Grundeinkommen:Ein Netz für prekäre Jobs

Überreichung des Aufrufs 'grundeinkommen abstimmen'

In der Schweiz wird am Sonntag über ein bedingungsloses Grundeinkommen abgestimmt. Dass es sich durchsetzt, gilt aber als unwahrscheinlich.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Die digitale Welt sympathisiert mit dem Grundeinkommen - die Schweiz stimmt darüber ab.

Von Charlotte Theile, Rüschlikon

Ein goldener Tesla rollt durch die grünen Hügel am Zürichsee. Die Sonne scheint, der See glitzert, die Botschaft ist klar: Die Zukunft ist schon lange da. Hier, in einem schweizerischen Thinktank, treffen sich an diesem Tag im Mai junge Leute aus aller Welt. Viele von ihnen kommen aus dem Silicon Valley. Sie sind in den kleinen Ort Rüschlikon gereist, weil sie glauben, hier Antworten auf Fragen zu finden, die sie seit Langem beschäftigen.

Die Unternehmen, die im Silicon Valley erdacht wurden, haben oft eins gemeinsam: Sie bieten keinen festen Arbeitsplatz mehr. Die Menschen, die in der Shared Economy beschäftigt sind, haben nur dann einen Job, wenn sie gerade jemand braucht: als Uber-Fahrer, Airbnb-Gastgeber, als Putzkraft im On-demand-Service. Es sind prekäre Arbeitsbedingungen: geringe Löhne, wenig Planungssicherheit, keine Möglichkeit, sich abzusichern. Eine Betriebskasse, in die man einzahlen kann, ist weiter entfernt als ein fester Arbeitsbeginn.

Das Problem ist den Shared-Economy-Gründern wohlbekannt. Sie wissen auch, wie wichtig ein gutes Image ist. Die Idee, über die am Sonntag in der Schweiz abgestimmt wird, klingt daher fast zu gut, um wahr zu sein: ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ein soziales Netz, unter das man nicht fallen kann - auch nicht, wenn Uber seine schlecht bezahlten Fahrer bald durch selbstfahrende Autos ersetzt.

Die Befürworter kommen von links und von rechts

Tatsächlich gibt es in den USA seit einigen Jahren Überlegungen zur Reform der sozialen Sicherungssysteme. Auch Natalie Foster ist aus San Francisco nach Rüschlikon gereist, auch sie ist begeistert von den Möglichkeiten, die das Grundeinkommen bieten würde. Sie hat an der Gesundheitsreform der Regierung Obama mitgearbeitet. Auch dabei ging es darum, soziale Absicherung und Firmenzugehörigkeit zu entkoppeln: Die Reform machte es vielen Arbeitnehmern möglich, sich unabhängig von ihrer Arbeitsstelle zu versichern.

Der Effekt? Viele Menschen kündigten ihre Jobs. Ähnliches prophezeien Ökonomen auch für den Fall, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt wird. Viele warnen vor sinkender Produktivität und einer Überlastung der sozialen Sicherungssysteme. Foster dagegen sieht darin einen positiven Effekt: "In den USA gibt es viele Mütter, die sich in mehreren Jobs aufreiben, aus Angst, ihre Kinder nicht versorgen zu können, keine Versicherung mehr zu haben. Die Reform hat sie ein Stück weit von dieser Angst befreit, ihnen die Möglichkeit gegeben, Nein zu sagen."

Foster selbst hat ein Unternehmen, das Beschäftigte der Shared Economy unterstützen soll. Es sind jedoch nicht nur junge Unternehmer wie sie, die sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen stark machen. Auch der amerikanische Gewerkschafter Andrew L. Stern wirbt für die Idee: "Früher habe ich für Jobs gekämpft. Heute glaube ich, dass ein Grundeinkommen mehr Sinn hat als eine Arbeitsplatzgarantie."

Sozialunternehmerin Natalie Foster glaubt, die Diskussion sei in Europa weiter als in den USA. Eine Abstimmung wie in der Schweiz sei für die nächsten Jahre nicht zu erwarten. Pilotprojekte in einzelnen Städten seien aber realistisch. Das Besondere an der Debatte ist für sie, dass die Befürworter nicht nur von links, sondern auch von rechts kommen. Dort sei man fasziniert von der unbürokratischen Abwicklung, einem schlanken, effizienten Staat.

Dass das Grundeinkommen in der Schweiz kommt, ist jedoch unwahrscheinlich - in Umfragen sprechen sich etwa 30 Prozent der Schweizer für die Idee aus. Die Aktivisten sind trotzdem überzeugt, dass sich die Idee durchsetzt. Immer wieder wird an diesem Tag in Rüschlikon die Frage gestellt: "Was glaubst du, wie lange dauert es noch, bis das Grundeinkommen eingeführt wird?"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: