Großbritannien blockiert Regeln zur Bankenregulierung:"Ich gehe nicht nach draußen, um wie ein Idiot auszusehen"

16 Stunden Verhandlungen und trotzdem kein Ergebnis: Die EU-Finanzminister haben sich nicht auf strengere Regeln zur Eigenkapitalquote von Banken einigen können. Ausgerechnet die sonst so regulierungsfeindlichen Briten wollten noch schärfere Standards. Ihr Schatzkanzler Osborne rechtfertigte sich mit wenig diplomatischen Worten.

Die Worte, die Binnenmarktkommissar Michel Barnier am frühen Donnerstagmorgen wählte, waren geprägt von EU-typischer Diplomatie: Der britische Schatzkanzler George Osborne habe dem Kompromissvorschlag der dänischen EU-Ratspräsidentschaft für strengere Banken-Eigenkapitalregeln "noch nicht" zugestimmt.

"Noch nicht" - das war die etwas beschönigende Zusammenfassung der Verhandlungen. Mehr als 16 Stunden hatten die EU-Finanzminister in Brüssel um eine Einigung gerungen, zuletzt sogar ohne Dolmetscher um Formulierungen in den Gesetzestexten gefeilscht - doch am Ende blockierte Osborne eine Einigung.

Der britische Schatzkanzler hatte sich während der Verhandlungen wesentlich weniger diplomatisch ausgedrückt als Barnier: "Ich gehe nicht nach draußen, um dann wie ein Idiot auszusehen", hatte er mit Blick auf eine mögliche Kritik im eigenen Land gepoltert. "George", antwortete ihm der tschechische Finanzminister Miroslav Kalousek wenig diplomatisch, "wie ein Idiot zu wirken, ist die Basisqualifikation eines Ministers - das lässt sich nicht vermeiden."

Osborne brachte besonders viele nationale Sonderwünsche vor, weil er nach eigener Auffassung mit London den wichtigsten Bankenplatz in Europa vertritt. Seine Regierung will die mächtige Finanzindustrie nicht verprellen.

Ziel der Gespräche war es, das sogenannte Basel-III-Abkommen umzusetzen, mit dem für Banken strengere Eigenkapitalvorgaben gelten. Damit sollen die Geldhäuser weniger anfällig für Krisen werden.

Von 2013 an sollen Banken schrittweise bis 2019 die Quote des harten Kernkapitals, also eigener Aktien oder Gewinnrücklagen, von derzeit zwei auf sieben Prozent erhöhen. Dieses sogenannte Tier-I-Kapital kann - im Gegensatz zu Tier-II- und Tier-III-Kapital - vollständig eingesetzt werden, um Verluste auszugleichen und so im Ernstfall eine Insolvenz zu verhindern. Diese Regeln hatten die globalen Bankenaufseher im Baseler Ausschuss Ende 2010 erarbeitet. Die Umsetzung ist in der EU schwierig, da die Regeln auf sämtliche rund 8300 Geldinstitute angewendet werden sollen und die Bankensysteme in den einzelnen Staaten traditionell noch unterschiedlich sind.

Großbritannien und Schweden stellen sich quer

Offenbar stand eine Einigung der EU-Finanzminister mehrmals kurz bevor. Im Prinzip sei nichts mehr offen, hatte die dänische Finanzministerin Margrethe Vestager gesagt. Doch am Ende forderten ausgerechnet die Briten - sonst nicht gerade dafür bekannt, die Finanzbranche allzu hart regulieren zu wollen -, dass einzelne Länder auch noch strengere Regeln erlassen können, als es in der EU vorgesehen ist.

Großbritannien hatte - gemeinsam mit Schweden - auf mehr Handlungsfreiheit für die nationalen Aufsichtsbehörden gedrängt. Die Regierung in London will von den Banken im Fall einer globalen Krise verlangen, mehr Kapital zum Schutz vor Verlusten beiseitezulegen als nach Basel III vorgeschrieben.

Deutschland, Frankreich und andere Staaten wollten das nur zulassen, wenn die Extra-Kapitalpuffer von der EU-Kommission genehmigt werden. Damit wollen sie verhindern, dass die schärferen Standards in einem Land zu Problemen in anderen EU-Staaten führen.

In den Verhandlungen wächst der Zeitdruck, denn die neuen Vorgaben sollen bereits ab Anfang kommenden Jahres gelten. Die Verhandlungen von Ministerrat und Europaparlament müssen vor dem Sommer abgeschlossen werden, um den Zeitplan einzuhalten.

Theoretisch hätten die anderen Minister Osborne überstimmen können, da für die Einigung kein einstimmiger Beschluss notwendig war. Doch die dänische EU-Ratspräsidentschaft und wohl auch die meisten anderen Staaten wollen Großbritannien bei der wichtigsten Neuregelung für den Bankensektor nach der Finanzkrise nicht außen vor lassen.

Die endgültige Einigung soll nun beim nächsten Ministertreffen am 15. Mai erreicht werden. "Wir haben riesigen Fortschritt gemacht, es muss aber noch technische Arbeit erledigt werden", sagte die dänische Ressortchefin und amtierende EU-Ratspräsidentin Margrethe Vestager. Wieder eine Aussage, die von EU-typischer Diplomatie geprägt war.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: