Handel:Alle gegen TTIP

Thousands Protest TTIP And CETA Trade Accords

Demonstranten schwenken am Samstag Fahnen in Berlin.

(Foto: Axel Schmidt/Getty Images)

Der Protest gegen das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten eint Gegner mit ganz unterschiedlichen Motiven. In Berlin gingen am Samstag Tausende Menschen auf die Straße.

Von Hannah Beitzer, Berlin

Als Gesine Schwan das Wort ergreift, ertönen Pfiffe. Dabei hat die SPD-Frau doch Verständnis für die Tausenden Menschen auf der Straße des 17. Juni in Berlin. "Diese Demo ist wichtig." Diese Demo, das ist die bisher größte Demonstration gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP in Deutschland. Von 250 000 Teilnehmern sprechen die Veranstalter später, die Polizei schätzt, es seien mindestens 150 000 gewesen. Schwan wirkt verloren. Sie sieht Einzelheiten des TTIP zwar skeptisch, ist aber nicht dafür, die Verhandlungen zwischen den USA und der Europäischen Union gleich abzubrechen. "Ich weiß jetzt nicht, ob ihr mich auspfeift oder Sigmar Gabriel", witzelt sie.

Der SPD-Wirtschaftsminister ist für TTIP. Die Bundesregierung argumentiert, dass es den Handel zwischen den USA und der EU erleichtern und damit Investoren anlocken wird. Zölle sollen fallen, Waren und Dienstleistungen billiger werden und die Investoren natürlich Arbeitsplätze schaffen. Gewerkschaften, Grüne, Linkspartei, kirchliche und Umweltverbände sowie globalisierungskritische Gruppierungen glauben daran nicht. Aus ganz Deutschland sind die TTIP-Gegner mit Zügen und Sonderbussen gekommen, um zu demonstrieren. Der Protest gegen TTIP bringt die unterschiedlichsten Gruppen zusammen.

Die Demonstranten fürchten die geplanten Schiedsgerichte

"Das, was wir Bauern heute produzieren, liegt morgen bei euch auf dem Teller", begrüßt Gertraud Gafus, die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Demonstranten. Sie befürchtet, dass TTIP hauptsächlich den Konzernen dient und die Standards in der Lebensmittelproduktion sinken werden. Der evangelische Theologe Jochen Cornelius-Bundschuh von Brot für die Welt weist auf die Nachteile hin, die der Auffassung seiner Organisation zufolge Entwicklungsländer durch TTIP erlitten. "Die armen Länder des Südens haben keine Möglichkeit, mitzureden." Vertreter der Gewerkschaften befürchten den Verlust von Arbeitnehmerrechten, sie schwenken Fahnen des DGB, der IG Metall, der Bildungsgewerkschaft GEW. Datenschützer wiederum beklagen, dass TTIP Möglichkeiten zur Datenspeicherung und Überwachung biete.

Alle miteinander kritisieren, dass TTIP hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werde und nicht einmal Abgeordnete der nationalen Parlamente das Recht hätten, die Verhandlungsunterlagen einzusehen. Dafür aber Lobbyisten aus der Wirtschaft, so der Vorwurf. Auch die Kritik an den geplanten internationalen Schiedsgerichten eint die Demonstranten.

Einige Kritiker werfen den TTIP-Gegnern vor, sich mit ihrem Protest zu "nützlichen Idioten" antiamerikanischer und nationalistischer Gruppierungen und Parteien zu machen. Auch die sind nach Berlin gekommen. Es gibt Demonstranten, die auf Plakaten vor einer "Amerikanisierung Deutschlands" warnen. Auf der Bühne suchen Redner Distanz zu solchen Gruppen. "Wir sind gegen TTIP, nicht gegen die USA", sagt Verbraucherschützer Thilo Bode von Foodwatch. Schließlich schwäche das Abkommen nicht nur die Rechte europäischer Parlamente, sondern auch die Rechte der US-Parlamentarier. Auch Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates, hat Vorbehalte gegen TTIP. "Die Monopolgiganten Amazon, Apple und Google werden mit TTIP ihre marktbeherrschende Stellung ausbauen können", warnt er und, so fürchten es viele, Kulturschaffende, Urheber und kleinere Kulturunternehmen unter Druck setzen.

Ob sich alle Befürchtungen der Demonstranten bestätigen, weiß niemand. Noch ist das Abkommen nicht fertig. Wenn es nach den Demonstranten in Berlin geht, soll es das auch niemals werden - das wenigstens haben sie am Samstag ziemlich deutlich gemacht.

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