Großbritannien:Gefährliche Volksabstimmung

Der EU-Gipfel im Februar muss die Briten zufrieden stellen. Sonst könnte sogar der Brexit drohen.

Von Björn Finke, London

Dieses Treffen muss der britische Premierminister als Sieger verlassen. Oder David Cameron muss zumindest im Königreich halbwegs glaubhaft verkünden können, er habe sich beim EU-Gipfel durchgesetzt. Sonst könnte es eng werden bei der Volksabstimmung über einen Austritt Großbritanniens aus der Union. Am 18. und 19. Februar treffen sich die Regierungschefs der EU in Brüssel und werden da über Camerons Forderungen verhandeln. Neben eher symbolischen Anliegen will der Konservative auch erreichen, dass Einwanderer aus der EU erst nach vier Jahren Sozialleistungen erhalten. Das soll die Zahl der Migranten senken - vielen Briten ist ihr Land zu offen für Zuwanderer.

Besonders für Regierungen aus Osteuropa, Heimat zahlreicher Einwanderer ins Königreich, ist das schwer zu akzeptieren. Nach der Rückkehr aus Brüssel wird Cameron den Termin für das Referendum festlegen - und aller Voraussicht nach den frühen Sommer wählen. Dann werden die Untertanen Ihrer Majestät darüber entscheiden, ob der Staat der Union die Treue hält oder ob es zum Brexit kommt, zum Austritt. Pragmatiker Cameron will keinen Brexit, sondern er möchte für den Verbleib werben: mithilfe der Zugeständnisse, die er auf dem EU-Gipfel zu erzielen sucht.

Es ist eine der wichtigsten Volksabstimmungen in der Geschichte der Union. Nicht nur politisch wäre ein Austritt ein herber Rückschlag. Bei einer Scheidung stünden auch jahrelange schwierige Verhandlungen an, zu welchen Bedingungen Geschäfte über den Ärmelkanal in Zukunft getätigt werden. EU-Staaten sind für britische Firmen der größte Auslandsmarkt. Umgekehrt sind viele Unternehmen auf dem Festland, etwa in Deutschland, genauso darauf angewiesen, weiterhin ohne Hürden mit der Insel Handel treiben und dort investieren zu können.

Die Abstimmung muss bis Ende 2017 stattfinden, aber ein Termin schon im frühen Sommer dieses Jahres hat aus Sicht der EU-Freunde im Königreich zwei Vorteile. Zum einen ist dann die Erinnerung an den - erhofften - Erfolg Camerons auf dem EU-Gipfel im Februar noch nicht gänzlich verblasst. Und zum anderen würde ein späteres Datum, etwa im Herbst, ein Risiko bergen: Wie im Vorjahr könnten in diesem Sommer wieder Bilder von Flüchtlingsströmen die Fernsehnachrichten beherrschen. Das gäbe den Europa-Gegnern im Staat Auftrieb.

Umfragen in Großbritannien sagen bisher eine kleine, doch recht stabile Mehrheit für den Verbleib voraus. Kann Cameron die Bürger zudem davon überzeugen, beim Gipfel in Brüssel wichtige Zugeständnisse erreicht zu haben, werden die EU-Anhänger das Referendum sehr wahrscheinlich gewinnen. Zum Lager der Europa-Fans gehören auch die meisten Unternehmer und Banker im Land. Sie fürchten, dass ein Austritt ihre Geschäfte mit dem Rest Europas erschweren würde. Investitionen würden aufgeschoben, bis klar ist, zu welchen Bedingungen britische Anbieter Zugang zum EU-Binnenmarkt erhielten, sagen Fachleute.

Allerdings gibt es zugleich eine sehr lautstarke Minderheit im Wirtschaftslager, die für den Brexit trommelt - und die Kampagnen der Gegner mit reichlich Geld unterstützt. Diese Manager klagen, dass Brüssel überflüssige und teure Regeln erlasse. Das Königreich solle sich nicht an das aus ihrer Sicht sieche Europa binden, sondern lieber stärker auf den Handel mit aufstrebenden Schwellenländern setzen. Bekanntester EU-Feind bei den Unternehmern ist Staubsauger-Erfinder James Dyson. "Ich denke, die EU wird von Deutschland dominiert", sagt der Engländer. Dann will er doch lieber austreten.

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