Ende noch mit dem Hansgrohe-Chef unter der Testduschen-Armada in der "Aquademie" gelandet. So begeistert ist der Hansgrohe-Chef von den neuesten Entwicklungen des Bad- und Küchenarmaturen-Herstellers aus dem Schwarzwald, dass er alles am liebsten selbst demonstriert hätte. Es scheint so, dass auch in der Wasserstrahl-Technik der Fortschritt offenbar noch nicht ausgereizt ist: "Wir arbeiten gerade an der größten und besten Dusche der Welt", sagt Klapproth. Und die, kaum zu glauben, soll zwar die angestrebte Reinigungs- oder auch Wohlfühlprozedur erlauben, aber dabei die Haare der Duschenden nicht nass machen. Kurz: Duschen ohne Duschhaube ermöglichen. Und noch besser: Die Wasserstrahlen sollen so auf den Körper treffen, dass sie, ohne Duschkabine drumherum, keinerlei Spritzer in die Umgebung versenden. Man könne, sagt Klapproth, solch eine Dusche auch in Wohn- oder Schlafzimmern ohne Wasserschaden für die umstehenden Polstermöbel installieren.

Eine eher profane, manchmal lästige und mit größeren Badputz-Aktivitäten verbundene Körperreinigung soll künftig noch wohlfühliger werden. Zumindest, wenn es nach dem europäischen Marktführer in Bad- und Küchenarmaturen Hansgrohe und erst recht nach seinem Chef Thorsten Klapproth geht. Der 54-Jährige wurde im Oktober 2014 vom Geislinger Besteckhersteller WMF nach Schiltach im Schwarzwald als neuer Geschäftsführer und als Nachfolger von Siegfried Gänßlen berufen. Seither mischt Klapproth ziemlich zielstrebig das Marketing im Mischhebel- und Mischbrausengeschäft auf. "Wir wollen Hansgrohe auch für den privaten Endkunden als Marke aufladen", sagt Klapproth. Wie? "Durch Werbung auf vielen Kanälen". Oder, wie Klapproth sagt: "Das ist doch seltsam: Wenn Haus- oder Wohnungsbesitzer eine neue Küche planen, haben sie genaue Markenvorstellungen - soll es eine Bulthaup, Gaggenau oder Poggenpohl sein? Im Bad hat kaum einer eine Marke im Blick. Da wird dann halt irgendeine Armatur beim Händler bestellt."

Das alles soll sich also alsbald ändern. Die Chancen scheinen nicht schlecht zu stehen. Hansgrohe hat im Geschäftsjahr 2015 die von Klapproth kurzfristig versprochene Überwindung der Umsatzgrenze von einer Milliarde Euro mit 964 Millionen Euro schon fast erreicht. Ein Umsatzplus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Umsatzrendite von 15 Prozent dürfte auch die Masco Corporation aus Michigan, USA, freuen. Die hält, nach ihrem Einstieg bei Hansgrohe bereits anno 1984 inzwischen 68 Prozent am Brausehersteller, die restlichen 32 Prozent gehören der Familie Grohe, den Nachfahren des Gründers Hans Grohe, der sich 1901 als Tuchmachermeister ausgerechnet mit Badbrausen in Schiltach selbständig machte. Das private Hausbad kam gerade in Mode - ein früher Badtrend im angebrochenen 20. Jahrhundert.

Masco indessen vereinigt heute 18 Unternehmen rund um die moderne Hausausstattung, vom Farben- bis zum Armaturenhersteller. Es trifft sich übrigens, dass Masco-Gründer Alex Manoogian, 1901 in Armenien geboren und 1920 mit gerade mal 50 Dollar in der Tasche in die USA geflohen, sich ebenfalls, wie Hans Grohe, als Innovator einen Namen machte: Er erfand den Einhandmischer-Wasserhahn. Masco ist zwar ein börsennotiertes Unternehmen, aber Klapproth lässt nichts auf den langjährigen, strategisch-industriellen Investor aus den USA kommen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den beiden Masco-Vertretern im Hansgrohe-Aufsichtsrat sei hervorragend. "Das sehen Sie auch nicht alle Tage", so Klapproth, "dass ein Aufsichtsrat gerade mal fünf Wochen braucht, um einstimmig eine Investition von 30 Millionen Euro zu genehmigen." So viel wird Hansgrohe auf dem bestehenden Werksgelände in Offenburg für eine neue Kunststoff-Galvanik verbauen. "Mit der neuen Anlage stärken wir unsere Wettbewerbsfähigkeit und schaffen Kapazitäten für weiteres Wachstum", sagt Klapproth. Baubeginn soll 2017 sein.

