Großbritannien:Brexit kostet Briten Dutzende Milliarden

Niedriges Wachstum, mehr Inflation, höhere Schulden: In seinem ersten Etat präsentiert der Schatzkanzler düstere Zahlen. Um die sozialen Folgen des EU-Ausstiegs abzumildern, senkt London die Steuern.

Von Björn Finke, London

Der Brexit kommt Großbritannien teuer zu stehen: Die Wirtschaft wird langsamer wachsen, und die Regierung wird deswegen deutlich mehr Schulden aufnehmen müssen. Schatzkanzler Philip Hammond stellte am Mittwoch im Parlament die Prognose der staatlichen Steuerschätzer vor; es ist die erste dieser Behörde, seit die Briten im Juni bei einem Referendum für den Austritt aus der EU stimmten. Zugleich verkündete der Finanzminister mehr Investitionen und Steuererleichterungen. Für Hammond ist dies der erste Haushaltsentwurf. Der Konservative hatte den Posten im Juli übernommen, nach Theresa Mays Aufstieg zur Premierministerin.

Hammond verabschiedet sich in dem Etat vom Ziel der Regierung, bis zum Ende des Jahrzehnts einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Zwar bleibe ein Budget ohne Schulden ein langfristiges Ziel, sagte er, aber es sei Flexibilität nötig, "um die Wirtschaft in nächster Zeit zu unterstützen".

Diese Hilfe können die Unternehmen gut gebrauchen. Die Regierung geht nun davon aus, dass die Wirtschaft im nächsten Jahr nur noch um 1,4 Prozent wächst statt um 2,2 Prozent, wie vor dem Referendum prognostiziert worden war. Auch 2018 wird das Wachstum vermutlich niedrig sein. Deswegen wird Hammond weniger Steuern einnehmen und mehr Kredit nachfragen müssen. Bis 2021 wird London etwa 143 Milliarden Euro mehr Schulden aufnehmen als bislang geschätzt.

Premierministerin May will die EU bis März offiziell über den Austrittswunsch der Briten unterrichten. Danach wird zwei Jahre über die Trennung verhandelt. Volkswirte erwarten, dass Manager wegen der Unsicherheit über die künftigen Handelsbeziehungen Investitionen aufschieben werden. Das belastet die Konjunktur.

Hammond will die Folgen des Referendums für Unternehmen und Bürger mildern. So versprach der Schatzkanzler für die kommenden Jahre Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur, etwa in Straßen und Datenleitungen, sowie zur Förderung von Innovationen. Er beklagte, dass britische Firmen weniger effizient als deutsche oder französische arbeiteten - die Fördergelder sollen dazu beitragen, diese "schockierende Lücke" zu schließen.

Großbritannien: Schatzkanzler Philip Hammond stellte im Parlament die Prognose der staatlichen Steuerschätzer vor.

Schatzkanzler Philip Hammond stellte im Parlament die Prognose der staatlichen Steuerschätzer vor.

(Foto: AFP)

Um Geringverdienern zu helfen, erhöhte Hammond den Mindestlohn von 7,20 auf 7,50 Pfund (8,80 Euro), er hob auch den Freibetrag an, bis zu dem Einkommen steuerfrei bleibt. Wer wenig Geld hat, leidet am stärksten, wenn die Preise steigen. Und die Regierung schätzt, dass sich die Inflation bis 2018 auf 2,6 Prozent erhöhen wird. Der Grund ist, dass seit dem Referendum über den Austritt aus der EU das Pfund massiv an Wert verloren hat. Der Kursverfall macht Importwaren teurer im Königreich.

Schatzkanzler Hammond versprach außerdem, Sozialausgaben nicht noch weiter zu kürzen. Sein Vorgänger George Osborne hatte hier gespart, um das Defizit zu senken. Trotzdem betrug der Fehlbetrag im Haushalt 2015 vier Prozent der Wirtschaftsleistung - ein hoher Wert, zumal die Konjunktur damals noch gut lief. In diesem Jahr will Hammond 3,5 Prozent erreichen.

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