Hamptons:Millionäre unter sich

Jeden Sommer wieder zieht es den New Yorker Dollar-Adel in die Hamptons - wo sich alles um die ganz normalen Affären und Intrigen der Reichen und Schönen dreht.

Andreas Oldag

Raul Mejia wischt sich die Schweißperlen von der Stirn. Die Sonne brennt vom Himmel. Mit einer ratternden Elektrogartenschere balanciert der junge Mexikaner auf einer wackeligen Trittleiter. Seit Stunden säbelt er an einer drei Meter hohen Buchsbaumhecke, hinter der sich eine opulente, weiß gestrichene Villa verbirgt. "Ich muss mich ranhalten", meint der 28-Jährige, "bis zum Abend muss ich fertig werden." Morgen wolle der Besitzer des Hauses, ein reicher Wall-Street-Anwalt, kommen und hier eine große Party feiern, sagt er. Da müsse der Garten tipptopp sein.

Hamptons: Christie Brinkley sorgt in den Hamptons für den nötigen Gesprächsstoff: In diesem Jahr lästert man über die Ehekrise des Ex-Models .

Christie Brinkley sorgt in den Hamptons für den nötigen Gesprächsstoff: In diesem Jahr lästert man über die Ehekrise des Ex-Models .

(Foto: Foto: AP)

Gier, Geltungssucht und Geldausgeben

Mejia gehört zu den vielen illegalen Immigranten, die in den New Yorker Hamptons das Leben der Reichen und Schönen bequemer machen. Die einen feiern Partys und die anderen mähen Rasen, reparieren verstopfte Toiletten oder reinigen Pools. So geht es zu im Resort der amerikanischen Society.

Die Hamptons sind ein etwa 60 Kilometer langer Zipfel an der Südspitze Long Islands, der wie eine lange Nase östlich von New York in den Atlantik sticht. Hier offenbart sich eine Gesellschaft, die von Gier, Geltungssucht und Geldausgeben geprägt ist.

Jeden Sommer ein Skandal

Wie in jedem Sommer gibt es auch in diesem Jahr wieder einen Skandal, über den man sich den Mund zerreißt: Da grinst der schwerreiche Architekt Peter Cook bei einem Galaempfang mit seiner Ehefrau Christie Brinkley, einem Ex-Supermodel, in die Kamera, als wäre nichts gewesen. Doch offenbar war es mit der Zweisamkeit schon lange vorbei.

Auf seiner Sommerresidenz in den Hamptons soll sich der 47-jährige Lebemann, der für seine großzügigen Wahlkampfspenden an die demokratische Senatorin Hillary Clinton bekannt ist, mit einem 19-jährigen Teenie vergnügt haben. Cooks 15 Millionen Dollar teures Anwesen, das mit seinen voluminösen Säulen einem griechischen Tempel nachempfunden ist und genauso gut nach Disneyland passen würde, diente angeblich als Liebesnest.

Schmutzige Wäsche

Als süffisante Ergänzung zur Eheaffäre des Millionärs wusste die New York Post jetzt zu berichten, dass Cook als junger Mann 1982 beim Drogendealen in den Hamptons von der Polizei erwischt worden war. Das wird nur der Anfang der schmutzigen Wäsche sein, die von Anwälten nun im Ehekrieg ausgepackt wird.

In der New Yorker Klatschszene ist von Scheidung die Rede. Der Streitwert soll sich auf 60 Millionen Dollar belaufen. Die verlassene Ehefrau Christie Brinkley vergnügt sich indes beim Shopping in Sag Harbor. "Kann mir jemand sagen, wo ich mein Auto geparkt habe?", fragte sie aufgeregt nach dem Einkauf. Von "Peter" war nicht die Rede.

Millionäre unter sich

So wird in dem Resort der Millionäre intrigiert, betrogen und gestritten. Häufig geht es nach Art von abgedroschenen Seifenopern um Peinlichkeiten, meistens aber ums Geld. Cook ist dabei noch nicht einmal die größte Nummer im Land der Megareichen, die an den weißen Sandstränden und auf den ehemaligen Kartoffelfeldern der ersten europäischen Kolonisten aus dem 17. Jahrhundert ihre Millionenvillen gebaut haben.

