Handel: Edeka und Rewe:Wenn Milchmädchen rechnen

Mitten in der Krise wollen Edeka und Rewe 50.000 neue Stellen schaffen. Das klingt zunächst gut. Doch was für Jobs entstehen da?

Lena Deutsch

Es schien endlich eine gute Nachricht zu sein: Mitten in der Finanzkrise expandieren die beiden größten deutschen Lebensmitteleinzelhändler.

Edeka, dpa

Ekeka will zehntausende neue Jobs schaffen - ob das eine Milchmädchenrechnung ist, wird sich erst zeigen.

(Foto: Foto: dpa)

Marktführer Edeka will bis Ende 2010 rund 1000 neue Supermärkte sowie Discountfilialen eröffnen - und auch Rewe plant bis 2013 immerhin 750 zusätzliche Geschäfte in Deutschland. So sollen insgesamt 50.000 neue Stellen entstehen.

Welch Lichtblick im eher trüben Einzelhandelsgeschäft: Mit rund 347 Milliarden Euro liegt das Umsatzvolumen nicht nennenswert über dem Wert des Jahres 2003 - genauer gesagt um 0,2 Prozent.

"Der Einzelhandel dümpelt seit Jahren so vor sich hin", bestätigt der Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, Hubertus Pellengahr. Schuld daran seien die enormen Energiepreise und die hohen steuerlichen Belastungen. "Darunter leidet die Kaufkraft der an sich konsumfreudigen Mittelschicht."

Die Folge: Der Einzelhandel hat immer weniger Leute beschäftigt. 2007 waren es 153.600 Personen weniger, ein erneuter Rückgang von 5,7 Prozent.

Die Konsumkrise betrachtet Verbandssprecher Pellengahr dennoch als Chance: "Erfolgreiche Formate und Konzepte setzen sich gerade in schwierigen Zeiten besser durch." Dann zeige sich, wer seine Hausaufgaben gemacht habe - "es trennt sich die Spreu vom Weizen."

Qualität statt Quantität

Dass Handelsunternehmen aus der Krise Gewinn schlagen können, zeigt sich bei Lebensmitteln. Diversifizierung sehen die Verantwortlichen als Erfolgsrezept. Bei Edeka gebe es einerseits 4700 selbstständige Einzelhändler sowie andererseits die Discounttochter Netto. Aufgrund dieser Aufspaltung sei es möglich, "auf die spezifischen Kundenbedürfnisse einzugehen", erklärt ein Edeka-Sprecher. Rewe-Chef Alain Caparros trompetet: "Der Handel ist ein Jobmotor."

Die Gewerkschaften sind da skeptisch. Günter Isemeyer, Sprecher des Verdi-Bundesvorstands, will zwar kein Wasser in den Wein kippen, rechnet aber vor, dass oft die Jobs von Unternehmen, die aufgekauft oder zusammengeführt werden, einberechnet werden.

"Außerdem ist nicht die Anzahl der neuen Stellen letztlich entscheidend", so Isemeyer, "sondern deren Qualität." Also: Alles nur eine Milchmädchenrechnung?

Der Edeka-Sprecher will jedoch keine Abstriche in der Qualität der Arbeitsplätze gelten lassen: "Wir nehmen das gesamte Spektrum an Beschäftigungsmöglichkeiten in Anspruch: Vom Marktleiter bis zur Kassenkraft werden sowohl Teil- als auch Vollzeitarbeitsplätze geschaffen."

Die Praxis sieht bislang anders aus, jedenfalls nach den gewerkschaftlichen Zahlen. So weist die Studie Einzelhandel Branchendaten 2007/2008 von Verdi einen Rückgang der Vollzeitbeschäftigten zwischen 2003 und 2007 um 10,5 Prozent auf etwa 1,2 Millionen Beschäftigte aus.

Wenn Milchmädchen rechnen

Zwar wuchs im gleichen Zeitraum die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitstellen um fast sechs Prozent - doch auffällig ist auch, dass die Zahl der geringfügig entlohnten Beschäftigten um fast fünf Prozent gestiegen ist.

25 Prozent der Jobs nicht sozialversicherungspflichtig

Es gibt demnach einen eindeutigen Trend im Einzelhandel, die Niedriglohn-Jobs zu Lasten von Normalarbeitsstellen auszuweiten.

Nur noch jeder zweite Arbeitsplatz ist eine Vollzeitstelle. Insbesondere bei den Frauen dominiert die Teilzeitarbeit, wobei fast die Hälfte auf geringfügige Beschäftigung entfällt. Aufgrund ihrer Flexibilität und kürzeren Arbeitszeit erleichtern solche Jobs gerade für Mütter die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie.

Doch für die Betriebe gibt es ein Problem: Die Läden sind länger geöffnet, es gibt weniger personal - und damit werde die flexible Arbeitsplanung, so eine Studie der Technischen Universität Chemnitz, immer schwieriger.

Gerade im Einzelhandel ist die Arbeit zu sogenannten "unsozialen" Zeiten - also in den Abendstunden sowie an Samstagen und verkaufsoffenen Sonntagen - weit verbreitet. Regelmäßige Wochenarbeitszeiten zwischen 55 und 70 Stunden sind nicht außergewöhnlich.

Die Politik vieler Betriebe bestehe darin, "aus einer Vollzeitstelle zwei Teilzeitstellen zu schaffen und sich dann noch damit zu rühmen, Stellen geschaffen zu haben", erklärt Verdi-Mann Isemeyer.

Die Bezahlung im Einzelhandel ist überwiegend schlecht: Während die Unternehmensgewinne seit 2004 explodierten, fällt die Steigerung der tariflichen Monatsgehälter erstmals seit 2000 unter die Inflationsrate.

Beschäftigungsform ist standortabhängig

Problematisch ist außerdem, dass die Mitarbeiter bei den "Minijobs" und "Midijobs", im Gegensatz zu den sozialversicherungspflichtigen Voll- und Teilzeitstellen, keinerlei soziale Absicherung für die Rente erhalten.

Tendenziell zeigt sich, dass Supermärkte und Discounter vor allem Teilzeitstellen und geringfügig Beschäftige anstellen, während die Warenhäuser überwiegend auf qualifizierte Vollzeit-Fachkräfte setzen. Während an der Verkaufsfront meist Minijobber und Teilzeitbeschäftigte arbeiten, finden sich im Management vorwiegend Vollzeitstellen.

Der Edeka-Sprecher warnt jedoch vor einer Pauschalisierung: "Die Beschäftigungsform ist immer abhängig von dem jeweiligen Standort und der Zusammensetzung des Teams vor Ort."

Genaue Angaben über die tatsächliche Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs will das Unternehmen jedoch nicht machen: "Die selbstständigen Edeka-Einzelhändler führen eine individuelle Personalplanung durch. Auch die Netto-Filialen operieren unabhängig von Edeka."

Solange sich Rewe und Edeka also in der Frage, wie die neuen Stellen aussehen werden, bedeckt halten, wird sich der Jubel der Gewerkschaften in Grenzen halten.

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