Handeln im Geschäft:"Wir sind doch nicht auf dem Basar!"

"Geht noch was beim Preis?" Diese Frage stellen nur wenige Deutsche beim Einkaufen - Feilschen ist nicht beliebt, obwohl vor zehn Jahren das Rabattgesetz fiel. sueddeutsche.de wollte wissen, wie es Kunden beim Handeln ergeht und hat einen Reporter auf den Münchner Einzelhandel losgelassen - ein Selbstversuch.

Mario Lochner

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Edeka bespitzelt offenbar seine Mitarbeiter seit Jahren

Quelle: ddp

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"Geht noch was beim Preis?" Diese Frage stellen nur wenige Deutsche beim Einkaufen - Feilschen ist nicht beliebt, obwohl vor zehn Jahren das Rabattgesetz fiel. Sueddeutsche.de wollte wissen, wie es Kunden beim Handeln ergeht und hat einen Reporter auf den Münchener Einzelhandel losgelassen - ein Selbstversuch.

Los geht's im Supermarkt: Lachs für 3,19 Euro - das ist mir zu teuer. "Geht da noch was mit dem Preis?", frage ich die Verkäuferin. "Nein, warum?", antwortet sie, überrascht - aber höflich. "Weil er mir zu teuer ist." Nein, da gehe leider nichts mit dem Preis, sagt sie, wirklich nicht. Auch bei einem kleinen Kübel Schokopudding will ich weniger zahlen, er ist zwar schon reduziert, aber immerhin läuft er doch in zwei Tagen ab - auch hier geht nichts. Nachdem ich mich als Testfeilscher geoutet habe, will ich wissen, ob ich eine Ausnahme bin. Im Supermarkt offenbar schon, die Verkäuferin erklärt mir, dass ihre Kunden nie handeln würden - und wenn doch, gebe es sowieso keinen Rabatt.

KOSMETIK DOUGLAS PARFUEMERIE MAKE UP

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In der Parfümerie habe ich schnell einen passenden Duft gefunden, aber der Preis: 58 Euro. Da muss doch noch was gehen. Die Verkäuferin reagiert souverän auf meine Nachfrage, als wäre sie es gewohnt, den ganzen Tag lächelnd den Kopf zu schütteln - es gehe grundsätzlich nichts bei den Preisen. Nur mit einer Kundenkarte gebe es zwei Prozent Rabatt.

Humanic Schuhladen

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Vielleicht habe ich im Schuhladen mehr Glück. Die hässlichen Herren-Sandeletten im Eck für 40 Euro, da muss man doch was rausholen können. Ich bitte eine Verkäuferin um Rabatt. 20 Prozent gebe es sowieso auf die Schuhe, aber ich will mehr - als Kaufpreis schlage ich 25 Euro vor. Aber nein, die Verkäuferin habe ihre Vorgaben und dürfe mir die Schuhe nicht für diesen Preis verkaufen. Als ich mein Experiment schließlich abbreche, erzählt sie mir, dass Kunden immer wieder nach einem Rabatt fragten, sie seien aber doch in der Minderheit.

Temperaturanstieg rettet Eisdielen das Geschaeft

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Auf dem Weg zum nächsten Opfer komme ich an einer Eisdiele vorbei. Einen Euro kostet die Kugel, das war doch früher auch mal billiger. "Bekomme ich die Kugel für 50 Cent?", frage ich die italienische Verkäuferin. Damit hat sie nicht gerechnet, sie überlegt kurz und deutet panisch auf eine Uhr an der Wand: Ihre Chefin sei erst wieder später da, sie könne das leider nicht entscheiden. Die Chefin scheint streng zu sein. Schade, leider kein Eis.

Kreuzberger Friseurmeisterin will mit Style-Flatrate Kunden ueberzeugen

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Nach den ganzen Abfuhren wäre doch ein Friseurbesuch nett, vielleicht liegt es ja an meinen Haaren, dass ich so erfolglos bin. Ab in den Salon: 25 Euro für Waschen und Schneiden. Dreimal frage ich erfolglos nach einem Nachlass, dann biete ich an, 20 Euro zu bezahlen. Die Chefin schaut mich böse an, nein, so was mache sie nicht, schließlich habe man feste Preise. "Dann geh ich eben woanders hin", sage ich und hoffe, dass sie doch noch einknickt. Aber sie bleibt hart: "Wenn Sie nur 20 Euro zahlen wollen, müssen Sie eben mit gewaschenen Haaren kommen."

Saechsische Weinkoenigin praesentiert Weinkoeniginnen-Wein

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Zwischenfazit: Die Verkäufer sind bisher nicht zu knacken - kein einziger erfolgreicher Handel. Vielleicht muss ich aggressiver feilschen. Weiter geht's also mit neuer Taktik.

Gut dass ich an einer Weinhandlung vorbeikomme. Im Schaufenster sehe ich ein interessantes Angebot: zwölf Flaschen spanischen Rotweins, heruntergesetzt von 90 Euro auf 50. Bei dem Ladenhüter muss doch endlich ein Rabatt drin sein. "Nein, tut mir leid, der Wein ist doch eh schon so billig", antwortet die Verkäuferin auf Nachfrage. "Aber anscheinend will ihn keiner haben, wenn er so stark reduziert ist", sage ich, "dann können Sie ihn mir doch wenigstens für 40 Euro geben." Die Verkäuferin lehnt ab. "Wollen Sie nichts verkaufen?", frage ich. Als Antwort bekomme ich nur, dass ich resolut sei - aber wieder kein erfolgreicher Handel.

Media-Markt und Saturn peilen Milliardenumsatz mit Eigenmarken an

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Bei Elektrogeräten ist vielleicht ein gutes Geschäft möglich: Im Druckergeschäft frage ich nach einem Vorführmodell, es kostet 269,90 Euro. "Was geht denn noch beim Preis?" Leider nichts, noch billiger gehe es nur im Online-Shop, sagt mir der Verkäufer und drückt mir eine Karte mit Internetadressen in die Hand. "Aber Sie wollen den Drucker schon verkaufen, oder nicht?", frage ich. Der Verkäufer blickt verzweifelt auf das Preisschild - und bleibt erstaunlich freundlich. "Ja, natürlich, aber ich darf Ihnen keinen Rabatt geben." Die Preise seien alle schon am Limit. Und wenn, dann könne das nur der Chef entscheiden.

Die Modebranche könnte die steigenden Baumwollpreise bald auf Jeans und Co. aufschlagen.

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Nächste Station: Kaufhaus. Eine dunkelblaue Jeans gefällt mir, aber 50 Euro? Darüber muss ich noch mal reden. "Was geht denn beim Preis?", frage ich eine Verkäuferin. Sie wirkt schockiert. "Das sind neue Hosen", antwortet sie. "Aber die anderen Waren sind doch auch alle reduziert.", sage ich. Das hätte ich besser nicht gesagt. "Wir sind doch nicht auf dem Basar!", sagt sie. "Das ist mir schon klar, aber ich bezahle trotzdem höchstens 40 Euro für die Jeans." "Ich darf Ihnen keinen Rabatt geben, würden Sie wegen zehn Euro Ihren Job riskieren?" Ich löse die Situation lieber auf, bevor die Gute verzweifelt. Plötzlich lächelt sie. Aber völlig überzeugt ist sie nicht. "Sie sind aber kein Testkäufer, den der Chef geschickt hat?"

New Covent Garden Flower Market Gears Up For Valentines Day

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Immer noch kein Erfolg - ich starte einen letzten Versuch beim Blumenhändler. Gerbera für zwei Euro das Stück. Meine Frage nach einem Rabatt verneint die Verkäuferin. Ich frage noch mal, sie verneint wieder - ich nerve sie so lange, bis sie schließlich den Chef holt. "Bekomme ich wenigstens einen Rabatt, wenn ich zehn Stück kaufe?", frage ich ihn. Er bietet mir zehn Prozent an. Ich versuche noch mehr rauszuholen, aber er sagt, dass wirklich nichts mehr drin sei. Ich erbarme mich, immerhin ein erster Erfolg. Als ich die beiden über den Test aufkläre, erzählen sie mir schließlich, dass durchaus einige Kunden zu handeln versuchen. Vor allem abends feilschten viele um den Preis.

Euro-Münzen

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So sieht mein Ergebnis aus: zwei Euro habe ich herausgeholt - bei neun Versuchen. Ich habe es freundlich versucht, habe zigmal nachgefragt, bin auch unverschämt geworden - doch fast alle Verkäufer haben mich abblitzen lassen. Handeln ist in Deutschland erlaubt und möglich - aber normal ist es anscheinend nicht.

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