Handel:China geht auf Trump zu - und könnte Deutschland schaden

Shipping containers are stacked at the Paul W. Conley Container Terminal in Boston

Schiffscontainer im Hafen von Boston.

(Foto: REUTERS)
  • China und die USA verhandeln derzeit, um eine Eskalation des Handelsstreits abzuwenden.
  • Ein neuer Vorstoß der Chinesen: Das Handelsdefizit senken, also viel mehr US-Waren kaufen. Dies könnte zulasten deutscher Hersteller gehen, die ebenfalls an China verkaufen.

Von Christoph Giesen, Peking, und Claus Hulverscheidt, New York

Dass Donald Trump sich um Etikette nicht schert, haben schon viele Erdenbürger leidvoll erfahren müssen: mexikanische Zuwanderer, die er pauschal als Vergewaltiger verunglimpfte, ausländische Amtskollegen, die er beim Gipfel-Foto brüsk zur Seite drängte, amerikanische Minister, die er öffentlich maßregelte.

Der jüngste zeremonielle Fehltritt des US-Präsidenten allerdings war eher ein Zeichen der Hoffnung: Am Donnerstagabend empfing Trump Chinas Vizepremier Liu He zum Gespräch, einen Mann, der protokollarisch zwei Stufen unter ihm steht und deshalb im Normalfall keinen Termin erhielte. Dass es dennoch klappte, zeigt: Dem Präsidenten ist trotz aller Brachialrhetorik offenbar daran gelegen, den Handelskonflikt mit China möglichst auf dem Verhandlungswege beizulegen.

Auch wie ein Kompromiss in etwa aussehen könnte, wurde am Rande von Lius Washington-Aufenthalt deutlich: Nach Angaben von US-Regierungsvertretern bot der Vertraute von Präsident Xi Jinping an, Chinas enormen bilateralen Handelsüberschuss von zuletzt 375 Milliarden Dollar um 200 Milliarden zu reduzieren. Dabei helfen soll eine gigantische Importoffensive. Zwar bestritt ein Sprecher des Pekinger Außenamts umgehend, dass man einseitige Zugeständnisse machen werde. Doch offenbar setzt auch Xi auf eine Verhandlungslösung. Lius Gespräche mit mehreren US-Ministern liefen am Freitagabend noch.

Statt Maschinen von Airbus kaufen die Chinesen dann bei Boeing

Für den auf kurzfristige Ergebnisse fixierten Trump wäre ein Entgegenkommen der Chinesen ein gewaltiger Erfolg, der sich schon bald öffentlichkeitswirksam mit den monatlich Handelsbilanzzahlen belegen ließe. Zwar bezweifeln Experten, dass Peking überhaupt in der Lage wäre, den Handelsüberschuss durch die Konzentration von Flugzeug-, Rohstoff- und Energieimporten auf die USA kurzfristig um mehr als 100 Milliarden Dollar abzubauen. Allerdings könnten die Chinesen zugleich Exporte über Drittstaaten umleiten und das Plus so künstlich reduzieren.

Die Leidtragenden eines solchen Deals könnten die Europäer sein. Statt Maschinen von Airbus würden chinesische Fluglinien dann auf Anordnung aus Peking wohl bei Boeing einkaufen. Ähnlich könnte es im Maschinenbau, in der Chemieindustrie, der Energietechnik oder beim Medizinequipment aussehen. Gasturbinen und CT-Scanner kämen künftig von General Electric statt von Siemens. Europäische Firmen wären dann gezwungen, ihre Produktion vermehrt in die USA zu verlegen, um weiter in China zu verdienen.

Für Konzerne wäre das machbar, für den Mittelstand dagegen eine große Herausforderung. Auf der anderen Seite könnten deutsche Autobauer wie BMW oder Mercedes profitieren, denn ihre in China sehr beliebten Luxus-Geländewagen werden in US-Werken gefertigt. Hier könnte der chinesische Einfuhrzoll für "amerikanische" Autos von 25 Prozent deutlich sinken.

Manche US-Konzerne treibt allerdings bereits die Sorge um, dass sich Trump von Zugeständnissen Chinas beim Handelsüberschuss blenden lassen und die eigentlichen Probleme aus den Augen verlieren könnte. Den Firmen geht es vor allem um den Schutz geistigen Eigentums, um freien Marktzugang in der Volksrepublik und die Subventionierung von Konkurrenten im Rahmen des ehrgeizigen Industrieprogramms "Made in China 2025". Die Regierung Xi will in den kommenden Jahren mindestens 300 Milliarden Dollar investieren, um in zehn als besonders zukunftsträchtig geltenden Branchen chinesische Weltmarktführer heranzuzüchten. Dazu gehören etwa der Fahrzeugbau, die Halbleiterindustrie, die Zugtechnik und der Bereich künstliche Intelligenz.

Die Volksrepublik investiert in eigene Firmen und blockiert ausländische

In Washington, aber auch in Berlin und Paris, ist die Angst vor "Made in China 2025" groß, denn die Folgen sind bereits heute sichtbar. Erst 2015 hatte Ministerpräsident Li Keqiang die Agenda zum ersten Mal vorgestellt, doch schon im Jahr darauf schnellten die Firmenübernahmen aus China in Europa in ungeahnte Höhen. Vor allem der deutsche Mittelstand mit seinen zahlreichen Weltmarktführern in Industrienischen ist ins Visier chinesischer Unternehmen geraten. Von 2015 auf 2016 stieg das Übernahmevolumen in Deutschland um das Dreißigfache.

Auch in der Volksrepublik ist "Made in China 2025" überall zu spüren: Heimische Firmen werden mittlerweile offen bevorzugt. Staatliche Krankenhäuser etwa sind angehalten, Medizintechnik aus einem Behördenkatalog auszuwählen - europäische Hersteller sucht man dort vergebens. Chinas Zughersteller CRRC wiederum arbeitet bei Ausschreibungen mit einem Punktesystem: Chinesische Unternehmen erhalten vorab zehn Bonuspunkte, Joint Ventures chinesischer und ausländischer Firmen fünf und ausländische Anbieter null. Die Konsequenz: Das beste Angebot setzt sich nur selten durch.

Nicht nur US-Kritiker, sondern auch Regierungen und Unternehmen in Europa verlangen mehr oder weniger lautstark, dass Peking das Industrieprogramm bis 2019 einstellt. Anders als in der Frage des Handelsüberschusses gaben sich Chinas Unterhändler in Washington bei dem Thema jedoch zunächst überaus wortkarg.

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