Handel mit den USA:Zwei Orte, eine Botschaft

Handel mit den USA: Ein Mitarbeiter richtet die Flaggen der USA und der Europäischen Union.

Ein Mitarbeiter richtet die Flaggen der USA und der Europäischen Union.

(Foto: John Thys/AFP)

Weder in Berlin noch in Washington weiß man, wie es mit den Wirtschaftsbeziehungen weitergeht. Die internationale Agenda steht plötzlich auf der Kippe.

Von Cerstin Gammelin

Wer wissen will, wie es um die Zusammenarbeit der Trump-Administration mit internationalen Organisationen bestellt ist, erhält an diesem Montag in Berlin nur eine Antwort: Sie hat noch nicht begonnen. Maurice Obstfeld, Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) sitzt in einem Berliner Hotel mit Journalisten zusammen. Er hat viele Fragen zu globalen Konjunkturprognosen, über Währungspolitik und Handelsabkommen beantworten müssen und Sätze gesagt, die mit "ich hoffe", "ich gehe davon aus" oder "wir erwarten" begonnen haben. "Es ist nicht klar, was kommt", sagt der erfahrende Ökonom irgendwann. Und, nein, optimistisch sei er nicht gestimmt. Aber bereit, in verschiedene Richtungen zu denken.

Ähnlich hört es sich an, als das Bundesfinanzministerium kurz darauf, ein paar Kilometer entfernt von Obstfelds Hotel, über das Treffen der Finanzminister und Notenbank-Chefs der G-20-Staaten am Ende dieser Woche in Baden-Baden informiert. "Es gibt keinen Grund, in unseren Beziehungen zu den USA pessimistisch zu sein", verlautet dort. "Das heißt nicht, dass wir keinen Diskussionsbedarf haben, über Steuern und so weiter".

Zwei Orte, eine Botschaft. Man wartet auf Donald Trump. Man wartet darauf, dass sich der US-Präsident, dessen Politikstil es ist, bilaterale Deals auszuhandeln, weil er damit die Stärke der USA voll ausspielen kann, dazu äußert, wie er mit internationalen Organisationen umgehen will.

Dass es Trump nicht eilig damit hat, zeigt sich daran, dass zwei Monate nach Amtsantritt die großen Linien noch nicht gezogen sind. Für die globale Gemeinschaft ist das ärgerlich. Der IWF und die G 20 zählen zu den bedeutendsten internationalen Gremien, insbesondere für Industrieländer. Der IWF gilt als Weltfinanzpolizist, die G 20 als wirtschafts- und finanzpolitischer Wegweiser.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich sehr bemüht, im Jahr der Bundestagswahl die G-20-Gemeinde als Gastgeberin willkommen zu heißen. Es sollte eine Gelegenheit sein, um internationale Kompetenz auszuspielen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sah den Vorsitz als Bühne, um sich vor den Wählern als Vorkämpfer gegen globale Steuertricksereien und Steuerflucht zu inszenieren.

Die Pläne sind Makulatur, legt man die Ankündigungen des neuen US-Präsidenten als Maßstab an. Trump will bilaterale Handelsverträge statt multilateraler Abkommen. Er will US-Firmen steuerliche Vorteile verschaffen und massiv Steuern senken. Er will den Dollar schwach sehen, um US-Güter preiswerter verkaufen zu können. Setzte er das durch, würde der starke G-20-Wegweiser zu einem Fähnchen im Wind.

Trump operiert mit Begründungen, die Ökonomen wie Obstfeld nervös machen. Etwa die Behauptung, das amerikanische Handelsbilanzdefizit sei "schlecht" für Amerika. Falsch, sagt Obstfeld. Es gibt keinen Beweis, dass das Defizit den USA geschadet hat oder schaden wird. Untersuchungen zeigten, dass es auch Ausdruck einen starken Binnennachfrage sein kann.

Aus Sicht der deutschen G-20-Gastgeber geht es jetzt um Schadenbegrenzung. Sie wollen den internationalen Prozess am Laufen halten. Dazu gehört, dass die Finanzminister auf ihrem G-20-Treffen Ende der Woche in Baden-Baden eine gemeinsame Erklärung verabschieden. Die deutschen Sherpas suchen nach Formulierungen, die hinreichend vage wie zuversichtlich sind, damit alle Teilnehmer unterschreiben.

Es gibt keinen Beweis, dass das US-Handelsbilanzdefizit dem Land geschadet hat

Und sie haben die Tagesordnung den Umständen angepasst. Erster Punkt am ersten G-20-Tag: die weltweiten Konjunkturaussichten. Aus deutscher wie europäischer Sicht ein eher angenehmes Thema, schließlich liegen die Europäer über den Prognosen. Und die USA? "Wir werden mit den US-Kollegen über die wirtschaftspolitische Ausrichtung der USA sprechen", heißt es im Bundesfinanzministerium. Eine Liste soll erarbeitet werden mit Leitlinien, die bei nationaler Gesetzgebung beachtet werden sollen. Dahinter schwingt die Hoffnung mit, die USA in den internationalen Prozess einbinden zu können. Der zweite Tagesordnungspunkt ist ganz ohne US-Hilfe abzuarbeiten. Schäuble hat fünf afrikanische Staaten eingeladen, um Investitionspartnerschaften zu diskutieren. Sie sollen helfen, die Menschen vor Ort von der Flucht nach Europa abzuhalten. Die Elfenbeinküste, Ruanda, Marokko, Tunesien und Senegal reisen an. Geld wird G 20 nicht geben, aber "politische Unterstützung". Was bedeutet, dass diese Länder leichter an die Töpfe des IWF oder der Weltbank gelangen können.

Die wirklich strittigen Themen sollen dann am Samstag in Baden-Baden besprochen werden: Steuern auf digitale Wertschöpfung, weltweiter Kapitalverkehr, internationale Steuerflucht und der Kampf dagegen sowie Schattenbanken, Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Und natürlich Währungspolitik. Zwar verlautet allenthalben, man erwarte keinen Währungskrieg, die G 20 halte sich an ihr Versprechen, Währung nicht zu manipulieren, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

Ob das so bleibt? Obstfeld zweifelt. Und erklärt den Einfluss von massiven Steuersenkungen auf das Währungsgefüge: Zwar gebe es ein Menge Unsicherheiten darüber, wie die "ultimative Steuerreform" Trumps letztlich aussehen werde. Was aber einige der diskutierten steuerpolitischen Maßnahmen angehe, etwa die Importbesteuerung, so würden diese den Dollarkurs steigen lassen. Das würde sich auch auf andere Länder mit Dollar-Schulden auswirken.

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