Handelsimmobilien:Auf Einkaufstour

Supermarkt Frischeregal mit verschiedenen Gemüse Produkten

Mit Frische punkten Lebensmittelhändler auch in Online-Zeiten. Viele Unternehmen anderer Branchen macht die Digitalisierung des Verkaufsprozesses aber zu schaffen. Das wirkt sich auch auf die Handelsimmobilien aus.

(Foto: Jochen Tack/Imago)

Das Interesse an Kaufhäusern, Supermärkten und Shopping-Centern hält an, aber es gibt zunehmend auch skeptische Stimmen. Viele Experten rechnen damit, dass auch in den besten Lagen die Ladenmieten nicht mehr über viele Jahre steigen werden.

Von Ruth Vierbuchen

Die Kunden im Shopping-Center, Baumarkt oder Lebensmittel-Discounter merken meist nicht, wenn der Laden einen neuen Eigentümer hat. Denn sonst hätten sie im vergangenen Jahr viele Veränderungen registrieren können: 2015 haben deutsche Handelsimmobilien für 19 Milliarden Euro den Eigentümer gewechselt. Investoren setzen darauf, dass die Deutschen in Shoppinglaune bleiben.

Bei den Prognosen für das laufende Jahr schwingt aber auch Nachdenklichkeit mit: "Die Party geht weiter . . . zumindest 2016." Das Statement von Joachim Stumpf, Geschäftsführer der IPH Handelsimmobilien GmbH in München, gibt die Ambivalenz wieder, die den Markt zunehmend prägt. So warnt auch Thomas Kuhlmann, Vorstand der Hahn-Immobilien-Beteiligungs AG, vor zu viel Optimismus: "Langfristig orientierte Anleger sollten nicht davon ausgehen, dass die Immobilienpreise noch viele Jahre steigen werden. Die Luft nach oben wird dünner."

Laut Stumpf gibt es bei Investoren und Banken eine wachsende Unsicherheit darüber, ob die niedrigen Objektrenditen "mittel- und langfristig gerechtfertigt sind". Gleichzeitig sind die Kreditinstitute zum Teil immer noch bereit, Handelsimmobilien mit Wertsteigerungspotenzial oder Objekte mit höherem Risiko zu finanzieren - auch weil die Banken angesichts der niedrigen Zinsen Geld verdienen müssen. Die Investoren suchten derzeit "die richtige Balance zwischen Vorsicht und der erforderlichen Risikobereitschaft", wie es die Union Investment nach der jüngsten Befragung für ihre Immobilien-Investitionsklima-Studie formuliert.

Im Marktsegment Handelsimmobilien kommt hinzu, dass der hohen Nachfrage von Anlegern nach Geschäftshäusern, Shopping-Centern und Fachmärkten nur ein sehr kleines Angebot gegenüber steht. In keiner anderen Anlageklasse gebe es ein so limitiertes Produktangebot, sagt Thomas Dänzel, Head of Retail Investment bei Colliers International Deutschland. Das gelte vor allem für Premium-Immobilien in Top-Lagen, also zum Beispiel Ladenflächen in den belebten Fußgängerzonen in München, Hamburg oder Berlin. Nicht zuletzt die fehlenden Alternativ-Anlagen halten nach Beobachtung von Sandra Ludwig, Head of Retail Investment bei JLL Germany, die Eigentümer von Geschäftshäusern in Bestlagen davon ab, ihre Objekte zu verkaufen. So verlief auch der Start ins Investment-Jahr 2016 mit einem Transaktionsvolumen, das der Immobiliendienstleister CBRE im ersten Quartal mit 1,5 Milliarden Euro und BNP Paribas Real Estate mit 1,82 Milliarden Euro beziffert, sehr moderat. Wer eine gut funktionierende Handelsimmobilie hat, will eben nicht verkaufen. Nach einer spürbaren Belebung im zweiten Quartal hat sich das Transaktionsvolumen zum Halbjahr auf gut 4,5 Milliarden Euro (CBRE) erhöht.

Nicht jedes ältere Shopping-Center lässt sich auf den heutigen Standard bringen

Im ersten Halbjahr wurden laut CBRE zwei Milliarden Euro in Fachmärkte investiert, in Shopping-Center knapp 1,1 Milliarden, in innerstädtische Geschäftshäuser 917 Millionen und 559 Millionen Euro in Warenhäuser. Dabei haben die Renditen zum Ende des zweiten Quartals weiter nachgegeben, auf durchschnittlich 3,63 Prozent in den sechs Metropolen, auf 4,1 Prozent für Shopping-Center in A-Städten und 4,8 Prozent in B-Städten sowie auf 5,25 Prozent für Fachmarktzentren und 6,25 Prozent für Fachmärkte.

