Hackfleisch-Produzent Beef Products:Schleimschlacht in Pink

Hackfleisch-Produzent Beef Products: Rindfleisch oder Abfall? Das entscheidet nun eine Jury.

Rindfleisch oder Abfall? Das entscheidet nun eine Jury.

(Foto: Nati Harnik/AP)

Ein amerikanischer Fleischfabrikant verklagt den Fernseh-Sender ABC auf Schadenersatz in Milliardenhöhe. Es geht um die Frage: Fleisch oder Abfall?

Von Kathrin Werner

Nachdem die Kuh zerlegt ist in Nackensteak und Tafelspitz, in Rostbraten und Rippe, nachdem alles, was noch aussieht wie Fleisch, zu Hack verarbeitet wurde, bleibt etwas übrig. Viele Menschen würden sagen: Was übrig bleibt, ist Schlachtabfall. Beef Products Inc. hingegen sagt: Was übrig bleibt, ist eine Geschäftsgelegenheit. Das US-Unternehmen zermalmt die Reste zu einer pinkfarbenen Paste und reinigt sie mit Ammoniak. Die schockgefrorene Substanz lässt sich Hackfleisch untermischen, sie ist billiger und fettärmer als Normalhack. Und: Mehr Fleisch pro Kuh ist gut für Tier und Umwelt, sagt der Hersteller BPI.

Die pinke Paste wurde über Jahrzehnte ein Erfolgsprodukt in den USA, zeitweilig steckte sie in 70 Prozent des amerikanischen Burgerfleischs aus dem Supermarkt, in den Buletten der großen Hamburgerketten und in einem guten Teil des Schulkantinenessens. BPI häckselte mehr als 2200 Tonnen pro Woche, der Absatz wuchs.

"Es dauerte 30 Jahre, um den Erfolg aufzubauen, und weniger als 30 Tage, um die Firma zu beschädigen", sagte Dan Webb, der Anwalt von BPI. Denn dann kam ABC News. Der US-Nachrichtensender, eine Tochter des Disney-Konzerns, recherchierte über die Sicherheit der Substanz und sprach in den Berichten von "pinkem Schleim". ABC habe BPI damit beinahe in den Ruin getrieben, klagt der Konzern.

BPI will 1,9 Milliarden Dollar Schadenersatz

Nun treffen sich der Hersteller und ABC News vor Gericht - in einem Örtchen im Bundesstaat South Dakota nahe des BPI-Firmensitzes, das landwirtschaftlich geprägt ist und dessen Bezirk Donald Trump 67 Prozent der Stimmen gegeben hat. Die Anwälte der Firma bedienen sich bei Trumps Vokabular und sagen: "Fake News". ABC habe unseriöse Quellen zitiert, falsche Behauptungen aufgestellt und die Firma mutwillig geschädigt.

BPI will 1,9 Milliarden Dollar Schadenersatz, der wegen eines Spezialgesetzes des Bundesstaats zum Schutz der Landwirtschaft vor Verunglimpfung auf 5,7 Milliarden verdreifacht werden könnte. ABC verweist auf die Pressefreiheit. Es könnte der größte Verleumdungsprozess der US-Geschichte werden.

ABC hat den Ausdruck nicht erfunden - aber angeblich sehr oft verwendet

Wenn es nach BPI geht, sollten sich alle an den offiziellen und deutlich weniger ekligen Namen des Produkt halten: Lean Finely Textured Beef (LFTB) - mageres, feinstrukturiertes Rind. Die Firma hat diese Schlacht allerdings verloren. Wer "Lean Finely Textured Beef" googelt, landet auf dem Wikipedia-Eintrag "Pinker Schleim".

Geprägt hat den Begriff angeblich ein Mikrobiologe der Landwirtschaftsbehörde USDA. Im Jahr 2002 soll er die Paste in einer E-Mail an Kollegen "pink slime" genannt und geschrieben haben: "Ich halte das Zeug nicht für Rinderhack und ich halte es für eine betrügerische Etikettierung, wenn es erlaubt ist, es Rinderhack zu nennen." Aus dieser E-Mail zitieren Medien seit Jahren, die New York Times gewann im Jahr 2009 mit einer langen Recherche zu Lebensmittelsicherheit sogar den Pulitzer-Preis. Erfunden hat ABC den Ausdruck also nicht. Aber, nach Angaben des BPI-Anwalts, innerhalb von vier Wochen mehr als 350 Mal verwendet, auf verschiedenen Kanälen.

Laut der Klage musste der Fleischverarbeiter drei der vier Fabriken schließen, Hunderte Arbeiter verloren ihre Jobs, die Umsätze sanken um 80 Prozent. Was BPI nicht erwähnt: Die drei größten Kunden, darunter McDonald's, hatten sich bereits vor dem ABC-Bericht entschlossen, das Produkt nicht mehr zu verwenden. ABC News verteidigt sich - das Produkt sei nun mal gesundheitsgefährlich und die Öffentlichkeit habe ein Recht, davon zu erfahren. Jetzt wird eine Jury entscheiden - mitten in Trump-Land.

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