Raus aus New York, rein in die Hamptons

In diesen heißen Sommerwochen setzt sich die Karawane wieder in Bewegung. Im geschäftigen Manhattan gähnt eine fast schon anormale Leere. New York zieht nach Long Island um. Die spritschluckenden Großraumwagen vom Typ Hummer oder Porsche Cayenne stauen sich auf dem Long Island Express Way, der von Manhattan geradewegs ins Reichenparadies führt.

In den Chefetagen an der Wall Street können sich die Sekretärinnen nun endlich exzessiver der Nagelpflege hingeben, weil es die Manager in die Sommerfrische der Hamptons zieht. Es ist eine Klassengesellschaft, die sich spätestens von der Highway-Ausfahrt Nummer 38 an zeigt - dort, wo die schimmernden Glasfassaden der Wolkenkratzer hinterm Horizont verschwunden sind.

Vollbeladene Familienkutschen der Marke Honda oder Toyota aus Brooklyn und der Bronx biegen nach rechts zum Jones Beach ab. Dort darf das Volk dicht an dicht in der Sonne schmoren. Von Hamburger-Restaurants wabert Frittenqualm über den Strand. Auf den fußballfeldgroßen Parkplätzen dröhnen Hip-Hop-Rhythmen.

Champagner-Strandpartys und Austernschlürfen

Die Schlange der Luxuskarossen zieht aber hundert Kilometer weiter nach Osten. Wer es sich leisten kann, fliegt mit dem Hubschrauber oder dem Privatjet zur Champagner-Strandparty in Southhampton oder zum Austernschlürfen nach East Hampton. Hier, wo New Yorker für die Anmietung eines Sommerchalets sechsstellige Summen hinblättern, ist man endlich unter sich.

Dazu gehört auch der Investmentbanker Ted Malley. Der Geschäftsmann hat sich in diesem Jahr ein Fünf-Zimmer-Haus mit Pool in Strandnähe gemietet. Am Wochenende ist er meistens hier draußen und genießt das schöne Wetter. "Die Aktienkurse verfolge ich auf meinem Blackberry", sagt der 54-Jährige.

Protziger Charme

Es ist der protzige Charme des New Yorker Dollar-Adels, der in den Hamptons regiert: Investmentbanker, Medien-Tycoons und Schauspieler. Der ehemalige Boss des Auktionshauses Sotheby's, Alfred Taubmann, hat in der sandigen Endmoränenlandschaft ebenso sein Anwesen wie Modezar Calvin Klein, Revlon-Besitzer Ron Perelman und Amerikas Superhausfrau, die Mutter des Countrydesigns, Martha Stewart. Die üppigen Villen verstecken sich hinter akkurat geschnittenen Hecken. Die Unterhaltungskosten - Steuern, Strom und Gartenpersonal - sind absurd hoch. Doch das spielt in der Premiumklasse der Multimillionäre keine Rolle.

Morgens schwingt die feine Gesellschaft den Golfschläger im exklusiven "Shinnecock Hills Golf Club". Nach dem Cocktail in der "Dockside Bar" in Sag Harbor gehört es zum politisch-korrekten Stil, sich auf Fundraiser-Partys für wohltätige Zwecke sehen zu lassen.

Millionäre unter sich

Gerne gesellen sich Prominente wie Ex-Präsident Bill Clinton oder Rap-Star Puff Daddy dazu - und alles wird abgelichtet im lokalen Hochglanzmagazin Hampton Style. Die kleinen, hässlichen Fehden, wie das Ehedrama Cook/Brinkley, finden ihren Weg allerdings auch in die profane Boulevardpresse.

