Großbritannien:More Ladies, please

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Die Fondsindustrie fordert mehr Vielfalt in den Führungsetagen und ein Gesetz zwingt Firmen, über den Lohnabstand zu informieren.

Von Björn Finke, London

Auf diese Briefe hätten die - meist männlichen - Konzernchefs sicher gerne verzichtet: The Investment Association (IA), der Verband der britischen Fondsgesellschaften, hat an 35 Unternehmen aus den wichtigsten Londoner Börsenindizes geschrieben, um sich über einen Mangel an Frauen im Top-Management zu beklagen. Die Mitglieder des Verbands halten ein Drittel der Aktien dieser Indizes in ihren Fonds; die Investmentprofis sind also Stammgäste auf vielen Hauptversammlungen. Empfänger der Mahnungen waren 14 Firmen aus dem Aktienindex FTSE 100, in dem Anteilsscheine der 100 größten Firmen gelistet sind. Außerdem erhielten 21 Mitglieder des FTSE 250 Post; dieser Börsenindex umfasst die 250 nächstgrößeren Aktiengesellschaften.

Das Thema, dass Frauen im Job benachteiligt sind, macht gerade ohnehin viele Schlagzeilen im Königreich. Anfang April lief eine Frist ab, bis zu der alle Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten ihre Durchschnittslöhne für Männer und Frauen vorlegen mussten. Das Ergebnis: Der Stundenlohn für Frauen liegt im Durchschnitt um fast zehn Prozent unter dem für Männer.

Banken zahlen weiblichen Angestellten viel weniger, bei der HSBC sind es fast 60 Prozent

In einigen Branchen, etwa in der wichtigen Finanzindustrie, war der Abstand deutlich größer. So zahlt Europas größte Bank HSBC weiblichen Angestellten in Großbritannien 59 Prozent weniger als ihren männlichen Kollegen. Hauptgrund für das Gefälle ist, dass es Frauen selten auf die einflussreichen und gut dotierten Posten schaffen.

Die Unternehmen müssen nun jedes Jahr über den Gehaltsabstand berichten; dies sieht ein neues Gesetz vor. Befürworter der Regelung hoffen, dass die Konzerne peinliche und imageschädigende Veröffentlichungen vermeiden wollen und sich deshalb stärker bemühen, mehr Frauen an die Spitze zu bekommen. Tatsächlich verkündeten einige Unternehmen zusammen mit den Daten zum Lohnabstand neue Initiativen, um Frauen zu fördern.

Der britische Investorenverband schickte seine Briefe an jene zehn Mitglieder des Börsenindex FTSE 100, bei denen der Frauenanteil unter den geschäftsführenden Mitgliedern des Board - vergleichbar deutschen Vorstandsmitgliedern - und in der Managementebene direkt darunter am niedrigsten ist . An der Londoner Börse sind auch ausländische Konzerne notiert, weswegen sich etwa das deutsche Touristikunternehmen Tui auf der Liste der Schande befindet.

Zusätzlich verfassten die Lobbyisten Briefe an FTSE-100-Unternehmen, bei denen im Vorstand ausschließlich Männer sitzen, selbst wenn der Frauenanteil im Management insgesamt gar nicht so niedrig ist. Eine dieser Mahnungen ging an den britischen Ölkonzern BP.

Chris Cummings, der Geschäftsführer des Fondverbands, sagte, Firmen mit einem vielfältigen Managementteam träfen bessere Entscheidungen und seien innovativer; das zeigten wissenschaftliche Studien. Seine Mitglieder wollen das Thema deshalb auch bei Hauptversammlungen zur Sprache bringen: "Eine Reihe von wichtigen Investoren" habe ihm angekündigt, bei diesen Aktionärstreffen gegen die Führung zu stimmen, wenn sich die Unternehmen nicht um mehr Frauen und Vielfalt an der Spitze bemühten, sagte Cummings.

Eines dieser Mitglieder ist der Vermögensverwalter Legal & General Investment Management (LGIM) aus London, einer der größten Investoren an der britischen Börse. Die Gesellschaft hat mitgeteilt, in diesem Jahr auf Hauptversammlungen gegen die Chairmen zu stimmen, wenn im Board einer Firma weniger als ein Viertel Frauen sitzen.

Britische Unternehmen haben eine andere Führungsstruktur als deutsche. Statt einem getrennten Vorstand und Aufsichtsrat gibt es ein Board of Directors, einen Verwaltungsrat. Der hat geschäftsführende Mitglieder - vergleichbar mit dem Vorstand in Deutschland - und nicht geschäftsführende Mitglieder, die wie Aufsichtsräte beraten und kontrollieren.

Der Chairman leitet den Verwaltungsrat, führt aber nicht die Firma. Und wenn es in seinem Board nicht genügend Frauen gibt - als Kontrolleure oder als Geschäftsführer -, soll er nach dem Willen von LGIM abtreten. Die Gesellschaft habe bereits 2011 mehr Frauen an der Spitze gefordert, sagte LGIM-Manager Sacha Sadan. "Wir haben nun 2018. Wir haben den Leuten Zeit gegeben." Die britische Regierung hat ein freiwilliges Ziel für die Unternehmen im FTSE 100 und FTSE 250 gesetzt. Im Jahr 2020 sollen Frauen ein Drittel der Posten im Board besetzen. Bisher liegt der Wert bei einem Viertel. Es gibt also noch viel zu tun.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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