Handel:Zalando zieht es in die Stadt

Zalando-Paket

Händler wie Zalando stehen vor der Herausforderung, Ökosysteme zu schaffen - um dort neue Bedürfnisse bei den Kunden zu wecken.

(Foto: Bodo Marks/dpa)

Einst revolutionierte Zalando das Geschäft mit Schuhen und Kleidung, nun übernimmt der Onlinehändler mit Kickz ein kleines, aber feines Filialnetz - und folgt damit dem großen Trend im Handel.

Von Michael Kläsgen

Zalando kauft Kickz. Das muss man nicht auf Anhieb verstehen. Doch bei näherer Betrachtung gibt der Kauf Aufschluss über gleich mehrere Phänomene, die sich derzeit im Einzelhandel abspielen. Erstens: Reine Online-Händler suchen derzeit nach Gelegenheiten, zu ihnen passende Läden in den Innenstädten zu ergattern. Was, zweitens, ein gutes Zeichen für die angeblich von der Verödung bedrohten Einkaufsstraßen ist. Und drittens und am wichtigsten: Man kommt am (leider sperrigen) Begriff der Plattform-Ökonomie nicht vorbei, wenn man verstehen will, was sich da gerade im Online und Offline-Handel tut.

Vordergründig geht es dabei um die Verzahnung von Online- und stationärem Handel zu einem rund um die Uhr geöffneten, omnipräsenten Kaufangebot. Aber nicht nur das: Bei dieser Verzahnung geht es längst nicht mehr nur darum, einen Online-Shop zu eröffnen. Das ist die Denke von gestern. Heute besteht die Herausforderung für die Händler darin, Ökosysteme zu schaffen, in denen Marken mit Kunden, Kunden mit Marken, Kunden mit Produkten oder Stylisten kommunizieren. Das alles mit dem Ziel, der jeweiligen Klientel Angebote machen zu können, von denen sie selber noch nicht wusste, dass sie die Produkte unbedingt haben will.

Bei Kickz durchweht selbst Schwabing ein Hauch von Bronx

Genau deswegen kauft Zalando, der nach Amazon und der Otto Group drittgrößte Online-Händler in Deutschland, Kickz, einen Sneakers-, Basketball- und Streetwear-Händler aus München. Die von Christian Grosse gegründete Firma eröffnete 1993 den ersten Laden an der Münchner Freiheit: Kickz Monaco. Inzwischen sind es 15 bundesweit. Kickz schwamm in den Neunzigerjahren auf der Basket- und Baseball-Welle in Deutschland, ist aber längst zu Streetwear übergegangen: Neben Sneakers und Baseball-Kappen hängen längst auch T-Shirts, Jacken und Hosen an den Wänden. Alles sehr amerikanisch, alles sehr cool. Die Verkäuferinnen und Verkäufer haben Namen wie Jess, Meki oder Mahdi und, wenn sie männlich sind, tragen sie nicht selten einen Bart und eine dieser Caps auf dem Kopf, die man im Laden kaufen kann, vorzugsweise natürlich verkehrt herum. Cool, wie gesagt. Bei Kickz durchweht dann selbst Schwabing ein Hauch von Bronx.

Es ist genau diese Art von "Einkaufs- oder Erlebniswelt", wie sie im Einzelhandel sagen, die Zalando gesucht hat. "Wir verschaffen unseren Kunden damit den Zugang zu einer authentischen Basketballwelt, die Zalando selber so nie schaffen könnte", sagt Zalando-Gründer und Vorstand David Schneider. "Genau das ist das Ziel beim Aufbau unserer Plattform: Wir wollen ein einzigartiges Einkaufserlebnis für unsere Kunden schaffen. Die 15 Läden von Kickz gehören dazu."

"Kickz ist ein extrem spannendes Experimentierfeld"

Zalando steigt damit gleich bundesweit zwischen Hamburg, Berlin, Stuttgart und München in den stationären Handel ein. Bisher betrieb der Online-Händler nur drei Outlet-Stores, in denen er Restposten anbot - nicht vergleichbar mit dem Filialnetz, das nun entsteht. Möglicherweise ist das ausbaufähig. In Berlin hat die Partnerschaft mit Adidas zudem zwei Verkaufsstellen hervorgebracht. Aber was da jetzt passiert, geht weit über die Kooperation mit dem Sportartikelhersteller aus Franken hinaus. Zalando übernimmt zu hundert Prozent ein zwar kleines, aber doch in den jeweiligen Top-Lagen der Städte ausgebreitetes Filialnetz. Ein Insider erinnert daran, dass der große Schuhhändler Deichmann den Streetwear-Händler Snipes übernahm und dessen Filialnetz seitdem stark gewachsen ist. Ausschließen will auch Zalando-Gründer Schneider nichts. Dem Online-Händler bieten sich dank der Läden diverse Vorteile. Schneider: "Zalando könnte sie für schnellere Zustellungen nutzen oder um Retouren entgegenzunehmen. Darin könnten auch persönliche Beratungsgespräche oder lokale Events stattfinden."

Aber vorerst will Schneider den Kauf als Test verstanden wissen. "Kickz ist ein extrem spannendes Experimentierfeld", sagt er, "das Raum für Tests mit Spezialisten innerhalb unserer Plattform bietet." Er verrät aber auch, dass Zalando nichts neu erfinden will. "Unser Ziel ist es nicht, neue Offline-Konzepte zu schaffen, sondern bestehende Offline-Konzepte zu nutzen."

Umgekehrt will Zalando seinen Kunden im Online-Shop exklusiveren Zugang zu Produkten und einen personalisierten Zugang zu ihrer individuellen Basketball-Einkaufswelt verschaffen. Langfristig sollen sie per App über neue Produkte informieren werden, personalisierte Streams angeboten bekommen und auf lokale Inhalte aufmerksam gemacht werden. Kickz bleibt eigenständig und Gründer Grosse für das Geschäft verantwortlich. "Kickz ist und bleibt weiterhin Basketball", versichert er und hofft, "mit Zalando das beste Einkaufserlebnis für alle Basketball- und Sneaker-Fans in ganz Europa aufbauen zu können".

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