Wie sich der tiefe Strukturwandel auswirkt, in dem sich der stationäre Einzelhandel vor allem wegen der wachsenden Konkurrenz des Online-Handels befindet, lässt sich an der jüngsten Entwicklung des Vermietungsmarktes ablesen. Laut Olaf Petersen, Chef-Researcher des Immobiliendienstleisters Comfort, steht etwa der Markt für Highstreet-Mieten, also Einzelhandelsimmobilien in Top-Lagen, vor einer Gezeiten-Wende. Bei 146 untersuchten Städten stiegen demnach die Höchstmieten für Kleinflächen (bis 120 Quadratmeter) nur in acht Städten, in 45 ging das Mietniveau zurück, in 93 Städten blieb es konstant. Nach Erfahrung von Dirk Wichner, Head of Retail Leasing Germany bei JLL, lassen die tief greifenden Veränderungen viele Einzelhändler zögern, sich für zehn Jahre an Standorte zu binden. Sie prüften alle Alternativen im Markt sehr intensiv.

Da viele Umsätze ins Internet abwandern - das gilt auch für stationäre Einzelhändler mit Online-Shop - ist laut Stumpf vielerorts ein weiterer Anstieg der Mieten und eine weitere Flächenexpansion des Handels nicht mehr realistisch. An schwächeren Standorten hält er mittel- bis langfristig auch Mietreduzierungen für möglich. Eine Ausnahme von diesem Trend bilden laut der gemeinsamen Studie "Expansionstrends 2016" von der Hahn-Gruppe und dem EHI Retail Institute gut etablierte Fachmärkte und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung und Lebensmittel, die von der Online-Konkurrenz noch kaum bedrängt werden. Kunden wollen Milch, Obst oder Nudeln eben doch lieber im Supermarkt oder das Shampoo im Drogeriemarkt kaufen, so das Kalkül.

Noch immer profitiert der hiesige Handelsimmobilienmarkt außerdem von dem guten Ruf, den Deutschland bei internationalen Investoren und Einzelhändlern genießt. So suchen zum Beispiel internationale Modehändler intensiv nach weiteren Verkaufsflächen. Auf diese Gruppe entfielen im ersten Halbjahr 2016 knapp 42 Prozent der Vermietungen und Eröffnungen in Klein-, Mittel- und Großstädten, wie Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH, berichtet. Aber auch deutsche Bio- und Drogeriemärkte expandieren und suchen Platz für weitere Neueröffnungen.

Da Handelsimmobilien rar und teuer sind, suchen immer mehr Investoren nach Einkaufszentren oder Fachmärkten, die noch nicht optimal laufen. Mit neuen Konzepten wollen die Betreiber mehr Kunden anlocken. "Bestandsimmobilien mit Wertsteigerungspotenzial" seien gefragt, sagt Jan Dirk Poppinga, Head of Retail Investment von CBRE. IPH-Geschäftsführer Stumpf rät allerdings , die Zukunftsfähigkeit von Standort, Objekt und Nutzungskonzept besonders genau zu prüfen. Zumal sich auch nicht jedes ältere Shopping-Center auf den heutigen Standard bringen lässt, wie Nikolaus Thätner, Director Development bei der ECE, betont.

Für die nähere Zukunft rechnet Jörg Ritter, Mitglied im Management Board von JLL Germany, mit einem lebhafteren Markt. "In der Grundtendenz erwarten wir für den deutschen Retail-Investmentmarkt ein starkes zweites Halbjahr, weil derzeit viele Produkte auf dem Markt sind", darunter Portfolios und Shopping-Center. Aus seiner Sicht wird die zweite Jahreshälfte deutlich stärker ausfallen als die erste. Eine Einschätzung, der sich Poppinga und Piotr Bienkowski, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland, anschließen. Poppinga hält sogar ein Transaktionsvolumen im zweistelligen Milliardenbereich für möglich. Zumal laut Retail Real Estate Report der Hahn-Gruppe 65 Prozent der befragen 40 Investoren in den nächsten zwölf Monaten Handelsimmobilien kaufen wollen.

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