Lösung der Schuldenkrise in Griechenland:Barroso fordert von Briten Beitrag zur Euro-Rettung

Die Schuldenkrise ist ein Problem aller EU-Staaten, nicht nur der Euro-Zone, findet EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso. Auch Länder wie Großbritannien sollen sich daher an der Rettung Griechenlands beteiligen, fordert er. Das sei in ihrem eigenen Interesse. Überzeugen wird das London schwerlich: Außenminister Hague geißelte den Euro jüngst als "Wahnsinn".

"Es war Wahnsinn, dieses System zu schaffen, jahrhundertelang wird darüber als eine Art historisches Monument kollektiven Wahnsinns geschrieben werden". Diesen Satz sagte vor ein paar Tagen der britische Außenminister William Hague dem Polit-Magazin The Spectator.

Jose Manuel Barroso, 2011

José Manuel Barroso im September 2011 während eines Interviews in der SZ-Redaktion

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Hagues Worte sind außergewöhnlich drastisch, allerdings spiegeln sie eine grundsätzliche Skepsis Londons gegenüber dem europäischen Einigungsgedanken wider, der auf dem Festlnd herrscht. Und so kann man sich lebhaft vorstellen, wie der jüngste Vorstoß des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso zum Thema Euro-Rettung dort aufgenommen wird.

Barroso möchte alle EU-Staaten an der Rettung Griechenlands beteiligen. "Ich würde mir wünschen, dass alle Länder Unterstützung leisten, wenn sie die finanziellen Möglichkeiten dazu haben", sagte der Präsident der EU-Kommission der Bild-Zeitung. Ausdrücklich schloss Barroso dabei jene Staaten ein, die nicht Mitglied der Euro-Zone seien, wie Großbritannien. Die erhoffte Solidarität erfolge aus Eigeninteresse und sei ein Selbstschutz. "Wenn der Euro wankt, bringt das alle Länder in Schwierigkeiten - auch die mit eigener Währung."

Mögliche finanzielle Folgen für Deutschland durch die im Rahmen der Rettungspakete eingegangenen Bürgschaften für Griechenland und andere Schuldenstaaten hält der EU-Kommissionspräsident für zumutbar. Es könne sein, dass Deutschland "als größte Wirtschaft Europas auch im eigenen Interesse für den Erhalt des Euro, unserer Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze Solidarität üben" müsse, sagte Barroso. "Aber das ist verkraftbar im Vergleich zu dem, was uns blühen würde, wenn der Euro auseinanderbricht."

Barroso wies darauf hin, dass Deutschland durch die Kredite und Garantien für Euro-Schuldenstaaten bisher kein Geld verloren habe. Trotzdem verstehe er die Sorgen der deutschen Steuerzahler. "Aber man muss auch sagen, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas am meisten vom Euro profitiert."

Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hält einen Schuldenschnitt Griechenlands für denkbar. "Ich schließe einen Schuldenschnitt nicht aus. Aber man sollte nicht denken, dass es einfach reicht, einen brutalen Schuldenschnitt in Griechenland vorzunehmen. Man muss dafür Sorge tragen, dass dies nicht zu Ansteckungsgefahren in der Eurozone führt," sagte Juncker dem österreichischen Fernsehsender ORF.

Über den Umfang eines Schuldenschnitts wollte der luxemburgische Ministerpräsident nicht spekulieren. Die europäischen Staats- und Regierungschefs würden die Situation in dem krisengeschüttelten Euro-Mitgliedsland weiterhin diskutieren.

Marko Kranjec, Sloweniens Notenbankchef und Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) rechnet mit einer Schuldenrestrukturierung Griechenlands, aber nicht mit einer Staatspleite. "Ich bin mir sicher, dass Griechenland nicht bankrott gehen wird, zumindest nicht in dem Sinne, dass es andere Länder mit in den Abgrund zieht. Eine Umstrukturierung ist jedoch höchstwahrscheinlich und wird bereits diskutiert", sagte Kranjec. "Der Euro wird überleben."

An diesem Dienstag richten sich die Blicke nach Bratislava. Dort entscheidet das Parlament der Slowakei über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms. Nach der Zustimmung von Malta steht nur noch das slowakische Plazet aus. Sollte die Abstimmung mit einem Nein enden, kann die Erweiterung des Rettungsschirms EFSF nicht umgesetzt werden.

Bei einer Ablehnung droht zudem ein vorzeitiges Ende der Regierung. Allerdings könnte im slowakischen Parlament bei einem Nein auch ein zweites Mal über den Rettungsschirm abgestimmt werden. Eine Krisensitzung des Koalitionsrates der vier Regierungsparteien war an diesem Montagabend ohne Einigung über den Euro-Rettungsschirm zu Ende gegangen.

Inzwischen äußerten sich auch die diesjährigen Nobelpreisträger für Wirtschaft zur Euro-Krise. "Europa und der Euro stellen die Wirtschaftstheorie nicht vor neue Fragen, das Problem ist die Politik", sagte US-Ökonom Thomas Sargent. Er teilt sich den Nobelpreis mit seinem Kollegen Christopher Sims.

Als möglichen Weg aus der Krise schlug Sargent den Ländern der Euro-Zone vor, sich die Geschichte der USA zum Vorbild zu nehmen: Nach ihrer Unabhängigkeit 1776 hätten die 13 US-Gründerstaaten ihre jeweiligen Schuldenkrisen gelöst, indem sie ihre Budgets unter einer neuen Bundesregierung vereint hätten, die mit ihrer eigenen Steuerpolitik gegensteuern konnte.

Dieser Schritt stelle vor allem eine mutige politische Entscheidung dar. "Wir wurden geboren mit einer entschlossenen Lösung für die Probleme, mit denen Europa heute zu kämpfen hat", sagte Sargent. "Das alles geschah gleichzeitig, mit Hilfe eines Prozesses, der wie ein Wunder aussieht". Ähnliches könnte auch Europa schaffen. Auch Sargents Kollege Sims plädierte für eine gemeinsame Budgetpolitik der Euro-Zone. Der Ausschluss schwacher Euro-Staaten sei keine Lösung des Euro-Problems, betonte der 68-jährige US-Ökonom.

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