Handelspolitik:China sperrt die Gewinne europäischer Firmen ein

Ein Mercedes-Benz-Werk in Beijing, China

Das Chinageschäft wird für deutsche Konzerne immer wichtiger. Die Unternehmen produzieren in dem riesigen Land (hier eine Montagelinie von Mercedes-Benz im Pekinger Werk) und wollen die Gewinne ausführen.

(Foto: Kim Kyung-Hoon/Reuters)
  • Bisher haben europäische Firmen Gewinne aus China nach Europa geschafft, indem sie sie als Dividenden ausgezahlt haben. Dem hat Peking nun einen Riegel vorgeschoben.
  • Nach einem neuen Gesetz dürfen nur noch maximal fünf Millionen Euro auf diesem Weg ausbezahlt werden.
  • China will so die Kapitalflucht aus dem eigenen Land in den Griff bekommen.

Von Christoph Giesen, Peking

Es ist das eingetreten, wovor sich die ausländischen Unternehmen in China gefürchtet haben. Konzerne aus Europa bekommen ihr Geld nicht mehr aus China heraus. Ob in Shanghai, Changsha oder Chongqing, überall in der Volksrepublik haben Banken Dividendenzahlungen auf Eis gelegt. Von etlichen Fällen berichtet die EU-Handelskammer in Peking.

Konzerne wie Siemens oder BASF haben in China Dutzende Gesellschaften, Joint Ventures mit Staatsunternehmen sind darunter, genauso wie eigene Werke, die nach chinesischem Recht organisiert sind. Um die Gewinne nach Europa zu bekommen, schütten die Konzerne Dividenden aus: Bis vor zwei Wochen war das eine gängige Praxis.

Nur die deutsche Außenhandelskammer verbreitet noch gute Laune

Am 28. November aber lud die Devisenbehörde in Shanghai Vertreter von 20 Banken ein und teilte ihnen die neuen Regeln mit - mündlich. In Schriftform liegt noch immer nichts vor. Statt wie bisher von Guthabenkonten müssen Dividendenzahlungen künftig von Kapitalkonten bezahlt werden. Für die Guthabenkonten gibt es keine Obergrenze. Bei den Kapitalkonten lag sie bei 50 Millionen Dollar. Diese Schwelle wurde jedoch abgesenkt auf fünf Millionen Dollar.

Vergangene Woche hatten viele Manager noch gehofft, die Dividendenzahlungen stückeln zu können, also statt 30 Millionen Dollar einfach sechs Zahlungen in Höhe von fünf Millionen Dollar zu veranlassen. Doch das funktioniert nicht, berichtet die EU-Kammer. Die Banken müssen sich strikt an die Gesellschafterverträge halten, in denen vorgegeben ist, wie häufig und zu welchem Stichtag die Dividenden ausbezahlt werden. Niemand weiß, wie lange diese Eiszeit dauern wird. "Die Ungewissheit ist groß", sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer.

Der Grund für das Chaos sind die Schwierigkeiten der chinesischen Führung, die Kapitalflucht aus dem eigenen Land in den Griff zu bekommen. Im Juni 2014 waren Chinas Währungsreserven mit knapp vier Billionen Dollar der mit Abstand größte Devisenschatz der Welt. Um 873 Milliarden Dollar ist der Betrag seitdem abgeschmolzen. Alleine im vergangenen Monat reduzierten sich die Reserven um 46 Milliarden Dollar. Die Chinesische Volksbank versucht mit Stützkäufen die eigene Währung zu stabilisieren, weil einfach zu viel Geld illegal aus der Volksrepublik abfließt.

Peking hat sich für scharfe Devisenkontrollen entschieden

"Seit 2012 haben etwa 1,6 Billionen Dollar die Volksrepublik verlassen", schätzt der Ökonom Christopher Balding, der an der Peking-Universität lehrt. "Und das nur durch manipulierte Importe und Exporte." Regelmäßig gleicht er die Importzahlen des Zolls mit den Datensätzen der Banken für Auslandsüberweisungen ab, um die Unwucht zu belegen: Die Zollzahlen sind deutlich niedriger als die Summen, die ins Ausland geschickt werden.

