Griechische Promis im Gefängnis:Gefangen im VIP-Trakt

Korydallos, VIP-Trakt, Lavrentis Lavrentiadis

Die Haftanstalt im Athener Vorort Korydallos: Wer hier eingesperrt ist, lebt ungemütlich - auch im sogenannten VIP-Trakt.

(Foto: dpa)

Erstmals seit Langem sitzen in Griechenland Promis hinter Gittern, weil sie den Staat betrogen haben sollen. Einer von ihnen ist der Ex-Banker Lavrentiadis, der 701 Millionen Euro ins Ausland verschoben haben soll. Das würde ihn zu einem der größten Wirtschaftsverbrecher zwischen Adria und Ägäis machen.

Von Klaus Ott, München, und Tasos Telloglou, Athen

Im größten Gefängnis von Griechenland, das im Athener Vorort Korydallos liegt und dessen Namen trägt, gibt es jetzt einen VIP-Flügel. So wird im Volksmund spöttisch jener Trakt genannt, in dem Prominente sitzen, die den Staat und seine Bürger hintergangen haben sollen; oder deshalb sogar schon verurteilt worden sind. Gemütlich ist es in Korydallos nicht. Vier Männer teilen sich normalerweise eine Zeile.

VIP-Flügel heißt dieser Teil des Gefängnisses, weil dort Politiker, Unternehmer und Manager eingesperrt sind. Wegen Geldwäsche, Korruption, Betrug und dergleichen mehr. Das ist in Hellas, wo die Reichen und die Mächtigen offenbar über dem Gesetz standen, schon lange nicht mehr geschehen.

In Korydallos inhaftiert sind unter anderem der Ex-Chef einer großen Versicherung, ein früherer Minister, ein Modemacher - und Lavrentis Lavrentiadis. Dem hat einst die Privatbank Proton gehört, die schließlich vom griechischen Staat mit 900 Millionen vor der Pleite bewahrt wurde. Das Geld kam von der Europäischen Union (EU) und vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Vor dieser Stützungsaktion mit öffentlichen Mitteln soll Lavrentiadis mithilfe zahlreicher Kompagnons die Bank regelrecht ausgenommen haben.

Der frühere Proton-Inhaber ist wegen Betrug, Unterschlagung und Geldwäsche angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, 701 Millionen Euro verschoben zu haben, vor allem in sein eigenes Geschäftsimperium. Und meist auf ausländische Konten. Sieben mutmaßliche Gehilfen des Ex-Bankers, der früher international als Musterunternehmer galt, befinden sich ebenfalls in Untersuchungshaft. In verschiedenen Gefängnissen im ganzen Land.

Einer seiner Partner hat ausgepackt

Träfen die Vorwürfe zu, dann wäre Lavrentiadis einer der größten Wirtschaftsverbrecher zwischen Adria und Ägäis. Die Behörden haben bei seinen Transaktionen erst lange Zeit zugeschaut, dann lange ermittelt, und Ende 2012 mit einem Haftbefehl zugeschlagen. Der ehemalige Privatbankier, der in der Chemiebranche groß geworden war, soll sich lange sehr sicher gefühlt haben. Vielleicht wegen seines Reichtums und wegen seiner Beziehungen.

Jetzt aber wird es eng für ihn, richtig eng. Einer seiner Partner hat ausgepackt und den Ermittlern erzählt, wie er bei einer Firma als Strohmann agiert habe. Einer Firma, die dazu gedient habe, viele Millionen Euro von Proton in andere Länder zu transferieren. Dass der Ex-Banker bald wieder freikommt, wird trotz seiner Unschuldsbeteuerungen immer unwahrscheinlicher. Und an sein Vermögen kommt er auch nicht mehr heran; zumindest nicht an das Geld, das in der Schweiz liegt.

Das in Bellinzona im Tessin ansässige Bundesstrafgericht hat verfügt, dass ein Konto gesperrt bleibt, auf dem viele Millionen Euro von Lavrendiatis liegen. Griechische Behörden hatten vor knapp einem Jahr dieses Konto und weitere Guthaben blockieren lassen, um wenigstens einen Teil des Geldes zu retten, das dem Staat gehören soll.

Possenspiel in der Schweiz

158 Millionen Euro wurden in der Schweiz eingefroren und später teilweise sogar beschlagnahmt. Das wollte sich Lavrendiatis wohl nicht gefallen lassen. Jedenfalls ging eine Firma, die offenbar zu seinem Imperium zählt, beim eidgenössischen Bundesstrafgericht gegen die Kontosperre vor.

Die Eingabe entwickelte sich allerdings zu einem Possenspiel, was dazu führte, dass die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts den Widerspruch zurückwies. Aus rein formalen Gründen. Die Firma, die mithilfe eines Rechtsanwalts gegen die Kontosperre vorging, hatte die Beschwerdeschrift zwar rechtzeitig eingereicht. Die 6000 Euro Kostenvorschuss, die für die Bearbeitung der Eingabe fällig waren, gingen allerdings fünf Tage zu spät ein. Am 14. Dezember 2012 hätte das Geld da sein sollen. Gutgeschrieben auf einem Konto des Bundesstrafgerichts wurden die 6000 Euro erst am 19. Dezember 2012. Da saß Lavrendiatis bereits im Gefängnis, in Korydallos.

Wegen der verspäteten Zahlung sei "androhungsgemäß" auf die Beschwerde nicht einzugehen, entschied das Bundesstrafgericht. Lavrentiadis bleibt ein kleiner Trost: Die Schweizer Justiz überweist den Kostenvorschuss zurück, abzüglich einer Gerichtsgebühr von 500 Euro. Insofern kommt der Ex-Banker mit der gescheiterten Beschwerde im schönen Tessin billig davon. Und den griechischen Behörden bleibt die Hoffnung, wenigstens einen Teil der in dunklen Kanälen versickerten 701 Millionen Euro zurückzubekommen.

Lavrendiatis sieht sich als Opfer

Doch auch das wäre nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Griechische Politiker und Behörden haben jahrzehntelang geduldet, dass Millionäre und Milliardäre große Summen in Steuerparadiese brachten und so den heimischen Fiskus betrogen. Eine Liste mit 2000 Namen von Inhabern Schweizer Konten der HSBC-Bank wurde gleich von mehreren Finanzministern in Athen und hohen Beamten links liegen gelassen. In diesem Verzeichnis steht auch der Name Lavrendiatis.

Der Unternehmer hat übrigens auch gerne Geschäfte mit deutschen Banken und deutschen Partnern gemacht. Ein Bankchef aus Frankfurt soll ihn öfter besucht haben. Seit knapp sechs Wochen sitzt Lavrentiadis in Untersuchungshaft. Einige andere VIPs sind schon viel länger in Korydallos, in dem nach ihnen benannten Gefängnistrakt. Würde Griechenland Ernst machen mit der Verfolgung von Prominenten, die offenbar den Staat hintergehen, dann wäre Korydallos allerdings wohl bald zu klein. Was die Justiz bislang aufgreift in Hellas, wo Korruption und Steuerhinterziehung an der Tagesordnung waren und es vielleicht immer noch sind, ist nur ein Anfang. Aber immerhin.

Wobei sich Lavrendiatis als Opfer betrachtet, an dem ein Exempel statuiert werde. Die Politik wolle dem Volk einen Sündenbock für die Krise des Landes präsentieren. So ähnlich sagt das auch ein anderer Verdächtiger, der im VIP-Flügel von Korydallos einsitzt.

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