Das Unternehmen profitiert auch vom weltweiten Immobilienboom

In Offenburg befindet sich das größte Armaturen- und Brausenwerk des Unternehmens. Bis zu 22 000 Brausen täglich verlassen die Produktionshallen, 17,6 Millionen im Jahr. Und fast täglich werden es mehr. Kunststoffbrausen werden übrigens mithilfe des galvanischen Verfahrens veredelt, indem sie eine gleichmäßige und stabile Chromschicht aufgedampft bekommen. Die robuste Oberfläche sieht dann nicht nur attraktiver aus, sondern schützt die Kunststoffbrause und macht sie langlebiger. Billig produzieren in Ländern rund um den Globus sollen andere, "wir bekennen uns klar zur Region und zum Standort Deutschland. Denn vor allem hier haben wir Mitarbeiter mit größtmöglichem Know-how." Obendrein hat Hansgrohe in Offenburg weitere 30 Millionen Euro für die Erweiterung des Logistikzentrums eingeplant, dazu knapp fünf Millionen Euro in ein neues Forschungs- und Entwicklungslabor in Schiltach gesteckt, das sogenannte Strahllabor. Auch die Strahlforschung ist eine Wissenschaft für sich. Wie sich das Gemisch aus Wasser und Luftbläschen aus den Duschdüsen ergießt, ist entscheidend für Wasser- und Energieverbrauch. Zumal für ein Wasserspar-Land wie Kalifornien sind das schlagende Argumente, so Klapproth. Und übrigens auch für Haarwäscher unter der Brause: "Ein Kosmetikhersteller hat in einer Studie herausgefunden, dass sich Menschen vier Minuten Zeit lassen zum Haare shampoonieren, aber das Ganze in acht Sekunden wieder herausgespült haben wollen."

Ohne Investitionen kein Wachstum. Angesichts seiner Eigenkapitalquote von 60 Prozent, so Klapproth, tätige Hansgrohe diese Investments größtenteils aus dem Cashflow. Bei einer Wertschöpfungstiefe von 80 Prozent und 3800 Mitarbeitern exportiert Hansgrohe in 143 Länder der Welt, stattet Renommierprojekte wie Luxushotels oder Kreuzfahrtschiffe weltweit mit Armaturen aus. Ob den Reichstag in Berlin oder den Burj Khalifa in den Vereinigten Arabischen Emiraten, ob die Kreuzfahrtriesen Queen Mary II oder Quantum oft the Seas.

So profitiert Hansgrohe nicht zuletzt auch vom ungebrochenen Trend, das Badezimmer vom schnöden Reinigungsraum zur Wellness-Oase zu erheben. Und vom anhaltenden Immobilienboom weltweit, der Häuslebauer und -käufer mit groß angelegten Ausstattungs- und Renovierungsplänen nach sich zieht. Da müsste doch der "Brexit" ein herbes Loch ins Großbritannien-Geschäft geschlagen haben, das 2015 das Highlight unter den Umsatzzuwächsen im Ländervergleich bot: Plus 26 Prozent. Nun ja, sagt Klapproth, "Verunsicherungen wie die über die Zukunft Europas nach dem Brexit sind immer schlecht fürs Geschäft." Aber Hansgrohe tangiere der "Brexit" kaum. Viele Projektplaner konzipierten von Großbritannien aus weltweite Vorhaben - wie etwa der Stararchitekt Norman Foster den neuen Apple-Campus in Cupertino. Das futuristisch anmutende Gebäude wird mit Hansgrohe-Armaturen ausgestattet - "und zwar mit einer elektronisch funktionierenden Spezialanfertigung, über die noch nicht allzu viel verraten werden soll." Aber diese Spezialanfertigung liefert Hansgrohe aus Deutschland direkt in die USA - ohne Umweg über Großbritannien.

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