Ein Beispiel: Ein Unternehmen bestellt Waren im Wert von 15 Millionen Dollar im Ausland, geliefert werden allerdings nur Güter für zehn Millionen, der Rest des Geldes wird auf ein Konto im Ausland eingezahlt. Fünf Millionen Dollar sind futsch. Ist es möglich, den Geldabfluss zu kontrollieren? Man müsste wohl jedes Schiff, jeden einzelnen Container überprüfen und dann den realen Wert der Waren kennen, oder aber man verschärft die Devisenkontrollen erheblich. Dafür hat sich Peking nun entschieden. Mit allen Konsequenzen.

Deutscher Botschafter spricht von "ökonomischem Nationalismus"

Die Stimmung unter den ausländischen Firmen ist jedenfalls so schlecht wie schon lange nicht mehr. Das liegt jedoch nicht nur an den neuen Devisenbestimmungen. In den vergangenen Monaten haben die Probleme massiv zugenommen. Bei Ausschreibungen werden chinesische Firmen konsequent bevorzugt. In der Medizintechnik zum Beispiel gibt ein Katalog staatlichen Krankenhäusern vor, welche Geräte sie kaufen sollen - Siemens, General Electric oder Philips stehen nicht auf der Liste. Ähnliche Einschränkungen gibt es auch bei U-Bahnen und Schnellzügen.

Die Autobauer haben derzeit mit einer verbindlichen Quote für Elektrofahrzeuge zu kämpfen. Das Gesetz ist noch nicht einmal verabschiedet, soll laut Entwurf aber bereits in einem Jahr Anwendung finden. Für Konzerne wie Volkswagen ist es nahezu unmöglich, die Produktion in so kurzer Zeit neu auszurichten. Von "ökonomischem Nationalismus" spricht deshalb der deutsche Botschafter Michael Clauß inzwischen. Seine Wirtschaftsabteilung macht Überstunden, um die Beschwerden der Unternehmen zu bearbeiten.

Die einzige Ausnahme ist die deutsche Außenhandelskammer (AHK) in Peking, sie verbreitet gute Laune wie eh und je. Anfang vergangener Woche, just einen Tag nachdem die chinesischen Behörden die Banken über die neuen Devisenregeln unterrichtetet hatten und sich die Panik allmählich ausbreitete, stellte die Kammer ihre alljährliche Mitgliederbefragung vor.

Die AHK-Umfrage hat Schwächen

Es sollte eine sehr bizarre Veranstaltung in einem an Kuriositäten nicht armen Land werden. Auf dem Podium Botschafter Clauß, neben ihm Lothar Herrmann, Siemens-Statthalter in China und AHK-Präsident. Während der Botschafter von den Problemen der deutschen Wirtschaft erzählte, gab Herrmann einen versöhnlichen Ausblick. 2017 werde, das habe die Befragung ergeben, ein sehr gutes Jahr für die deutsche Wirtschaft in China. Fälle von lokalem Protektionismus könne er keine benennen, behauptete Herrmann. Ohne die Namensschilder hätte man Diplomat und Lobbyist leicht verwechseln können.

Die Schwäche der AHK-Umfrage: Von mehreren Tausend Mitgliedsunternehmen nahmen nur 426 teil. Welcher Manager beantwortet schon gern die Frage, ob er seine Ziele im kommenden Jahr erreichen werde, wenn das Chinageschäft in der Krise steckt? Das zweite Problem ist die Gewichtung. Egal ob Daimler oder ein Kleinunternehmer, der ein Restaurant mit angeschlossener Bäckerei betreibt - jede Antwort zählt gleich.

Die Folge: In China werden die Ergebnisse der Umfrage inzwischen breitflächig eingesetzt - und zwar von der Führung in Peking. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua zitiert daraus, genauso wie das Außenministerium oder hohe Beamte in Hintergrundgesprächen. Tenor: alles wunderbar. Doch genau das ist es nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: