Handy statt Konto:Wofür denn Banken?

Handy statt Konto: Ein Massai bei der Arbeit. Ohne Handy geht in Afrika nichts, auch kein Geldgeschäft.

Ein Massai bei der Arbeit. Ohne Handy geht in Afrika nichts, auch kein Geldgeschäft.

(Foto: Tony Karumba/AFP)

In Afrika haben viele Menschen keine Bankverbindung. Bezahlt wird per Smartphone, sie kommen damit gut zurecht.

Von Nils Wischmeyer

Wer in Kenia Geld überweisen will, der zieht sein Smartphone aus der Tasche, tippt kurz darauf herum, und schon ist alles erledigt. Was in Europa und gerade in Deutschland selten ist, ist in Kenia Alltag. Abgewickelt wird das Ganze meist über M-Pesa (Pesa bedeutet "Geld" in Swahili), dem Vorreiter beim mobilen Bezahlen. Die Plattform ist weder Bank noch Finanz-Start-up, sondern gehört zum Mobilfunkanbieter Safaricom. Sechs Milliarden Überweisungen in zehn Ländern tätigt das Unternehmen im Jahr. Damit bewegt sich M-Pesa in der Größenordnung von Paypal.

Die Idee dahinter: Kaum jemand in Afrika hat ein Bankkonto, aber nahezu jeder hat ein Handy oder ein Smartphone. Also warum nicht alle Transaktionen darüber abwickeln? Wer M-Pesa benutzt, lädt einfach Geld auf seine Sim-Karte. Das geht bei Tausenden sogenannten "Agents". Das können etwa Poststellen oder größere Händler in der Ortschaft sein. Sie werden speziell geschult, sind staatlich geprüft und funktionieren wie eine klassische Bank - nur quasi nebenbei.

Die KfW schätzt, dass 20 bis 60 Prozent der Bevölkerung keine Bankverbindung haben

Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Bereits 2007 erkannte M-Pesa, dass das mobile Bezahlen in Afrika ein gigantisches Geschäft ist, das bisher kaum jemand bespielt. Denn Banken sind in vielen afrikanischen Ländern eher selten. In den meisten ländlichen Gebieten gibt es weder eine Filiale noch einen Geldautomaten. Jahrelang galt: Wer Geld transferieren oder einen Kredit aufnehmen möchte, musste oft kilometerweit zur nächsten Bank fahren. Oft finanzieren sich die örtlichen Banken zudem über den Kauf von Staatsanleihen. Kredite an mittelständische Unternehmer oder gar Privatpersonen vergeben sie nur selten. Je nach Land und Region schließen die örtlichen Banken so 20 bis 60 Prozent der Bevölkerung von einem Zugang zum Konto aus, schätzt die staatliche Förderbank KfW. Mit Anbietern wie M-Pesa ändert sich das.

Seit dem Start des Angebots 2007 ist die Nutzung rasant gestiegen. Gerade Privatpersonen oder Mikrounternehmen, also Bauern oder Händler, profitieren. Sie sind durch ihr Smartphone plötzlich unabhängig von der Infrastruktur der Banken, können ihre Geschäftspartner einfacher bezahlen oder an kleine Kredite kommen. Die Mobilfunkanbieter nehmen dafür eine Provision zwischen einem und zwei Prozent.

Sie sind aber nicht die Einzigen, die das Vakuum füllen, das die Banken hinterlassen haben. Mikrofinanzinstitute versorgen die Gesellschaft zunehmend mit Krediten. Sie gehörten früher oft zu Stiftungen oder Nichtregierungsorganisationen. Über die Jahre haben sie sich eigenständig gemacht und professionalisiert. Sie arbeiten ebenso wie M-Pesa nach dem Agent-Prinzip und vergeben zumeist Kredite in zwei Größenordnungen. Da sind zum einen Mikrokredite. Darunter verstehen sie Darlehen bis 100 Euro, die nach kurzer Zeit zurückgezahlt werden. Will ein Händler etwa sein Lager kurzfristig auffüllen, weil die Nachfrage groß ist, kommt er so leicht an Geld. Meist kann er den Kredit einfach über sein Smartphone abschließen. Höhere Beträge zwischen 100 und 15 000 Euro vergeben die Institute erst nach einem persönlichen Gespräch. Dazu muss der Kunde zu einem Agenten oder einer Filiale fahren. Eine Bank, die braucht doch niemand.

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