Großbritannien:Ende des Versteckspiels

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Geldwäscher kaufen gerne teure Londoner Immobilien und nutzen dafür Briefkastenfirmen. Jetzt will die Regierung Investoren zur Transparenz zwingen. In Deutschland gibt es ähnliche Probleme.

Von Björn Finke, Vanessa Wormer, London/München

Die Briten schreiten voran, und Deutschland zögert: Wer Immobilien in England und Wales kauft, soll sich nicht mehr hinter anonymen Scheinfirmen in Steueroasen verstecken können. Ausländische Unternehmen, die Häuser erwerben wollen, müssen vorher in einem öffentlichen Register hinterlegen, wer letztlich der Eigentümer und Profiteur der Gesellschaft ist. Das kündigte Premierminister David Cameron am Donnerstag in London an. Dort trafen sich Politiker aus etwa 40 Staaten, um über den weltweiten Kampf gegen Korruption und Geldwäsche zu beraten. Für Deutschland nahm Bundesjustizminister Heiko Maas teil.

Reiche aus aller Welt investieren gerne in teure Londoner Immobilien - und das oft mit Hilfe von Unternehmen, die sie in verschwiegenen Steueroasen wie Panama gründen. So wird verschleiert, wer tatsächlich hinter dem Geschäft steckt: praktisch für Verbrecher und korrupte Politiker, die kriminelle Gewinne reinwaschen und im Ausland parken wollen. Die Unterlagen der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, welche die Süddeutsche Zeitung mit anderen Medien weltweit ausgewertet hat, zeigen die Raffinesse, mit der zwielichtige Gestalten ihre Millionen über Briefkastenfirmen verschieben.

Auch in Deutschland werden Immobilien als Geldversteck genutzt. Eine Studie des Bundesfinanzministeriums bezeichnet den Markt als "Hochrisikobereich" für Geldwäsche. Geldwäsche außerhalb des Bankensystems könnte in der Bundesrepublik bis zu 30 Milliarden Euro jährlich ausmachen, heißt es da. Trotz dieser Erkenntnisse hat die Regierung bisher nichts unternommen, um mehr Transparenz auf dem Immobilienmarkt zu schaffen.

Berlin räumt ein, das Ausmaß des Missbrauchs nicht zu kennen

Demonstranten mit Masken von David Cameron protestierten am Donnerstag vor dem Lancaster House in London, wo Regierungen über den Kampf gegen Korruption berieten. (Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)

Zugleich räumt Berlin ein, das Ausmaß des Problems nicht zu kennen. Der SZ liegt die Antwort auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Richard Pitterle von der Linken vor. Darin schreibt die Bundesregierung, es gebe leider keine Daten dazu, wo und in welchem Ausmaß ausländische Unternehmen Immobilien besitzen - und erst recht nicht dazu, wie viele dieser Firmen in diskreten Steueroasen residieren.

In England und Wales besitzen ausländische Unternehmen 100 000 Immobilien. Mehr als 44 000 davon befinden sich in London. Etwa 90 Prozent dieser Häuser an der Themse gehören Firmen aus Steueroasen, hat die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International ermittelt. Nicht immer, aber eben doch manchmal wird hinter dieser Briefkasten-Gesellschaft dubioses Geld dubioser Menschen stecken. Fachleute glauben, dass wohnungssuchende Londoner inzwischen unter dem Reiz ihrer Stadt für Geldwäscher leiden. "Die Immobilienpreise werden künstlich hochgetrieben durch ausländische Kriminelle, die ihr Vermögen in Großbritannien parken wollen", sagt Donald Toon, Chef der Abteilung für Wirtschaftsverbrechen bei der Polizeibehörde National Crime Agency.

Zu verstecken gibt es viel, allein schon an Schmiergeld. Eine Studie des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass jedes Jahr Bestechungsgelder im Wert von zwei Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung gezahlt werden.

In Großbritannien müssen demnächst auch ausländische Unternehmen, die bereits Häuser besitzen, nachträglich im öffentlichen Register ihre Eigentümer angeben. "Wir werden auf dem Immobilienmarkt aufräumen und eine klare Botschaft an die Korrupten dieser Welt senden, dass hier kein Platz für sie ist", sagte Cameron.

Das Register startet im Juni. Britische Unternehmen müssen dort darüber informieren, wer letztlich von ihren Geschäften profitiert - und nach Camerons Ankündigung gilt dies zusätzlich für ausländische Firmen, die Immobilien erwerben. Der Premierminister sagte, eine Reihe anderer Staaten wie Frankreich und die Niederlande würden ähnliche Regeln umsetzen.

Die Regierung in London drängt die britischen Überseegebiete und Kronbesitzungen - etwa die Britischen Jungferninseln -, ebenfalls solche Register aufzubauen und die Daten automatisch mit ausländischen Behörden auszutauschen. Die 14 Überseegebiete und drei Kronbesitzungen haben ihre eigenen Regierungen, nur um die Außenpolitik kümmert sich London. Viele dieser Staaten sind beliebte Steueroasen. So sitzen mehr als die Hälfte der Briefkastenfirmen aus den Dokumenten von Mossack Fonseca auf den Britischen Jungferninseln. Die Jungferninseln haben bislang nicht zugesagt, Angaben zu Besitzverhältnissen mit ausländischen Behörden zu teilen: Diskretion ist Teil des Geschäftsmodells. Cameron lud die Jungferninseln darum nicht zum Anti-Korruptions-Gipfel ein, genauso wenig wie Panama. Der Premierminister präsentierte neben den schärferen Regeln für ausländische Immobilienkäufer auch härtere Gesetze für Unternehmen. Demzufolge drohen Konzernen hohe Strafen, wenn Mitarbeiter in Geldwäsche, Betrug oder Steuerhinterziehung verwickelt sind und die Kontrollen des Managements zu lax waren. An Ankündigungen herrschte also kein Mangel beim Anti-Korruptions-Gipfel.

© SZ vom 13.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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