Gier nach Luxusimmobilien

Doch auch diese Affären im Schatten der Glamourpartys tragen zum Mythos Hamptons bei. Mehr noch: Sie beflügeln nach Meinung von Immobilienmaklern sogar das Geschäft. "Seitdem Cooks Villa in der Presse abgebildet war, wollen die Leute unbedingt ein ähnliches Anwesen haben", meint ein junger Vertreter seiner Branche. Er sitzt auf der Veranda des American Hotels in Sag Harbor. Die Gold-Rolex lugt unter seinem Sakkoärmel hervor. Das Handy fiept. Auf seinem Blackberry läuft eine E-Mail nach der anderen ein. Wie ein Jäger mustert der "Real Estate Broker" die Passanten - immer auf der Suche nach gutbetuchten Kunden.

Die Gier nach Luxusimmobilien hat einen wahren Goldrausch ausgelöst. Während anderswo in den USA nach den Boomjahren die Hauspreise wieder sinken, ist davon in den Hamptons bislang nicht viel zu spüren. Kein Wunder, auch in diesem Jahr können die Wall-Street-Banker wieder mit üppigen Bonuszahlungen rechnen. Das Geld wird vorzugsweise in Luxusferienhäuser gesteckt.

"Die Preise sind in den Himmel gegangen", freut sich Immobilienmakler Peter Turino. Er hat vor kurzem eine Villa zum Rekordpreis von 43 Millionen Dollar in Amagansett vermittelt. Besonders begehrt sind ehemalige Häuser und Ateliers von Künstlern, welche die Hamptons schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts entdeckten. So wird ein früheres Anwesen von Andy Warhol in Montauk für 40 Millionen Dollar angeboten.

Nachkommen Hitlers leben hier

Die Hamptons sind so etwas wie Sylt, Monaco und St. Moritz zusammen. Im Schatten der opulenten Villen hat sich aber auch eine bunte Immigrantenszene entwickelt, die auf Long Island ihr Glück suchte und sucht. Dazu gehörte auch William Patrick Hitler. Der Halbneffe Adolf Hitlers, 1911 im englischen Liverpool geboren, führte zeitweise in Berlin das Leben eines Playboys, verkaufte Opel-Autos und wanderte dann 1939 in die USA aus.

Adolf Hitler nannte William Patrick wütend "einen meiner widerlichsten Verwandten". 1944 trat "Willy" sogar in die US-Navy ein, um, wie er sagte, seinem Onkel persönlich den Krieg zu erklären. Er sorgte in der amerikanischen Presse für Schlagzeilen. Dann wurde es aber ruhiger um ihn.

Er lebte in einem bescheidenen Holzhaus in Patchogue auf Long Island, wo er ein Labor für Blutproben betrieb. Zwei seiner vier Söhne - einer starb 1989 bei einem Autounfall - eröffneten einen Gartenbaubetrieb, von dem sie sich aber inzwischen zurückgezogen haben. Alle blieben kinderlos. Es ist ihnen gelungen, bis heute ihre wahre Identität zu verbergen - trotz des notorischen New Yorker Klatsches. So blieben die Nachfahren Hitlers eine Fußnote in der amerikanischen Geschichte.

Immigranten ohne Aufenthaltserlaubnis

Es gibt allerdings auch Long-Island-Immigranten, über die sich die reiche Gesellschaft nicht so intensiv informiert. Eine Gruppe von ihnen steht an diesem Tag an der Ecke zur Main Street in South Hampton. Es sind Menschen aus Mexico, Guatemala, Kolumbien und Peru. Sie suchen Arbeit, haben aber keine Aufenthaltserlaubnis für die USA. Wenn sich ein Polizeiwagen nähert, huschen sie hinter die grünen Hecken.

Manchmal gehört auch Raul Mejia dazu, wenn er wieder einmal einen Job sucht. Vor zwei Jahren ist der junge Mann aus Mexiko nach Long Island gekommen. Er wohnt zwar immer noch mit anderen Immigranten in einem heruntergekommenen Mietshaus im nahen Riverhead.

Doch Mejia ist ein gefragter Gärtner und Handwerker. Zwölf bis 15 Dollar verdient er die Stunde - das ist weit mehr, als illegale Einwanderer in New York City erhalten und das Zehnfache dessen, was Mejia in seiner Heimat verdienen würde. "Die Hamptons sind die große Chance für mich. Das Geld sitzt hier locker. Die Leute brauchen uns", meint der junge Mexikaner.

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