Großbritannien:Gefährlicher Zuckerrausch

Jamie Oliver visits Australia

Jamie Oliver in Aktion: Der englische Fernsehkoch erklärt dem Zuckerrausch der Briten den Krieg.

(Foto: Patrick Hamilton/dpa)

In dem Königreich fordern Fachleute und Prominente eine Strafsteuer auf Süßes. Auch in Deutschland hat die Idee Anhänger.

Von Björn Finke, London

Das wird dem Premier nicht schmecken: Eine Mehrheit der Briten unterstützt einer Umfrage zufolge Strafsteuern auf ungesundes Essen und Trinken. Zugleich verkündet der ebenso beliebte wie geschäftstüchtige Fernsehkoch Jamie Oliver, seine Kampagne für eine solche Steuer auf Zucker gewinne neue Anhänger. Die Diskussion um eine Zuckersteuer machte am Sonntag wieder kräftig Schlagzeilen in britischen Zeitungen - so schnell wird der konservative Regierungschef David Cameron das Thema nicht mehr los.

Cameron lehnt eine Strafabgabe auf Nahrungsmittel mit extrem viel Zucker ab, etwa Limonaden. Dumm für ihn: Ende voriger Woche legte eine Gesundheitsbehörde, Public Health England, einen Bericht vor, der genau das fordert. Die Untertanen Ihrer Majestät nähmen viel zu viel Zucker zu sich, heißt es da - in Süßigkeiten, in Fertiggerichten, in Getränken. Besonders extrem sei das bei Schulkindern und bei ärmeren Briten. Als Ergebnis der süßen Sucht sind viele Bürger krankhaft übergewichtig, was zu Diabetes und anderen Leiden führt und das Gesundheitssystem Milliarden kostet. Um den gefährlichen Zuckerrausch ihrer Landsleute zu beenden, schlagen die Fachleute eine Steuer auf stark zuckerhaltige Lebensmittel von zehn bis zwanzig Prozent vor.

Der 48-seitige Report sollte schon im Juli veröffentlicht werden, doch Gesundheitsminister Jeremy Hunt - ebenfalls kein Anhänger einer Zuckersteuer - verhinderte das. Nach Protesten wurde das brisante Dokument nun doch verbreitet. Die Schlussfolgerungen der Experten sind ein süßer Triumph für Jamie Oliver. Der Promikoch und Multimillionär hat der Zuckerschwemme den Krieg erklärt. Der 40-Jährige startete eine Petition ans Parlament, damit sich die Abgeordneten mit seinem Vorschlag einer Zuckersteuer beschäftigen. Stand Sonntag hatte die Initiative 149 352 Unterzeichner. Für sein Projekt warb er auch mit einer Fernsehdokumentation namens "Sugar Rush", also Zuckerrausch. Vergangene Woche stellte Oliver seine Ideen bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss vor.

In seinen Restaurants erhöhte er bereits die Preise von Limonaden um zehn Pence und spendet die zusätzlichen Einnahmen. Der Sunday Times sagte er, seitdem würden sechs bis sieben Prozent weniger der süßen Getränke verkauft. Außerdem folgten inzwischen Krankenhäuser seinem Beispiel und setzten in ihren Cafés und Getränkeautomaten ebenfalls die Preise für Dickmacher hoch. Die Food and Drink Federation, der britische Verband der Nahrungsmittelhersteller, lehnt eine Zuckersteuer hingegen ab: Strafsteuern änderten das Ernährungsverhalten nicht auf lange Sicht, argumentieren die Lobbyisten.

In Deutschland brachte zuletzt die SPD höhere Abgaben für Süßes ins Spiel. Für Lebensmittel ist nur der verringerte Mehrwertsteuersatz von sieben statt 19 Prozent fällig - Zuckerbomben könnten von diesem Privileg ausgenommen werden, lautet der Vorschlag. Vorbild ist Frankreich, wo die Regierung bereits vor drei Jahren so verfuhr. Auch die Allgemeinen Ortskrankenkassen sprechen sich für eine Zuckersteuer aus. Die Branchengewerkschaft der Nahrungsmittelindustrie, NGG, hält von solchen Vorhaben allerdings gar nichts. Dabei gab es hierzulande schon einmal eine Zuckersteuer, und das für mehr als 150 Jahre: von 1841 bis 1993. Manche Ideen kommen eben wieder.

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