Hans-Olaf Henkel:Welterklärer trifft Problembär

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Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel lebt davon, eine Meinung zu haben. Jetzt hat er wieder ein Buch geschrieben, diesmal über den Euro. Da kann sogar Rainer Brüderle glänzen.

Thorsten Denkler, Berlin

Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass auf dem Umschlag lobende Worte des Skandal-Bankers Thilo Sarrazin gedruckt sind. In Alarm-Gelb empfiehlt Sarrazin, das neue Buch von Ex-BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel solle zur "Pflichtlektüre für jeden Bundestagsabgeordneten" gemacht werden, damit diese der Bundesregierung "endlich mal die richtigen kritischen Fragen gestellt werden".

Dreamteam in Berlin: Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel (l.) hat ein neues Buch geschrieben, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle stellte es vor. (Foto: dapd)

Sarrazin und Henkel sind so was wie Brüder im Geiste. Sie führen gemeinsam die deutsche "Das-muss-man-mal-sagen-dürfen"-Fraktion. Die Rollen sind gut verteilt. Sarrazin prügelt auf Migranten ein. Henkel auf alle Politiker, die nicht seiner Meinung sind. Also eigentlich alle.

Mit seinem neuen Buch Rettet unser Geld! Deutschland wird ausverkauft - Wie der Euro-Betrug unseren Wohlstand gefährdet schafft sich der Ex-Manager die Papier gewordenen Grundlage für neue Tiraden gegen die verhasste politische Klasse. An diesem Mittwoch hat er es zusammen mit FDP-Wirtschaftsminister Reiner Brüderle in Berlin vorgestellt.

Die Kernthese des Buches ist schnell auf den Punkt gebracht: Die ganze Euro-Rettung in Griechenland und Irland ist für die Katz, weil der Euro insgesamt am Abgrund steht. Schuld sind die Politiker, die "Abwracker", wie er sie seit seinem gleichnamigen letzten Buch gerne nennt. Die hätten ihre eigenen Stabilitätskriterien verraten, ätzt Henkel.

Henkel erklärt, er sei einst "einer der enthusiastischsten Befürworter des Euro gewesen". Wie ein "Wanderprediger" sei er durch die Unternehmen gepilgert und habe für den Euro geworben. Doch "wenn ich gewusst hätte, was die Politik mit den damals gesetzten Vorgaben macht, hätte ich mich nicht für den Euro eingesetzt", sagt Henkel heute. BDI-Chef Henkel gegen den Euro, da wäre der damaligen schwarz-gelben Kohl-Regierung sicher angst und bange geworden.

Henkel sieht nur eine Lösung: den Euro spalten. In der einsamen Welt von Hans-Olaf Henkel bezahlen die Griechen, Italiener, Portugiesen, Franzosen, also alle Südländer im Euroraum demnächst mit dem Süd-Euro. Der gute Norden mit dem Nord-Euro. Die billigen Zinsen für den Norden kurbeln die Wirtschaft an. Die hohen Zinsen für den Süden disziplinieren die dortigen Staaten.

Natürlich ist das eine abstruse Idee. Das wird auch Henkel wissen. Aber offenbar nicht zu abstrus, um sie nicht zwischen zwei Buchdeckel zu pressen. Die Thesen lassen sich so im wahrsten Sinne des Wortes besser verkaufen. Angeblich sollte das Buch erst Anfang 2011 erscheinen. Dass es jetzt schon erscheint, sei den aktuellen Ereignissen geschuldet. Vielleicht aber auch dem anstehenden Weihnachtsgeschäft? "Henkel auf jedem Gabentisch", fordert am Ende der Moderator der Buchpräsentation.

Der liberale Wirtschaftsminister Brüderle gibt den charmanten Widersacher. Er teile im Grundsatz die Analyse Henkels was den Euro angeht. Neu sei das aber nicht. Es habe schon immer zwei unterschiedliche Philosophien der Währungspolitik in Europa gegeben. Der Norden eher stabilitätsorientiert, der Süden dagegen habe die Notenbanken eher als Dienstleister zur Finanzierung nationaler Ausgabeprogramme gesehen.

Deswegen weg vom einheitlichen Euro will Brüderle nicht: Die Stärke Europas liege in seiner Vielfalt. Das sei "sehr kompliziert, aber wir haben keinen anderen Weg". Wer den Euro spalte, der riskiere eine "Rückentwicklung zur Zollunion". Brüderles finale These: "Wenn sich Europa nicht zusammenfindet, wird es für die Zukunft der Welt keine Rolle spielen."

Kaum zu glauben, aber gegen Henkel wirkt der einstige Problembär der Bundesregierung geradezu vernünftig, staatstragend, ja einnehmend.

Henkel lässt sich nicht beirren. Der IBM-Rentner macht lieber auf Alarmismus. Wenn so weitergemacht werde wie bisher, dann sei er der Meinung, dass der Euro "uns so um die Ohren fliegt". Den Griechen sei geholfen worden, um einen Dominoeffekt zu vermeiden.

Durch die Hilfe sei das Gegenteil passiert. Manche Südländer seien sogar erst wegen des Euro in Schieflage gekommen, bastelt sich Henkel sein ökonomisches Weltbild zusammen. Die günstigen Zinsen hätten sie über ihre Verhältnisse leben lassen.

Aber Henkel hängt ja auch der Verschwörungstheorie an, der Euro sei der Preis für die deutsche Einheit gewesen und der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler sei nur wegen des milliardenschweren Rettungspaketes für Griechenland zurückgetreten. Henkel muss sehr spezielle Quellen haben.

Zur Belohnung darf Talkshow-Täter Henkel jetzt von Fernsehstudio zu Fernsehstudio tingeln und dort über die geschwätzige Republik lästern. Vergangene Woche war er Gast bei ZDF-Talklady Maybrit Illner, am Dienstag bei ARD-Talkshowmoderatorin Sandra Maischberger. Und plötzlich kommt erstmals so etwas wie Dank auf, dass einer wie Brüderle in die Regierung gehört und keiner wie Henkel. Aber irgendwie ist auch das ein abstruser Gedanke.

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